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Russland

Nawalny und andere Opfer des Putin-Regimes – die Liste mysteriöser Tode

Die lange Liste von toten Putin-Gegnern und Oligarchen – nun ist auch Nawalny tot

Unter Wladimir Putins Herrschaft sterben seit Jahren Menschen unter mysteriösen Umständen. Ob der russische Präsident der Drahtzieher ist oder ob die Toten anderen Intrigen zum Opfer gefallen sind, ist unklar. Fest steht nur, dass man sich in Russland keine Feinde machen sollte.
17.02.2024, 07:54
Daniel Huber
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Politiker

Alexej Nawalny

Todesursache: derzeit noch unklar

FILE - Russian opposition leader Alexei Navalny appears via a video link from the Arctic penal colony where he is serving a 19-year sentence, provided by the Russian Federal Penitentiary Service durin ...
Nawalny im Januar 2024. Der Putin-Gegner litt in der sibirischen Strafkolonie unter gesundheitlichen Problemen. Bild: keystone

Der führende Oppositionspolitiker Alexej Nawalny stirbt am 16. Februar 2024 in einer sibirischen Strafkolonie. Der 47-Jährige brach laut Angaben der Gefängnisverwaltung nach einem Spaziergang zusammen und verlor sofort das Bewusstsein. Trotz umgehend eingeleiteter Wiederbelebungsversuche von Sanitätern sei er gestorben. Die Todesursache ist Gegenstand von Ermittlungen.

Nawalny überlebte 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok: Er fiel während eines Inlandflugs in Ohnmacht, nachdem er eine Tasse Tee getrunken hatte. In Deutschland wurde er gegen die Wirkung des Gifts behandelt und überlebte. Nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar 2021 wurde er sofort verhaftet und wegen «Extremismus» zu insgesamt 19 Jahren Lagerhaft verurteilt. Der Kreml-Kritiker galt international jedoch als politischer Gefangener.

Nawalny war ein scharfer Kritiker der Korruption in Russland und einer der profiliertesten Gegner Putins. Die Regierungspartei «Einiges Russland» bezeichnete er als «Partei der Gauner und Diebe». Er galt als populärster Herausforderer Putins, nicht zuletzt, weil er auch nationalistische Positionen vertrat.

Pawel Antow

Todesursache: Sturz aus dem Fenster

Der russische Unternehmer und Politiker Pawel Antow ist auf einer Indienreise gestorben.
Aus dem Fenster gestürzt: Pawel Antow.Bild: Telegram/ Vyacheslav Kartukhin)

Der laut «Forbes» reichste russische Abgeordnete Pawel Antow stirbt bei einem Sturz aus dem Fenster. Der 65-Jährige wird am 27. Dezember 2022 in einer Blutlache vor einem Hotel in der ostindischen Stadt Rayagada gefunden. Er sei aus dem dritten Stock eines Hotels gestürzt, teilte das russische Generalkonsulat in Kalkutta später mit. Wenige Tage zuvor starb im selben Hotel sein Mitreisender Wladimir Budanow. Todesursache soll ein Herzinfarkt gewesen sein.

Im Juni dieses Jahres hatte Antow sich Berichten zufolge im Internet kritisch über Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine geäussert und russische Raketenangriffe als «Terror» bezeichnet. Sein Eintrag wurde später wieder aus dem Netz gelöscht. Antow bat öffentlich um Entschuldigung und sprach von einem technischen Fehler.

Michail Jurjewitsch Lessin

Todesursache: Stumpfe Gewalt am Kopf

TAS26: MOSCOW, RUSSIA. AUGUST 16. President Vladimir Putin (R) and Minister of Press Mikhail Lesin (L) shake hands prior to their talk. Mikhail Lesin informed President of full restoration of transmis ...
Lessin schüttelt Putin 2002 die Hand.Bild: www.kreml.ru

Der russische Politiker und Medienmanager Michail Jurjewitsch Lessin wird am 5. November 2015 im Nobelhotel The Dupont Circle in Washington, D.C. tot aufgefunden. Russischen Medien zufolge soll er an einem Herzinfarkt gestorben sein. In einem Gutachten der Washingtoner Gerichtsmedizin heisst es allerdings, Lessin sei durch die Auswirkungen «stumpfer Gewalt» am Kopf gestorben. Schliesslich wurde sein Tod nach einer einjährigen Untersuchung durch die US-Behörden als ein Unfall aufgrund exzessiven Alkoholkonsums eingestuft.

