Der Alte ist auch der Neue: Jeremy Corbyn bleibt Parteichef von Labour
Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ist bei einer Urwahl mit grosser Mehrheit im Amt bestätigt worden. Der Politiker des linken Parteiflügels erhielt 61,8 Prozent der Stimmen, wie die Partei bei ihrem Parteitag in Liverpool mitteilte.
Der 67-jährige Corbyn konnte sein Ergebnis im Vergleich zu seiner ersten Wahl im September 2015 noch einmal steigern. Damals hatte er überraschend 59,5 Prozent erhalten. Bei der jüngsten Wahl kam sein einziger Herausforderer Owen Smith lediglich auf 38,2 Prozent. Die rund 550'000 Labour-Mitglieder waren aufgerufen gewesen, bis Mitte der Woche ihre Stimme abzugeben.
Jeremy Corbyn thanks his supporters for helping him to be re-elected Labour leader and praises rival Owen Smith https://t.co/CYraMiwPh6
— Sky News (@SkyNews) September 24, 2016
Corbyn rief die Partei nach der Bekanntgabe des Ergebnisses zur Einheit auf. «Wir haben viel mehr gemeinsam, als uns trennt», sagte der Politikveteran am Samstag unter dem donnernden Applaus der Delegierten in Liverpool. «Arbeiten wir gemeinsam für einen echten Wandel.»
Die Partei sollte einen Schlussstrich unter den Streit der vergangenen Monate ziehen, sagte Corbyn, der seit 1983 für Labour im Abgeordnetenhaus sitzt, doch in der Fraktion unbeliebt ist.
In der Fraktion unbeliebt
Die Urwahl war angesetzt geworden, um einen Ausweg aus der seit Monaten anhaltenden Führungskrise zu finden, welche die 116 Jahre alte Partei in ihren Grundfesten erschüttert hat. Corbyn ist an der Basis und bei den Gewerkschaften beliebt, in der Fraktion aber wegen seiner linken Ansichten umstritten. Viele Abgeordnete fürchten, dass Labour mit Corbyn an der Spitze nicht an die Macht zurückkehren könne.
Die Moderaten warfen Corbyn zudem vor, sich vor dem Brexit-Referendum Ende Juni nicht entschieden genug für den Verbleib Grossbritanniens in der EU eingesetzt zu haben. Eine breite Mehrheit der Parlamentarier im Unterhaus startete deshalb eine «Palastrevolte» und sprach Corbyn das Misstrauen aus. Dutzende Schattenminister liefen Corbyn davon.
Corbyn markiert Linkskurs
Die Wiederwahl Corbyns hatte einen deutlichen Linksschwenk der Partei und eine Abkehr vom Zentrumskurs ihres heute umstrittenen früheren Vorsitzenden Tony Blair markiert. Der Erfolg Corbyns ist nicht zuletzt den 300'000 Mitgliedern zu verdanken, die seit vergangenem Jahr der Partei beitraten. Damit hat sich die Mitgliederzahl von Labour praktisch verdoppelt, so dass sie zur grössten Partei Europas geworden ist.
Es ist offen, ob sich die Gegner Corbyns nach seiner Wiederwahl nun hinter ihn stellen werden. Während einige Rebellen bereits ein Einlenken signalisierten, machen die erbitterten Auseinandersetzungen der vergangenen Monate eine schnelle Versöhnung unwahrscheinlich.
Zwar schliessen viele Beobachter eine Spaltung der Partei aus, doch dürfte der Konflikt zwischen Corbyn und der Fraktion die Partei weiter belasten. (wst/sda/afp)
Der 67-Jährige mit dem weissen Bart gehört seit über drei Jahrzehnten dem Unterhaus an – ebenso lange zählt er zum linken Rand der Partei. Bereits mit 17 Jahren trat er in die Partei ein, Sporen verdiente er sich in der Gewerkschaftsbewegung.
Immer wieder stellte sich der Parteirebell gegen Positionen der Labour-Regierung. Die moderate Linie von Ex-Premier Tony Blair war ihm ein Graus. Mehr als 500 Mal soll der Sohn eines Ingenieurs und einer Mathematiklehrerin gegen die Parteilinie gestimmt haben. Unter anderem war Corbyn erbitterter Gegner des Irakkriegs.
Doch als Parteichef blieb Corbyn glücklos. Nach Misserfolgen bei den Regionalwahlen im vergangenen Mai wurde die Kritik lauter. Vor allem seit dem Brexit-Votum Ende Juni nahm der Druck aus der Unterhaus-Fraktion zu. Die meisten Abgeordneten revoltierten gegen ihn, es wuchs die Angst, dass mit dem Altlinken keine Wahlen zu gewinnen sind.
Auch wegen seiner Haltung im Palästinenser-Konflikt und zur radikalislamischen Hamas sowie zur Schiitenmiliz Hisbollah, die er zeitweise als «Freunde» bezeichnete, geriet Corbyn ins Kreuzfeuer. Einige Kritiker hielten ihm gar vor, er setzte sich in diesem Zusammenhang nicht energisch genug gegen antisemitische Tendenzen ein. (sda/dpa)
