
Wolodymyr Selenskyj nach einer Privataudienz bei Franziskus, 2024.Bild: keystone
Kommentar
Dem Vatikan bietet sich nach dem Tod von Franziskus die Chance, seine fragwürdige Haltung zum Ukraine-Krieg zu korrigieren.
07.05.2025, 16:2207.05.2025, 18:18
Als überzeugter Atheist mische ich mich normalerweise nicht in religiöse Angelegenheiten ein. Doch es sind keine normalen Zeiten.
Nach dem Tod von Papst Franziskus erhält die katholische Kirche ein neues Oberhaupt. Und wir können hoffen, dass endlich Mut einkehrt in die heiligen Hallen in Rom. Der Mut, Dinge beim Namen zu nennen.
Zur Erinnerung: Im Februar 2024 gab Franziskus dem Schweizer Fernsehen RSI ein Interview, das für Unverständnis und Entsetzen sorgte. Darin liess der Papst durchblicken, dass die Ukraine besser die weisse Flagge schwenken solle, um unnötiges Blutvergiessen und weitere Tote und Verletzte zu vermeiden.
Was der Papst hingegen nicht machte, war denjenigen öffentlich zu kritisieren, der den verbrecherischen Krieg allein zu verantworten hat: Wladimir Putin.
Die deutsche Theologin Regina Elsner brachte es in einem lesenswerten Kommentar auf den Punkt:
«Niemand kann diesen Krieg beenden, solange Russland ihn führen will, und die Ukraine ist eben nicht nur ein armes gepeinigtes Opfer, sondern eine Gesellschaft, die sich und ihre Selbstbestimmung verteidigt. Mit beidem hat Papst Franziskus, aber auch der Vatikan insgesamt ein Problem.»
Dass das Opfer sich mit allen Mitteln wehre, dass es seine Würde, seine Mitmenschen nicht aufgebe, mache die Lage kompliziert. Denn Menschen, die bis zum Letzten für sich einstehen, seien der Kirche suspekt.

Franziskus im März 2022 beim Besuch eines italienischen Spitals, in dem ukrainische Kinder versorgt wurden.Bild: keystone
Für viele von uns, die in Freiheit und Sicherheit leben, wäre es wohl tatsächlich bequemer, die Ukraine würde die Opferhaltung akzeptieren und uns nicht ständig an die Kriegsverbrechen und den Terror erinnern.
Die Lösung kann aber eben genau nicht sein, sich dem Aggressor zu beugen und einen ungerechten Diktatfrieden (und Schlimmeres) hinzunehmen.
Was auch drei Jahre nach der Invasion fehlt, ist eine klare Verurteilung durch den Vatikan. Eine klare Verurteilung der politischen und kirchlichen Führung Russlands, die für den Kriegskurs verantwortlich zeichnet. Eine klare Verurteilung der imperialistischen Ideologie Putins und ein eindeutiger Aufruf an den Aggressor, seinen Angriffskrieg unverzüglich zu beenden.
Tatsächlich widerspricht es auch der christlichen Moral, wenn man in einer Bedrohungssituation nicht an der Seite der Überfallenen und Schwachen steht und nicht bereit ist, den Aggressor scharf zu verurteilen und dessen Gewalt entschlossen entgegenzutreten.
Der neue Papst sollte sich deshalb unbedingt für einen gerechten Frieden einsetzen und zugunsten der Ukraine Position beziehen. Sonst ist es bald endgültig um die Glaubwürdigkeit des Vatikans geschehen.
«Wolf im Schafspelz»
In Nachrufen und von bekannten Politikern wurde der im April verstorbene Papst Franziskus als grosser Menschenfreund gewürdigt. Der deutsche Philosoph Michael Schmidt-Salomon, Mitgründer der
Giordano-Bruno-Stiftung, sieht das Wirken des Argentiniers deutlich kritischer. Franziskus sei kein «Anwalt der Menschlichkeit» gewesen, «sondern vielmehr ein sympathisches, lächelndes Gesicht, das eine zutiefst menschenverachtende Ideologie kaschierte». Und noch klarer: «Er war ein Wolf im Schafspelz».
Um dem Niedergang der einst so mächtigen katholischen Kirche entgegenzuwirken, habe der Papst fragwürdige politisch-religiöse Bündnisse unterstützt. So zum Beispiel das Bündnis zwischen Evangelikalen und rechten Katholiken in Trumps Amerika.
Franziskus habe auch die weltweiten Kampagnen gegen den Schwangerschaftsabbruch massiv unterstützt. Zudem habe das Kirchenoberhaupt wenig gegen die massiven Angriffe auf Schwule, Lesben, Transpersonen aus den eigenen Reihen unternommen.
Quellen
Die Papabili für die Nachfolge von Papst Franziskus
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Die Papabili für die Nachfolge von Papst Franziskus
Johannes Paul I., der 1978 nach 33 Tagen im Amt starb, war der bisher letzte italienische Papst. Könnte der nächste Papst daher wieder aus der mächtigen Gruppe der italienischen Kardinäle kommen? Einer ihrer wichtigsten Vertreter ist Kardinal Pietro Parolin (*17.1.1955). Der vatikanische Kardinalstaatssekretär gilt als Mann der Mitte, der sich insgesamt eher zur traditionellen katholischen Lehre bekennt.
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Mehr lesenquelle: keystone / wael hamzeh
Arnold Schwarzeneggers starke Botschaft gegen Hass und Antisemitismus
Video: watson
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eine berechtigte Sichtweise, aber auch eine sehr weltliche und europazentrierte Sichtweise.
Der Papst und die römisch katholische Kirche wird für nichts Partei ergreifen ausser für die römisch katholische Kirche. Und die ist in Russland und der Ukraine nicht sehr gross.
Der Blick ist nach Asien gerichtet.