Lessin war 2005 massgeblich an der Gründung des Auslandsfernsehsenders Russia Today (RT) beteiligt. Im Sommer 2014 wurde vom republikanischen Senator aus Mississippi, Robin Wicker, eine Untersuchung gegen Lessin eingeleitet. Grund dafür war der Verdacht auf Geldwäsche und Korruption.

Boris Nemzow

Todesursache: Schusswunden

The archive photo taken on Oct. 7, 2009 shows Russian opposition leader Boris Nemtsov (L) attending a rally in memory of killed Russian journalist Anna Politkovskaya in Moscow, Russia. Russian opposit ...
Erschossen: Boris Nemzow.Bild: imago-images

Am späten Abend des 27. Februar 2015 ist der bekannteste Regierungsgegner Russlands mit seiner Freundin im Zentrum Moskaus unterwegs, als ihm ein Attentäter viermal in Rücken und Hinterkopf schiesst. Boris Nemzow stirbt in Sichtweite des Kremls, seine Freundin Anna Durizkaja bleibt unverletzt. Der 55-jährige Nemzow, einst Vize-Ministerpräsident unter Boris Jelzin und kurzzeitig Putins aussichtsreichster Rivale, ist einer der Führer der Solidarnost-Bewegung, eines Bündnisses der russischen Opposition.

2014 bezeichnete er Russland gegenüber der ARD als Mafiastaat mit Putin an der Spitze. Am Tag vor seiner Ermordung kündigte er neue Enthüllungen über den Krieg in der Ost-Ukraine an. Als Tatverdächtige werden schon am 5. März fünf Tschetschenen verhaftet und später verurteilt. Die Annahme, die Mörder hätten aus islamistischen Motiven gehandelt, bezeichnen Regierungskritiker allerdings als unsinnig; sie diene der Ablenkung.

Sergej Juschenkow

Todesursache: Schusswunden

Leader of the Liberal Russia party Sergei Yushenkov seen a few hours before his killing, at a briefing on plans of his party to run in the coming parliamentary election later this year, in Moscow, Thu ...
Erschossen: Sergej Juschenkow.Bild: AP GAZETA

Der vormalige russische Informationsminister und liberale Duma-Abgeordnete Sergej Juschenkow wird am 17. April 2003 im Moskauer Stadtteil Tuschino erschossen, als er aus seinem Dienstwagen steigt. Kurz zuvor hat er seine neue Liberale Partei für die Wahlen im Dezember registrieren lassen. Juschenkow war Mitglied im Geheimdienstausschuss der Staatsduma und Vize-Chef einer Kommission, die eine Serie von angeblich tschetschenischen Bombenanschlägen in Moskau untersuchte. 2002 veröffentlichte er einen Film, in dem er dem Geheimdienst FSB eine Verwicklung in die Anschläge vorwarf. Vier Täter, bei denen zum Teil erhebliche Zweifel an ihrer Schuld bestehen, wurden verurteilt.

Militärpersonal

Jewgeni Prigoschin

Todesursache: Flugzeugabsturz

FILE - In this image from video provided by Prigozhin Press Service on Friday, March 3, 2023, Yevgeny Prigozhin, the owner of the Wagner Group military company, addresses Ukrainian President Volodymyr ...
Prigoschin an der Front in der Ukraine.Bild: keystone

Jewgeni Prigoschin, der sich während des Ukraine-Kriegs als Chef der brutalen Söldner-Truppe einen Namen gemacht hat, ist gemäss russischen Angaben am 24. August 2023 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Als Absturzursache wird ein Abschuss vermutet.

Sein Tod kommt für viele nicht überraschend, seit er vor zwei Monaten eine Meuterei gegen die russische Regierung gestartet hat. Laut dem ETH-Militärexperten Marcel Berni hat Prigoschin sein Schicksal damit besiegelt. Zwar gebe es noch zu wenig Informationen zum Absturz, so Berni, aber er glaube nicht an Zufälle.

