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Kandidaten des Kremls führen bei Regionalwahlen in Russland

An elderly woman votes at a polling station during the Moscow mayoral election in Moscow, Russia, Saturday, Sept. 9, 2023. (Artur Novosiltsev/Moscow News Agency via AP)
Stimmabgabe in Moskau. Bild: keystone

Kandidaten des Kremls führen bei Regionalwahlen in Russland

10.09.2023, 21:1710.09.2023, 21:29
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Ein Rekordergebnis stand in der russischen Hauptstadt Moskau schon vor Schliessung der Wahllokale fest. Die Beteiligung lag offiziellen Angaben nach bei mehr als 40 Prozent. So viele Moskauer haben seit 20 Jahren nicht mehr bei Bürgermeisterwahlen abgestimmt. Selbst als 2013 der Oppositionelle Alexej Nawalny antrat, waren es nur 32 Prozent. In insgesamt 85 Regionen Russlands waren die Wähler aufgerufen, ihre Stimme auf verschiedener Ebene abzugeben.

In Moskau war weder im Wahlkampf noch während der dreitägigen Abstimmung etwas von Wahlfieber zu spüren. Der Andrang an den Urnen hielt sich in Grenzen. Der Amtsinhaber Sergej Sobjanin galt als klarer Favorit, die Gegenkandidaten waren den meisten Wählern kaum bekannt. Es gab Berichte, dass Betriebe und Verwaltungen ihre Mitarbeiter zur Stimmabgabe drängten. Vor allem elektronisch sollten die Wähler abstimmen. Am Samstag wurde eine Moskauerin zu einem Polizeirevier gebracht, weil sie im Wahllokal einen Wahlschein aus Papier forderte statt per Knopfdruck abzustimmen, wie das Online-Portal OWD-Info meldete. Sie wurde mit einem Bussgeld belegt.

Sobjanin führt bei Moskauer Bürgermeisterwahlen deutlich
Amtsinhaber Sergej Sobjanin führt offiziellen Angaben zufolge bei der Wahl zum Moskauer Bürgermeister deutlich. Sobjanin habe bei der Online-Abstimmung mehr als zwei Millionen Stimmen erhalten, teilte Artjom Kostyrko, ein ranghoher Beamter der Moskauer Stadtverwaltung, russischen Agenturen zufolge am Sonntag mit. Zweiter bei der elektronischen Stimmabgabe wurde demnach der Enkel des Kommunistenführer Andrej Sjuganow, Leonid Sjuganow, mit etwas mehr als 200'000 Stimmen. Die Wahl zum Moskauer Bürgermeister war eine der Gouverneurswahlen, die der Kreml mitten im Krieg als Stimmungstest vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr abhalten liess.
Insgesamt waren in der russischen Hauptstadt etwas mehr als sieben Millionen Menschen wahlberechtigt. Sie konnten sowohl online als auch mit Wahlzetteln abstimmen.​

Erstmals hielt Russland dabei auch in den besetzten Teilen der Ukraine Scheinwahlen ab. Von dort meldeten die Behörden sogar besonders hohe Abstimmungswerte. Im annektierten Teil Saporischschjas sollen mehr als 50 Prozent, in den russisch kontrollierten Teilen von Cherson und Luhansk jeweils über 60 Prozent und im Gebiet Donezk sogar mehr als 70 Prozent abgestimmt haben. Die Kremlpartei Geeintes Russland führte dabei deutlich.

Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen. Unabhängige Wahlbeobachter gab es dort genauso wenig wie in Russland selbst. Die Nichtregierungsorganisation «Golos», die bei früheren Abstimmungen immer wieder Verstösse aufgedeckt hatte, liess der Kreml im Vorfeld schon als unerwünscht verbieten, den Co-Vorsitzenden Grigori Melkonjanz vor wenigen Wochen in Haft nehmen.

Medwedew: Kremlpartei erzielt «würdiges Resultat» bei Regionalwahlen
Der Chef der Kremlpartei Geeintes Russland, Dmitri Medwedew, hat das Ergebnis seiner Partei bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Russland als positiv eingestuft. «Schon jetzt lässt sich sagen, dass Geeintes Russland würdig aufgetreten ist», sagte der Ex-Präsident, der als Vizechef des nationalen Sicherheitsrats immer noch Einfluss in der russischen Politik besitzt, am Sonntag der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Es sei gelungen, fast alle Positionen zu halten. Nun gehe es darum, die Wahlversprechen auch einzuhalten.
Gesondert ging Medwedew auf die Scheinwahlen in den vier von Russland besetzten ukrainischen Regionen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja ein. Dort hätten die Menschen mit ihrer Wahl Zivilcourage bewiesen, behauptete er. (sda/dpa)

Trotzdem wurden auch diesmal wieder eine Reihe von Unregelmässigkeiten gemeldet: In einer Region filmten Anhänger der Kommunisten mutmasslich ein Mitglied der örtlichen Wahlkommission beim Austausch von Stimmzetteln. Das Innenministerium sprach allerdings landesweit von nur wenigen Vorkommnissen, die keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis hätten. Einen Fauxpas leistete sich die Wahlkommission als auf ihrem Abstimmungstableau Ergebnisse aus der sibirischen Region Jakutien auftauchten - 20 Minuten, bevor dort die letzten Wahllokale schlossen. Die Behörde sprach später von einem technischen Fehler. Eingeblendet worden seien nur die Ergebnisse von Wahllokalen, die schon geschlossen worden seien.

Die vorläufigen Zwischenstände deuten auf einen Durchmarsch der Kremlkandidaten hin. Im Fernen Osten führen die von der russischen Führung eingesetzten Gouverneure durchweg.

Die einzige Niederlage muss der Kreml wohl in der sibirischen Teilrepublik Chakassien hinnehmen, wo der auf einer Protestwelle vor fünf Jahren ins Amt gekommene kommunistische Gouverneur Walentin Konowalow mit rund 60 Prozent der Stimmen führte. Allerdings hatte der Kreml dort seine Niederlage schon vor einigen Tagen eingesehen und den eigenen Kandidaten wegen angeblicher gesundheitlicher Beschwerden aus dem Rennen genommen. (sda/dpa)

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