Noch bis vor kurzem war sie gänzlich unbekannt, jetzt plötzlich steht sie im Rampenlicht: die Bewegung Nationale Republikanische Armee. Nach eigenen Angaben soll sie es gewesen sein, die den Anschlag auf die rechte russische Politologin Darja Dugina verübt hat. Die Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen und engen Verbündeten Putins, Alexander Dugin, ist gestern in einer Auto-Explosion getötet worden.
Über die Bewegung Nationale Republikanische Armee ist wenig bekannt. So wenig, dass in den sozialen Netzwerken angezweifelt wird, ob es sie überhaupt gibt. Und falls ja, ob eine solche Bewegung zu einem solchen Attentat imstande sein soll.
Ihr Name wurde im Anschluss des Attentats zum ersten Mal vom ehemaligen russischen Politiker Ilja Ponomarjew genannt. Der im Exil lebende Russe las in einem Video ein Manifest der Gruppe vor, die sich darin zum Anschlag bekennt und Präsident Putin zum Kriegsverbrecher erklärt.
Wer ist Ilja Ponomarjew, was sind seine Ziele und wie geht er gegen Putin vor?
Ponomarjew wurde 1975 in Moskau geboren und schnell als Wunderkind angesehen. Bereits im zarten Alter von 14 Jahren wurde er am Institut für sichere Entwicklung der Atomenergie angestellt. Dort war er für die Schulung seiner Mitarbeitenden in Computertechnik verantwortlich.
Nur zwei Jahre später gründete er 1991 sein erstes eigenes Unternehmen Russprofi Ltd. War er zunächst noch am Handel in der russischen Rohstoffbörse beteiligt, konzentrierte er sich danach auf Dienstleistungen im Bereich der Programmierung, Lieferung und Wartung von Computern. Er hatte Erfolg: Innerhalb von zwei Jahren verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz von zehn Millionen Dollar. Danach war er unter anderem für die Ölgesellschaften Yukos und Schlumberger tätig, wobei er bei Yukos mit 24 Jahren zum Vizepräsidenten gewählt wurde – damals das grösste russische Ölunternehmen.
Von 2002 und 2007 amtete er als Informationsverantwortlicher für die kommunistische Partei, mit der er sich aber zerstritt. Er warf ihr vor, bloss eine Marionette des Kremls zu sein. 2007 wurde Ponomarjew als Vertreter der Region Nowosibirsk in die Staatsduma gewählt. In den Jahren 2011 bis 2013 war er massgeblich an Massenprotesten beteiligt, die sich gegen eine weitere Amtszeit Wladimir Putins auflehnten.
Zu der Zeit schrieb die «New York Times» über den damals 36-jährigen, «verärgerten Aufrührer»:
2014 machte er weltweit Schlagzeilen, als er als einziger Abgeordneter der Duma den Mut hatte, gegen die Annexion der Krim zu stimmen. Das Resultat damals: 445 Ja: 1 Nein.
Nach seiner Begründung gefragt, erklärte er im März 2014 gegenüber der «Zeit»:
Er sei der Einzige gewesen, der gegen die Annexion gestimmt habe, weil die Leute Angst hätten, zum Feind Putins zu werden. Dies zeige, dass das politische System im Land nicht gesund sei.
Mit diesem Entscheid wurde er in Russland zum Verräter erklärt. Wenig später wurden Ermittlungen gegen ihn gestartet: Er soll 22 Millionen Rubel veruntreut haben, die für das Technologiezentrum Skolkow bestimmt gewesen seien. Ponomarjew, der sich zu diesem Zeitpunkt in den USA aufhielt, wurde es verboten, nach Russland zurückzukehren. Aufgrund seiner parlamentarischen Immunität konnte er zunächst aber nicht strafrechtlich verfolgt werden. Dies änderte sich im April 2015, als in seiner Abwesenheit alle Duma-Abgeordneten (ausser einem einzigen Kreml-Kritiker) für die Aufhebung seiner Immunität stimmten. Das Gericht stellte daraufhin einen internationalen Haftbefehl aus.
Seit seinem Aufenthalt in den USA war er nie mehr nach Russland zurückgekehrt. 2016 zog er in die ukrainische Hauptstadt Kiew, wo er auch heute noch lebt.
Im April 2017 wurde der ehemalige russische Duma-Abgeordnete und ebenfalls im Exil lebende Denis Woronekow bei einem Anschlag getötet. Er war unterwegs zu einem Treffen mit Ponomarjew, als er erschossen wurde. Als Reaktion darauf erhielt Ponomarjew Personenschutz vom Inlandsgeheimdienst der Ukraine.
Ilja Ponomarjov dnes nad rakví zavražděného Voroněnkova. pic.twitter.com/VYVSv8GB8p
— Roman M (@Fbeyeee) March 25, 2017
Mit dem Einfall Russlands in die Ukraine schloss sich Ponomarjew der Verteidigung der Ukraine an. Dabei betonte er allerdings, dass er «nicht gegen Russland, sondern gegen Putin und den Putinismus und den russischen Faschismus» kämpfe.
Dann gründete er einen russischen Fernsehnachrichtensender namens February Morning sowie den Nachrichtendienst Rospartisan auf Telegram. Sein Zielpublikum sei die russische Bevölkerung, erklärte er im Juni gegenüber «The Guardian». Denn der effizienteste Weg, die Invasion in der Ukraine zu beenden, sei der Sturz des Regimes in Moskau, so Ponomarjew. Sein Job sei es schlussendlich, einen Aufstand der Massen herbeizuführen.
Ilja Ponomarjew hat Grosses vor – so scheint es gar nicht so unwahrscheinlich, dass seine Hand beim Anschlag auf Darja Dugina auf irgendeine Weise hätte im Spiel sein können. Auf die Frage des «Guardian», ob er angesichts seiner Aktivitäten in den Augen des Kremls jetzt als fremder Agent betrachtet werde, antwortete er im Juni:
Er scheint schon sein ganzes Legen im Kampf gegen Putins System.
Jetzt greift er zum Äussersten. Nicht, dass ich gut finde, Terrorismus mit Terrorismus zu bekämpfen, aber es scheint im Moment die einzige Möglichkeit für ihn, gegen Putins Regime zu kämpfen.
Ich hoffe, er kann sich später einmal wieder als gemässigter Politiker in Russland wieder einen Namen machen.
Es müssen wohl wirklich gescheite Leute sein, jedenfalls so smart, dass man nicht aus dem Fenster "fällt" und in die Tiefe stürzt.
Hoffentlich kommt da was in Schwung, dass im Kreml alles auf den Kopf stellt. Kenne jetzt seine politischen Absichten nicht, doch seine Einstellung zur Ukraine: Genau so wie's ist! Ein abstrus unnötiger Krieg, welche die Brüdervölker Jahrzente lang verfeindet.