Wladimir Makarow

Todesursache: Schusswunden

Wladimir Makarow
Soll sich erschossen haben: Wladimir Makarow.Bild: youtube

Der russische Generalmajor Wladimir Makarow wird am Morgen des 13. Februars 2023 von seiner Frau tot in ihrem Landhaus in Golikowo, nordwestlich von Moskau, gefunden. Dies kurz nachdem er im Januar als Leiter der Hauptdirektion zur Bekämpfung von Extremismus im Innenministerium entlassen worden war. Er soll sich mit einer Schusswaffe das Leben genommen haben.

Laut Informationen der Webseite rucriminal.info hat Makarow nach seiner Entlassung an Depressionen gelitten und wusste laut Angehörigen nicht mehr, was er mit sich anfangen sollte.

KBG-Mitarbeiter

Alexander Litwinenko

Todesursache: Vergiftung

LONDON - NOVEMBER 20: In this image made available on November 25, 2006, Alexander Litvinenko is pictured at the Intensive Care Unit of University College Hospital on November 20, 2006 in London, Engl ...
Litwinenko kurz vor seinem Tod im Spital.Bild: Getty Images Europe

Im November 2006 wird der ehemalige KGB-Mann und Putin-Kritiker Alexander Litwinenko in einem Londoner Hotel mit dem radioaktiven Metall Polonium vergiftet. Seine Agonie vollzieht sich vor den Kameras der Weltpresse; der sterbende Litwinenko, der durch die Strahlenkrankheit alle Haare verloren hat, macht Putin für seinen Tod verantwortlich. Der 44-jährige Geheimdienstmann, der 2003 zum britischen Auslandsgeheimdienst MI6 überlief und seit 2006 auch die britische Staatsbürgerschaft besass, soll vor seinem Tod im Fall der ermordeten Anna Politkowskaja ermittelt haben. 1998 hatte er vor den Medien über Korruption und Inkompetenz der Armee in Tschetschenien berichtet. Die britische Staatsanwaltschaft erliess Haftbefehle gegen zwei russische Geheimdienstmitarbeiter, die aber von Russland nicht ausgeliefert wurden.

Menschen aus der Wirtschaft

Anton Tscherepennikow

Todesursache: Herzstillstand

Der russische IT-Multimillionär und Putins Mann für Abhörtechnologie, Anton Tscherepennikow, wird am 21. Juli 2023 leblos in seinem Büro in Moskau aufgefunden. Todesursache soll laut russischen Medienberichten ein Herzstillstand sein. Allerdings gibt es offene Fragen zum Tod des Mannes: Ein Freund, so berichtet die britische «Sun», habe Zweifel an den Darstellungen angemeldet. So sei die Todesursache bereits vermeldet worden, bevor eine Obduktion durchgeführt worden sei.

Tscherepennikow war Gründer der ICS Holding, zu der mehrere IT-Firmen gehörten. Diese sollen nach Medienberichten grosse Teile des russischen Datenverkehrs im Internet überwacht haben. Seine Firma Citadel soll mehrere Abhörspezialisten beschäftigt haben. Die Firma des IT-Oligarchen war offenbar auch massgeblich für die Überwachung des «Yarovaya»-Gesetzes zuständig.

Daniil Rapoport

Todesursache: Sturz aus dem Fenster

Der Investment-Banker Daniil Rapoport wird am 14. August 2022 tot vor einem Wohnhaus in Washington, D.C. gefunden. Er soll aus einem Fenster des Hochhauses gestürzt sein, die Umstände gelten allerdings als ungeklärt. Laut Polizei hatte er einen Führerschein aus Florida, einen schwarzen Hut, Flip-Flops und etwa 2500 Dollar bei sich, als er gefunden wurde. Zuvor verurteilte er den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mehrfach öffentlich in den sozialen Medien.

Der in Lettland geborene Rapoport hielt im russischen Finanzmarkt hohe Positionen inne, bevor er dem Land 2012 den Rücken kehrte. Nach vier Jahren in den USA siedelte er in die ukrainische Hauptstadt um, wo er bis zu seinem Tod gelebt hatte.

