Weil Klicks und Likes bares Geld bedeuten, versuchen viele Influencerinnen und Influencer oft Aufmerksamkeit durch Irritation, Grenzüberschreitungen und Geschmackloses zu provozieren. Ein neuer Trend spaltet dabei die Gemüter, sorgt aber für lukrative Zahlen und weckt Erinnerungen an das Kult-Game «Temple Run».
Seit 2011 zocken Millionen von Menschen den «Jump 'n' Run»-Klassiker auf ihrem Smartphone. Mit über einer Milliarde Downloads gehört die Reihe zu den erfolgreichsten jemals produzierten Apps. Dabei flieht die Spielfigur vor mörderischen Affen durch die Korridore und über Brücken einer altertümlichen Tempelanlage und sammelt Münzen. Und da die Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha dem Hintergrund des Computerspiels zum Verwechseln ähnlich sieht, wird gerade hier gerne gefilmt.
Die gewaltige Tempelanlage aus dem 12. Jahrhundert bietet nicht nur Inspiration und Kulissen für klassisches Action-Kino wie Indiana Jones und Tomb Raider, seit dem Ende der blutigen Schreckensherrschaft durch die Rote Khmer in den 1970er-Jahren ist Angkor Wat auch die Tourismus-Attraktion schlechthin in Kambodscha.
Längst haben Influencerinnen und Reiseblogger die gigantische Tempelanlage für sich entdeckt. Neu ist aber, mit welcher Dreistigkeit sich manche dem buddhistischen Heiligtum nähern. Denn der neue Trend sorgt bei Denkmalschützern und der UNESCO für Empörung.
Dabei rennen die Touristinnenund Touristen, von hinten gefilmt, durch die altertümlichen Tempelmauern. Unterlegt mit Affengekreische und mystischen Trommelrhythmen erschaffen sie so ihren ganz persönlichen «Temple Run» an heiliger Stätte.
@chiaracontino_ Temple Run in real life 🛕 #cambodia #angkorwatcambodia #angkorwattemple #templerun ♬ original sound - Apollo_tee2.0
Im Gespräch mit der britischen Zeitung «The Independent» betonte ein Vertreter der Welterbe-Organisation UNESCO, worum es beim Besuch eigentlich gehen sollte: «Die UNESCO bittet Besucher, sich den Stätten mit Respekt und Neugier zu nähern.»
Dabei geisselte der Sprecher auch die Trends der aktuellen Social-Media-Kultur: «Die Besessenheit, das perfekte Video oder Bild aufzunehmen und zu posten, kann von der authentischen Reiseerfahrung ablenken, was zu einer Verminderung der kulturellen und historischen Bedeutung der Stätte führen kann.»
Die Furcht: Mehr Besucherinnen und Besucher, eine grössere Belastung für die empfindliche Welterbe-Stätte sowie die Degradierung zu einer blossen Tourismus-Attraktion, kurz: Overtourism. Das scheint der Staat Kambodscha aktuell nicht zu fürchten, denn gegen den Trend wurden weder Massnahmen eingeführt, noch wurde Kritik laut.
Andy Brouwer, Filmproduzent und Forschungsberater in der Region, findet das problematisch: «Ich kann nicht glauben, dass die Tempelbehörden dem nicht sofort Einhalt geboten haben. Wenn man hirntoten Idioten erlaubt, durch den Tempel zu rennen und auf und ab zu springen, ist das eine Kombination aus Unfall und Katastrophe, die darauf wartet, zu passieren», erklärte er gegenüber «Business Insider».
Die Archäologin Alison Carter führte aus: «Touristen stellen schon seit Jahren Unfug in Angkor Wat an.» Der neue Trend sei nicht nur gefährlich für sie selbst. Nebenbei könnten auch die verwitterten Anlagen Schäden davon tragen. «Die Leute vergessen oft, dass Angkor Wat und andere angkorianische Tempelanlagen Orte des lebendigen kulturellen Erbes für die kambodschanische Bevölkerung sind», so Carter weiter. «Wenn man etwas in einer Kirche oder Moschee nicht tun würde, sollte man es auch nicht in einem angkorianischen Tempel tun.»
Ich gehe im Februar nach Südostasien, Kambodscha und die Angkor Tempel inklusive und stelle ein Bein wenn einer dieser ignoranten Menschen an mir vorbeirennen.