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Das Merz-Debakel im Bundestag ist ein Geschenk für Putin und Trump

dpatopbilder - 06.05.2025, Berlin: Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verl
Ein zerknirschter Friedrich Merz nach der Pleite im ersten Wahlgang.Bild: keystone
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Das Trauerspiel um Merz ist ein Geschenk für Putin und Trump

Erst im zweiten Anlauf schaffte Friedrich Merz die Wahl zum deutschen Bundeskanzler. In einer Zeit, in der die Demokratie weltweit unter Druck ist, sind solche Machtspielchen ein fatales Signal.
06.05.2025, 17:0406.05.2025, 17:14
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Damit hatte kaum jemand gerechnet: Friedrich Merz verpasste am Dienstag im ersten Wahlgang die Kür zum deutschen Bundeskanzler. 18 Mitglieder der schwarz-roten Koalition verweigerten ihm im Bundestag die Zustimmung. Der «Zählappell» der Fraktionen von CDU/CSU und SPD hatte auf eine sichere Wahl hingedeutet. Entsprechend zuversichtlich hatte sich Merz gezeigt.

Die Konsternation stand dem CDU-Chef ins Gesicht geschrieben, als sein Scheitern verkündet wurde. Danach brach Hektik aus, denn nie in der Geschichte der Bundesrepublik kam es zu einem solchen Debakel. Am knappsten war es bei der ersten Kanzlerwahl 1949, als Konrad Adenauer dank seiner eigenen Stimme exakt auf die nötige Mehrheit kam.

Co-leaders of AfD Alice Weidel, right, and Tina Chrupalla are pictured iahead of a second round of vote at the German federal parliament, Bundestag, at the Reichstag building in Berlin, Germany, Tuesd ...
Hochstimmung bei den AfD-Chefs Tino Chrupalla und Alice Weidel.Bild: keystone

Immerhin klappte es im zweiten Wahlgang am Dienstagnachmittag. Die Erleichterung war gross, denn bei einem erneuten Scheitern wäre die Staatskrise perfekt gewesen. Das «Blame Game» war ohnehin im Gang. Mögliche Gründe für einen Denkzettel gibt es einige, sowohl an die Adresse von Merz als auch des SPD-Vizekanzlers Lars Klingbeil.

Weidel nennt Merz Wahlbetrüger

Ende gut, alles gut? So einfach ist es nicht, denn die Welt und besonders Europa sind auf eine handlungsfähige deutsche Regierung angewiesen. Wir leben in einer Zeit grosser innen- und aussenpolitischer Herausforderungen, dennoch leistete sich der Bundestag in Berlin den fragwürdigen «Luxus», den neuen Kanzler im ersten Anlauf durchfallen zu lassen.

Freuen darüber konnten sich nur jene, die sich mit der Demokratie schwertun oder sie offen bekämpfen. Das beginnt mit der AfD, die vom Verfassungsschutz letzte Woche als «gesichert rechtsextremistisch» eingestuft wurde und nun jubeln konnte. Parteichefin Alice Weidel forderte Neuwahlen und bezeichnete Merz in Trump-Manier als Wahlbetrüger.

Persönliche Animositäten

Donald Trump und sein Vize J.D. Vance dürften sich ebenfalls die Hände reiben. Ihre Verachtung für Europa ist grenzenlos. Es muss für sie eine Genugtuung sein, wenn dessen Führungsmacht Deutschland dermassen ins Stolpern gerät. Von Wladimir Putin ganz zu schweigen. Wozu muss er einen hybriden Krieg führen, wenn die deutsche Demokratie sich selbst zerlegt?

Dieses Geschenk für Autokraten hätte es nicht gebraucht. Offenbar gibt es in den Reihen der neuen Koalition einige, die ihre persönlichen Animositäten höher gewichteten als das Interesse des Landes. Andererseits könnte diese anfängliche Blamage auch als heilsamer Schock wirken. CDU/CSU und SPD müssten sich jetzt erst recht zusammenraufen.

Tiefe Erwartungen als Chance

An Herausforderungen fehlt es wahrlich nicht. Klar an erster Stelle steht für die meisten Deutschen gemäss dem ZDF-Politbarometer die Wirtschaft, noch vor Migration oder Verteidigung. Der neuen Regierung trauen sie demnach nicht allzu viel zu. Für Friedrich Merz gilt dies erst recht. 56 Prozent beurteilen ihn als neuen Bundeskanzler negativ.

Die Erwartungen sind folglich tief, und das ist auch eine Chance. Es gibt einige Sachthemen, die das Bündnis ebenfalls spalten könnten, von der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine bis zur Eindämmung der Migration. Der Merz-Schock könnte deshalb heilsam sein. Darauf vertrauen sollte man nach diesem Kanzler-Trauerspiel jedoch besser nicht.

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quelle: keystone / clemens bilan
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Friedrich Merz wird – vorerst – nicht Bundeskanzler
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Die beliebtesten Kommentare
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Alnothur
06.05.2025 17:16registriert April 2014
Ein Geschenk für Putin und Trump sind vor Allem auch solche kopflosen Panik-Artikel.
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Mupfele
06.05.2025 17:10registriert August 2020
Das ist gelebte Demokratie und kein Zeichen von Schwäche - manche kapieren das einfach nicht.
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Tokyo
06.05.2025 18:12registriert Juni 2021
Ein weiterer Panikartikel ohne jeden Sinn.
Warum muss man alles schlecht reden? Wegen den Abweichlern im ersten Wahlgang ist die Regierung nicht besser oder schlechter.

Lasst die Leute arbeiten.
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