Oligarchen

Rawil Maganow

Todesursache: Sturz aus dem Fenster

Am 1. September 2022 berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax, dass Rawil Maganow, Vorsitzender und Vizepräsident des zweitgrössten russischen Ölproduzenten Lukoil, nach einem Sturz aus einem Fenster eines Moskauer Spitals starb. Lukoil bestätigte den Vorfall in einer Mitteilung.

Als wahrscheinlichste Ursache gilt laut russischen Medienberichten ein Suizid. Denn beim 67-Jährigen sei im Spital neben Herzproblemen eine Depression diagnostiziert worden.

Juri Woronow

Todesursache: Schusswunden

Juri Woronow wurde am 4. Juli 2022 mit einer Kugel im Kopf in seinem Pool in einem Vorort von St. Petersburg gefunden. Die Waffe und leere Patronenhülsen lagen am Pool-Rand. Er war bei seinem Tod 61-jährig. Woronow leitete ein Transportunternehmen, das Verträge mit Gazprom hatte.

Alexander Subbotin​

Todesursache: Krötensekret

Alexander Subbotin, ehemaliger Top-Manager von Lukoil, wurde am 9. Mai 2022 in Mytischtschi bei Moskau tot aufgefunden. Der 43-Jährige habe von einem Schamanen Krötensekret verabreicht bekommen, um einen Kater zu behandeln, wie russische Quellen behaupten. Dies habe zu seinem Tod geführt.

Sergey Protosenya und Familie

Todesursache: Erhängen (Familie: Stichwunden)

Der 55-jährige Sergey Protosenya war ehemaliger stellvertretender Leiter des russischen Gasriesen Novatek. Am 21. April 2022 wurde er erhängt in einer Ferien-Villa im spanischen Lloret de Mar aufgefunden.

Seine Frau und seine 18-jährige Tochter lagen mit Stichwunden ebenfalls tot in ihren Betten. Da neben der Leiche von Protosenya eine Axt und ein Messer gefunden worden seien, ermittle die Polizei auch in die Richtung, dass Protosenya seine Frau und sein Kind ermordete, bevor er sich selbst erhängte, wie spanische Medien berichteten.

Wladislaw Awaew und Familie

Todesursache: Schusswunden

Der ehemalige Vizepräsident der Gazprom-Bank, Wladislaw Awaew, wird am 18. April 2022 tot in seiner Moskauer Luxuswohnung gefunden. Neben der Leiche des 51-Jährigen werden auch die sterblichen Überreste seiner Frau und seiner 13-jährigen Tochter gefunden. Weil die 26-jährige Tochter Anastasia die Familie nicht erreicht hatte, schlug sie Alarm.

Die Wohnung sei von innen verschlossen gewesen und in Awaews Händen sei eine Pistole gefunden worden, wie russische Medien berichten. Darum würden die Ermittler von einem erweiterten Suizid ausgehen.

Michail Watford

Todesursache: Erhängen

Michail Watford wird am 28. Februar 2022 tot in der Garage seines Hauses in Grossbritannien aufgefunden. Watford wurde in der Ukraine als Michail Tolstosheya geboren. Er hat sich einen Namen als Öl- und Gasmagnat gemacht. Die Polizei von Surrey sagte laut Medienberichten, die Umstände seines Todes seien nicht verdächtig.

Alexander Tyulyakow

Todesursache: Erhängt

Alexander Tyulyakow wird am 25. Februar 2022, einen Tag nach Kriegsbeginn, erhängt in der Garage einer Hütte bei St. Petersburg gefunden. Der 61-Jährige war stellvertretender Generaldirektor von Gazprom. Neben seiner Leiche wird eine Notiz gefunden, die auf Suizid hindeutet, wie die russische Polizei bekannt gab.

Am Vorabend seines Todes behauptete eine russische Nachrichtenagentur, dass Zeugen gesehen hätten, wie Tyulyakow verprügelt worden sei.

Leonid Shulman

Todesursache: Aufgeschlitzte Handgelenke

Der 60-jährige Leiter des Transportdienstes Gazprom Invest, einer Tochtergesellschaft des russischen Energieriesen Gazprom, wird am 30. Januar 2022 tot im Badezimmer eines Landhauses nahe St. Petersburg gefunden. Laut Polizei handelt es sich um Selbstmord – neben Shulman lag ein Abschiedsbrief, in dem er über Schmerzen wegen seines gebrochenen Beins klagte. Laut der russischen Mediengruppe RBC war Shulman krankgeschrieben, als er starb.

