In den festgefahrenen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg hat US-Präsident Joe Biden überraschend einen neuen Vorschlag präsentiert und zu einer Einigung aufgerufen. «Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden», sagte Biden am Freitag im Weissen Haus in Washington. Israel habe unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens einem umfassenden neuen Entwurf zugestimmt, der drei Phasen vorsehe und an die Hamas übermittelt worden sei. «Es ist ein Fahrplan für einen dauerhaften Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln.»
Durch die überraschende öffentliche Präsentation der Details erhöhte Biden den Druck auf beide Seiten, nach dem monatelangen blutigen Krieg die Kämpfe einzustellen.
Der US-Präsident mahnte, wenn die Hamas wirklich eine Waffenruhe wolle, könne sie dies mit ihrer Zustimmung zu dem Abkommen belegen. An Israel gerichtet sagte er, das Land könne den Deal eingehen, ohne Angst um die eigene Sicherheit zu haben. Nach mehreren Monaten Krieg sei die islamistische Hamas nicht mehr in der Lage, ein Massaker wie am 7. Oktober anzurichten. Israel hat die Zerschlagung der Hamas als eines der Kriegsziele erklärt und lehnt ein Ende des Krieges bislang mit der Begründung ab, dass die Ziele noch nicht erreicht seien.
Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter sagte, der Vorschlag sei detailliert auf viereinhalb Seiten festgehalten und am Donnerstagabend an die Hamas übermittelt worden. Er sei in mühevoller Kleinarbeit ausgearbeitet worden, «und er ist fast identisch mit dem, was die Hamas selbst vor ein paar Wochen vorgeschlagen hat». Die Verantwortung für eine Lösung liege nun bei der Hamas.
Mit Blick auf die überraschende Veröffentlichung der Pläne durch Biden sagte er, die US-Regierung habe es für wichtig gehalten, die Details publik zu machen, da die Vorschläge sonst öffentlich anders dargestellt würden von Gegnern eines Deals.
Die Einzelheiten sehen nach Angaben der US-Regierung wie folgt aus:
Der Beamte betonte, die US-Regierung mache sich keine Illusionen, dass es schon morgen eine Einigung geben werde. Einige Details müssten noch ausgearbeitet werden. Er stellte den Vorschlag jedoch als alternativlos dar: «Es ist der einzige Weg, der zur Verfügung steht, um sowohl die Geiseln nach Hause zu bringen, als auch Israels Sicherheit dauerhaft und langfristig zu gewährleisten.»
Biden richtete eine besondere Ansage in Richtung Israel: «Ich weiss, dass es in Israel einige gibt, die mit diesem Plan nicht einverstanden sind und eine Fortsetzung des Krieges auf unbestimmte Zeit fordern werden», sagte er. «Einige sind sogar in der Regierungskoalition, und sie haben deutlich gemacht, dass sie den Gazastreifen besetzen wollen.»
Sie wollten jahrelang weiterkämpfen, die Freilassung der Geiseln habe für sie keine Priorität, beklagte er. Biden betonte aber: «Ich habe die israelische Führung aufgerufen, hinter diesem Deal zu stehen» - allem Druck zum Trotz.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verwies am Abend erneut auf die Kriegsziele des Landes. In einer Mitteilung seines Büros nach Bidens Rede hiess es, der Ministerpräsident habe das Verhandlungsteam ermächtigt, ein Konzept vorzulegen, um die Ziele zu erreichen. Ohne Verweis auf die USA oder Biden hiess es zudem, der von Israel vorgeschlagene Plan, einschliesslich des Übergangs unter Bedingungen von einer Phase zur nächsten, ermögliche Israel, den Grundsatz einzuhalten, dass der Krieg erst beendet wird, wenn alle Ziele erreicht seien.
Grossbritanniens Aussenminister David Cameron hat die Hamas aufgefordert, den Vorschlag anzunehmen. Die Hamas müsse den Deal akzeptieren, damit die Kämpfe ein Ende hätten, die Geiseln wieder zu ihren Familien könnten und eine Menge humanitärer Hilfe in den Gazastreifen gelange, teilte Cameron am Freitagabend auf der Plattform X mit. Ein Ende der Kämpfe könne in einen dauerhaften Frieden münden, wenn alle zu den richtigen Schritten bereit seien. «Lasst uns diesen Moment nutzen und den Konflikt zu einem Ende bringen.»
With a new hostage agreement on the table, Hamas must accept this deal so we can see a stop in the fighting, the hostages released and returned to their families and a flood of humanitarian aid into Gaza.
— David Cameron (@David_Cameron) May 31, 2024
As we’ve long argued a stop in the fighting can be turned into a permanent…
Auslöser des Gaza-Kriegs war ein beispielloses Massaker, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1200 Menschen getötet. Bei dem Überfall auf Israel wurden damals auch mehr als 250 Menschen gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt. Dutzende davon wurden später freigelassen. Offiziellen Angaben aus Israel zufolge sind jedoch noch mehr als 120 Geiseln in der Gewalt der Hamas - unklar ist, wie viele von ihnen noch am Leben sind.
Seit Wochen vermitteln die USA, Ägypten und Katar zwischen Israel und der Hamas, um eine Freilassung der restlichen Geiseln zu erreichen - im Austausch für palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen. Ziel der Verhandlungen ist ausserdem eine Feuerpause in dem Konflikt. Bislang führten die Gespräche jedoch nicht zum Erfolg. Die Hamas hatte erst am Donnerstag verkündet, Voraussetzung für eine Freilassung aller Geiseln sei ein Ende des Krieges. Israel lehnt genau das bisher aber ab.
Als Reaktion auf das Massaker am 7. Oktober hatte Israel der Hamas im Gazastreifen den Krieg erklärt. Das israelische Militär startete massive Luftangriffe und eine Bodenoffensive in dem dicht besiedelten Küstengebiet. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen wurden seitdem bislang mehr als 36'000 Menschen getötet und mehr als 82'000 weitere verletzt. (dab/sda/dpa)
Was beinhaltet der Plan, so dass es nach dauerhaft aussieht? Denn die genannten Punkte bewirken kein Szenario, das vor dem 7.10. anders gewesen wäre.