Für die zehntausend Gläubigen und Touristen auf dem Petersplatz war es ein banger Moment: Papst Franziskus sass während der Palmsonntagsmesse auf seinem Platz vor der Basilika, lauschte dem Verlesen des Evangeliums und als die Textstelle erreicht war, die vom Tod Jesu berichtet, erhob er sich, um seine vorbereitete Predigt zu halten. Aber er blieb zwei oder drei endlos wirkende Minuten lang stumm und wirkte dabei müde und gebrechlich.
Dass der Papst auf die Palmsonntagspredigt verzichtet, ist ungewöhnlich – das letzte Mal erlebten dies die Gläubigen in Rom im Jahr 2005, als Papst Johannes Paul II. ebenfalls keine Predigt hielt, weil er aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung seine Stimme verloren hatte. Wenige Tage später verstarb der Papst aus Polen.
Am Sonntagabend beschwichtigte der Vatikan: Es sei gar nicht geplant gewesen, dass Franziskus die Predigt halte. Sehr überzeugend tönte das nicht, denn es war offensichtlich, dass der Papst gesundheitlich angeschlagen ist. Er kränkelt schon seit längerem: Vor einem Jahr, am 29. März, erlitt er einen Schwächeanfall und wurde in die Römer Gemelli-Klinik eingeliefert, wo eine akute Bronchitis festgestellt wurde.
Weil Ostern vor der Tür stand, verliess er das Krankenbett aber schon nach drei Tagen wieder – bevor er richtig gesund war. Im November wurde erneut eine Bronchitis diagnostiziert; wegen des Rückfalls musste Franziskus auf eine Teilnahme an der Klimakonferenz von Dubai verzichten. Im Winter wurde er auch noch von der Grippewelle erfasst, die im Vatikan grassierte. Und seit rund einem Monat behindert ihn eine neue Atemwegsinfektion beim Sprechen.
Das sind keine optimalen Bedingungen im Hinblick auf die zahlreichen Verpflichtungen der Karwoche – zumal das Amt des Papstes auch in normalen Zeiten schon sehr anstrengend und anspruchsvoll ist. Als Papst ist Franziskus zugleich Kirchenführer und Staatsoberhaupt. Jede Woche hält er im Vatikan Dutzende von Audienzen.
Daneben schreibt er Predigten, Enzykliken und andere päpstliche Dokumente; gleichzeitig muss er den zweiten Teil der Weltsynode und das heilige Jahr 2025 vorbereiten. Hinzu kommen die Reisen. Im April will Franziskus den vatikanischen Pavillon an der Biennale von Venedig besuchen, im Mai und im Juli stehen zwei Abstecher nach Verona und Triest auf dem Programm.
Ausserdem ist ein Besuch in Belgien geplant. Und als wäre dies noch nicht genug, arbeitet der Vatikan auch noch an einer 13 Tage dauernden Reise nach Singapur, Osttimor, Papua-Neuguinea und Indonesien. Alles im laufenden Jahr, notabene, mit 87 Jahren.
Was die Osterfeierlichkeiten anbelangt: Der Vatikan hat am Sonntag bestätigt, dass der Papst an sämtlichen Anlässen der heiligen Woche teilnehmen wird. Das heisst – die Liste der Verpflichtungen ist nicht vollständig – dass Franziskus am Gründonnerstag zuerst eine Messe halten und am Abend die traditionelle Fusswaschung vornehmen wird. Zu diesem Zweck wird er die Frauenabteilung des Römer Gefängnisses Rebibbia aufsuchen, um vor den strafgefangenen Frauen niederzuknien und die Demutsgeste vorzunehmen.
Am Karfreitag ist wie jedes Jahr der stimmungsvolle Höhepunkt der Karwoche – der Kreuzweg im Kolosseum – vorgesehen. Letztes Jahr hatte Franziskus diesen Termin wegen der noch nicht ausgeheilten Bronchitis und den damals relativ kühlen Temperaturen ausfallen lassen. Am Ostersonntag folgt schliesslich der Ostergottesdienst auf dem Petersplatz mit dem anschliessenden Segen «urbi et orbi» (für die Stadt und den Erdkreis).
Da stellt sich fast zwangsläufig die Frage: Muss man sich angesichts dieser Tour de Force Sorgen um den Papst machen? «Nein», sagt Sergio Alfieri, Chirurgie-Chefarzt der Gemelli-Klinik. Franziskus ist sein Patient; er hatte den Papst im letzten Sommer am Darm und zwei Jahre zuvor auch wegen einer Divertikulitis operiert.
Franziskus gehe es seinem Alter entsprechend gut; er habe, abgesehen von den anhaltenden Problemen mit den Bronchien, keine besonderen Krankheiten. Natürlich wäre es in seinem Alter normal, wenn er sich ausruhen und sich wie andere Rentner hin und wieder vor den Fernseher setzen würde, betonte Alfieri am Montag gegenüber dem «Corriere della Sera». Aber der Papst sei noch voll in der Lage, sein Amt alleine auszuführen, betont Alfieri: «Im Kopf ist er noch fit wie ein Sechzigjähriger. Franziskus hat uns vieles voraus.»