Boris Beresowski

Todesursache: Strangulation

LONDON - JULY 18: Boris Berezovsky gives a statement to the press at the RUSI on July 18 2007 in London, England. Berezovsky says British police advised him three weeks ago to leave the country as the ...
Soll sich nach russischen Angaben erhängt haben: Boris Beresowski.Bild: Getty Images Europe

Der Oligarch lebt seit 2000 im Exil. Sein Haus in England ist mit schusssicherem Glas ausgestattet, weil er sich vor dem langen Arm Putins fürchtet, seines ehemaligen Protegés und späteren Intimfeinds. Doch am 23. März 2013 wird Boris Beresowski, einst einer der reichsten Männer Russlands, tot aufgefunden. Todesursache ist Strangulation – aber hat sich Beresowski selbst das Leben genommen oder ist er umgebracht worden? Die offizielle Untersuchung der britischen Behörden kommt zum Schluss, dies sei nicht zweifelsfrei festzustellen. Der deutsche Rechtsmediziner zweifelte die Version Tod durch Erhängen vor dem Untersuchungsgericht in Berkshire allerdings an. Anhand von Fotos und Obduktionsberichten kam er zum Schluss, dass Beresowski erdrosselt worden sei.

Der einstige Multimillionär hat die russische Opposition gegen Putin finanziell unterstützt. Er ist von russischen Medien aber auch mehrfach verdächtigt worden, in den Tod von seinen Freunden und Putin-Gegnern wie Alexander Litwinenko oder Anna Politkowskaja verwickelt gewesen zu sein. Damit habe er die russische Regierung auf der Weltbühne diskreditieren wollen, so der Vorwurf. Auch mit dem Tod von Paul Klebnikow ist Beresowski in Verbindung gebracht worden.

Medienschaffende

Anna Politkowskaja

Todesursache: Schusswunden

Anna Politkovskaja
Erschossen: Anna Politkowskaja.Bild: blaues sofa

Als wäre es ein Geburtstagsgeschenk: Am 7. Oktober 2006, Putins Geburtstag, treffen fünf Kugeln die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Anna Politkowskaja im Aufzug ihres Wohnhauses in Moskau. Die 48-Jährige gilt als Putin-Gegnerin und wird wegen ihrer kritischen Berichterstattung in der Zeitung «Nowaja Gaseta» über den Krieg in Tschetschenien in nationalistischen russischen Kreisen gehasst; ihre Ermordung macht international Schlagzeilen. Fünf aus Tschetschenien stammende Männer werden 2014 zu langjährigen Strafen verurteilt. Die Auftraggeber des Verbrechens sind jedoch bis heute im Dunkeln geblieben. Manche Beobachter vermuten, dass der Premierminister der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, im Hintergrund die Strippen gezogen hat.

Paul Klebnikov

Todesursache: Schusswunden

A previously unissued photo made available Saturday July 10, 2004 of the editor of Forbes Magazine's Russian edition Paul Klebnikov speaking at a news conference to mark the edition of the Forbes ...
Erschossen: Paul Klebnikow.Bild: AP

Mehrere Kugeln, die aus einem fahrenden Auto heraus abgefeuert werden, töten den in den USA geborenen und aufgewachsenen Chefredaktor des russischen «Forbes»-Magazins vor dem Redaktionsgebäude in Moskau. Paul Klebnikow hat seine Stelle erst wenige Monate zuvor angetreten. Der 41-Jährige erregte Aufsehen, als er erstmals eine Liste der reichsten Russen veröffentlichte. In seinem Buch «Godfather of the Kremlin: The Decline of Russia in the Age of Gangster Capitalism» («Der Pate des Kreml – Boris Beresowski und die Macht der Oligarchen») informierte Klebnikow über Aufstieg und Aktivitäten verschiedener russischer Oligarchen, darunter besonders Boris Beresowski. Wegen des Mordes wurden drei tschetschenische Verdächtige angeklagt, aber zunächst freigesprochen.

