Die UN-Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow ist emotional zu Ende gegangen: Als sich mehrere Staaten am Samstagabend kurz vor der Schlussabstimmung bitterlich über Verwässerungen in letzter Minute beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma mit den Tränen. «Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist. Und es tut mir sehr leid», sagte der Gastgeber.
Er fügte an: «Es ist auch von elementarer Bedeutung, dass wir dieses Paket schützen.» Darauf versagte ihm die Stimme und er senkte den Blick. Die Delegierten halfen ihm mit langem Applaus über den emotionalen Moment hinweg.
Den Samstag über hatten stundenlange, hitzige Debatten die Beratungen massiv verzögert. Politiker standen dicht zusammen, gestikulierten wild und diskutierten. Frans Timmermans, Kommissar für Klimaschutz, umgarnte die Delegierten schliesslich: «Ich flehe euch an, nehmt diesen Text an.»
Folgende Punkte wurden schliesslich entschieden:
Die rund 200 Teilnehmerstaaten der zweiwöchigen Klimakonferenz in Glasgow stimmten kurz darauf der gemeinsamen Erklärung zu, die zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleenergie auffordert. Die Formulierung war auf Druck von China und Indien jedoch in letzter Minute abgeschwächt worden. Viele kleinere Staaten fühlten sich übergangen. Auch EU-Kommissar Frans Timmermans äusserte seine grosse Enttäuschung darüber, würdigte die Forderung zum Kohleausstieg aber dennoch als «historisch».
In der Abschlusserklärung bekennen sich die Länder gemeinsam zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen. Dies bleibt aber freiwillig, es gibt keine Pflicht. In der Erklärung wird festgehalten, dass der Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit in Reichweite bleiben soll.
Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt mit häufigeren und längeren Dürren und Hitzewellen konfrontiert oder kämpfen mit heftigeren Stürmen und Überschwemmungen. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar (etwa 42 Milliarden Schweizer Franken.)
Erstmals wird auch die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten. Gemeint sind etwa Zerstörungen oder erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Konkrete Summen dafür werden aber nicht genannt. Es soll nur «technische Unterstützung» nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.
Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig nannte es «schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden». Ihr Ruf nach Unterstützung bei der Bewältigung von Schäden und Zerstörungen infolge des Klimawandels – wenn die Grenzen der Anpassung erreicht sind – sei wieder nahezu ungehört geblieben.
Zu den Erfolgen der COP26 gehört die Verabschiedung mehrerer Regeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens. Der gemeinsame Zeitplan wurde gebilligt und sieht vor, dass alle Länder ab 2030 für die nächsten zehn Jahre und für diejenigen, die dazu in der Lage sind, sogar ab 2025 alle fünf Jahre «nationale Beiträge» ankündigen.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres hat sich ernüchtert gezeigt über den Kompromiss beim UN-Weltklimagipfel COP26 in Glasgow. «Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen», schrieb Guterres nach der Einigung der Delegierten auf die Abschlusserklärung am Samstagabend auf Twitter. Er fügte hinzu: «Der Kampf gegen den Klimawandel ist der Kampf unseres Lebens, und dieser Kampf muss gewonnen werden.»
Der Gastgeber, der britische Premier Boris Johnson, begrüsste die Beschlüsse als grossen Schritt nach vorn, wies aber darauf hin, dass es weiterhin viel zu tun gebe. «Ich hoffe, dass wir auf die COP26 in Glasgow als Anfang vom Ende des Klimawandels zurückblicken werden.»
Die weltweit bekannteste Klimaaktivistin Greta Thunberg zog hingegen eine vernichtende Bilanz. «Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Blah, blah, blah», twitterte die Schwedin.
The #COP26 is over. Here’s a brief summary: Blah, blah, blah.
— Greta Thunberg (@GretaThunberg) November 13, 2021
But the real work continues outside these halls. And we will never give up, ever. https://t.co/EOne9OogiR
Trotz «einiger Erfolge» ist Umweltministerin Simonetta Sommaruga nicht zufrieden mit dem Resultat der Weltklimakonferenz. Die Formulierung zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleenergie war auf Druck von China und Indien in letzter Minute abgeschwächt worden. Sommaruga prangerte im Namen ihrer sechsköpfigen Verhandlungsgruppe das «inakzeptable Manöver» in letzter Minute an.
«Das ist nicht gut für die Glaubwürdigkeit des Prozesses», sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga in Glasgow gegenüber Schweizer Medien. Angenommen wurde der Text aber dennoch. Nach Ansicht von Sommaruga, wie auch nach Ansicht zahlreicher Nichtregierungsorganisationen, wird diese erstmals so deutlich erwähnte Abschwächung des Kohleverbrauchs nicht ausreichen, um die Erwärmung bis 2100 auf 1,5 °C zu begrenzen. Es sei aber Signal gesetzt worden, dass die Ära der Kohle zu Ende geht. Und das sei wichtig.
Der nächste Gipfel, die COP27, findet im November 2022 in Ägypten statt.
(saw/jaw/sda/dpa)