Juri Schtschekotschichin

Todesursache: Vergiftung

Juri Petrowitsch Schtschekotschichin + 3. 07. 2003
Vergiftet: Jurij Schtschechotschichin.Novayagazeta.ru

Der «Nowaja Gaseta»-Journalist und Duma-Abgeordnete Juri Schtschekotschichin fällt nach mehreren Tagen Unwohlseins einer mysteriösen Vergiftung zum Opfer. Die Diagnose lautet offiziell auf eine heftige allergische Reaktion, das sogenannte Lyell-Syndrom. Die russischen Behörden lehnen die Autopsie seiner Leiche ab, seine Krankenakte wird eingezogen und als geheim eingestuft. Angehörige Schtschekotschichins können aber eine Hautprobe in London untersuchen lassen. Diagnose: Thallium. Es handelt sich um ein hochgiftiges Metall, das schon der sowjetische Geheimdienst KGB einsetzte. Schtschekotschichin ist der zweite Journalist der «Nowaja Gaseta», der ermordet wird. Er war Mitglied in einem Duma-Ausschuss zur Überprüfung von Korruption der Ämter und Amtspersonen Russlands und galt als Experte für Korruption und organisiertes Verbrechen.

Iskander Chatloni

Todesursache: mit Axt erschlagen

Iskander Chatloni
Mit Axt erschlagen: Iskander Chatloni.Bild: jstor.org

Der Journalist beim tadschikischen Kanal von Radio Free Europe/Radio Liberty wird in seiner Wohnung in Moskau mit einer Axt getötet. Der 46-jährige Chatloni hatte zu Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien recherchiert. Die Ermittlungen in seinem Fall werden ergebnislos eingestellt.

Igor Domnikow

Todesursache: mit Hammer niedergeschlagen

Igor Domnikow
https://cpj.org/2013/05/russia-arrests-indicts-suspect-in-igor-domnikov-mu/
Mit Hammer erschlagen: Igor Domnikow.Bild: CPJ.org

Der Journalist, der seit Oktober 1998 für die regierungskritische Zeitung «Nowaja Gaseta» schrieb, wird am 12. Mai 2000 im Treppenhaus seiner Moskauer Wohnung mit einem Hammer niedergeschlagen und in einer Blutlache liegengelassen. Ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, stirbt Domnikow zwei Monate später im Krankenhaus. Sein Mörder wird 2003 verhaftet und 2007 verurteilt. Die Auftraggeber des Verbrechens werden in der «Nowaja Gaseta» genannt, kommen aber nie vor Gericht. Domnikow ist der erste Journalist der «Nowaja Gaseta», der seine Arbeit mit dem Leben bezahlt.

Menschen aus der Justiz

Sergej Magnizki

Todesursache: Krankheit in Untersuchungshaft

Sergej Magnizki, Magnitski
wiki: https://en.wikipedia.org/wiki/Sergei_Magnitsky#/media/File:Sergei_Magnitsky.jpg
Soll offiziellen russischen Angaben zufolge an einem Herzinfarkt gestorben sein: Sergej Magnizki.Bild: Wikimedia

480 Beschwerdebriefe schreibt Sergej Magnizki während seiner fast einjährigen Untersuchungshaft – keiner wird beantwortet. Der 37-jährige Anwalt und Wirtschaftsprüfer, bei seiner Verhaftung noch völlig gesund, stirbt schwer krank am 16. November 2009 in seiner Zelle. Jede ärztliche Hilfe wird ihm verweigert. Man nimmt an, dass Wärter ihn zu Tode geprügelt haben. Niemand wird für seinen Tod zur Verantwortung gezogen – als offizielle Todesursache geben die Behörden zuerst Pankreatitis an, später Herzinfarkt. Eine Obduktion wird nicht erlaubt.

Magnizki war im Rahmen seiner Tätigkeit für das Unternehmen Hermitage Capital Management illegalen Steuerrückerstattungen auf die Spur gekommen, mit denen sich korrupte Beamte im russischen Innenministerium bereicherten. Er wurde darauf selbst wegen Mittäterschaft zur Steuerhinterziehung verhaftet. 2013 spricht ihn ein Gericht postum des Steuerbetrugs schuldig. Der Fall Magnizki belastet die Beziehungen zwischen den USA und Russland erheblich, da die USA mit dem Magnitsky Act russischen Beamten, die für Magnizkis Tod verantwortlich sind, die Einreise in die USA verweigern und ihre Vermögen eingefroren haben.

Natalia Estemirowa

Todesursache: Schusswunden

Archivbild von Natalja Estemirova von 2004 in Grozny
Erschossen: Natalia Estemirowa.Bild: afp

Ihre Leiche wird am Nachmittag des 15. Juli 2009 in einem Waldstück in der russischen Teilrepublik Inguschetien gefunden: Die Geschichtslehrerin, Menschenrechtlerin und Journalistin Natalia Estemirowa, die am Vormittag vor ihrem Wohnhaus in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entführt worden war, ist mit mehreren Schüssen getötet worden. Die 51-jährige Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Memorial hat mit Berichten über verschwundene Zivilisten in Tschetschenien den Zorn der Machthaber auf sich gezogen. Sie hinterlässt eine 15-jährige Tochter.

Die Ermittlungen haben auch zehn Jahre nach der Bluttat kaum greifbare Ergebnisse gebracht. Mit ihrer Ermordung soll Ramsan Kadyrow zu tun haben, der ihr öffentlich mit dem Tod drohte. Estemirowa hatte wiederholt die Todeskommandos des kremltreuen Präsidenten Tschetscheniens für Entführungen verantwortlich gemacht.

Stanislaw Markelow

Todesursache: Schusswunden

Lawyer Stanislav Markelov is seen speaking to the media in Moscow in this Feb. 3, 2005 photo. Markelov was shot and killed Monday, Jan. 19, 2009, after a press conference in central Moscow, officials  ...
Erschossen: Stanislaw Markelow.Bild: AP Kommersant

Der Anwalt und Bürgerrechtler Stanislaw Markelow stirbt zusammen mit der jungen «Nowaja Gaseta»-Reporterin Anastasia Baburowa im Zentrum Moskaus – niedergeschossen auf offener Strasse. Der 34-jährige Markelow hat sich Feinde im russischen Militär gemacht, seit er die Familie einer ermordeten Tschetschenin vertritt. Als deren Mörder, der russische Offizier Jurij Budanow, frühzeitig aus der Haft entlassen werden soll, hält Markelow eine Pressekonferenz mit Baburowa ab, in der er ankündigt, dass er gegen Budanows Entlassung klagen werde. Kurz danach fallen die tödlichen Schüsse. Die Mörder können diesmal überführt werden, sie sind Mitglieder einer rechtsradikalen Organisation.

Dieser Artikel wurde im August 2023 schon einmal publiziert. Dies ist eine aktualisierte und überarbeitete Version.

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Der Fall Nawalny
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Der Fall Nawalny
Der Kremlkritiker Alexej Nawalny wurde am 20. August in ein Krankenhaus in Sibirien eingeliefert. Nawalny hatte bei einer Reise in Sibirien in einem Flugzeug unter starken Schmerzen das Bewusstsein verloren.
quelle: sda / pavel golovkin
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Im letzten Video scherzte Alexej Nawalny aus der Strafkolonie
Video: youtube
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64 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
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Frankygoes
25.08.2023 06:35registriert März 2019
Na ja, das ist die kurze Liste. Die lange Liste sind die auf beiden Seiten zusammen gegen 100'000 toten Soldaten, die 10'000 toten Zivilisten, Flug MH-17...
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cheko
25.08.2023 08:06registriert Dezember 2015
Erstaunlich wie oft Schusswunden als Todesursache gelistet sind.. Offensichtlicher geht es gar nicht. Diese Diktatur / Putin macht sich nicht mal grosse Mühe, um Gegner zu beseitigen. Ein lupenreiner Terrorstaat!
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Haarspalter
25.08.2023 07:26registriert Oktober 2020
Alexander Litwinenko, ein ehemaliger Geheimdienst-Kollege Putins aus jüngeren Jahren, wurde übrigens ermordet nachdem er Putin pädophile Handlungen vorgeworfen hatte. Er bekräftigte diese Aussagen noch auf dem Sterbebett.
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