Die Präsidentschaftsbewerbung des erklärten Kriegsgegners Boris Nadeschdin in Russland ist auf unerwartet grosses Interesse gestossen. «Wir sammeln derzeit etwa 15'000 Unterschriften pro Tag», sagte Nadeschdin in einem am Dienstag auf dem Youtube-Kanal Chodorkowski Live ausgestrahlten Interview.
Auf Fotos und Videos in sozialen Netzwerken waren in verschiedenen Städten lange Schlangen von Bürgern zu sehen, die dem Oppositionspolitiker mit ihrer Unterschrift zur Kandidatur verhelfen wollen. Ob die russische Wahlkommission ihn aber tatsächlich offiziell als Kandidat registriert, ist ungewiss. Die Wahl findet am 17. März statt.
Laut Nadeschdins Wahlkampf-Webseite hatten seine Unterstützer Dienstagfrüh schon mehr als 100'000 Unterschriften zusammen. Nadeschdin braucht gemäss russischem Recht 105'000 Unterschriften, die bis zum 25. Januar in verschiedenen Regionen gesammelt werden müssen, um seine Kampagne für die Wahl fortsetzen zu können. Aus einer Region werden nicht mehr als 2'500 Unterstützerunterschriften gezählt.
In den Metropolen Moskau und St. Petersburg hat Nadeschdin Berichten zufolge schon deutlich mehr Unterstützer gefunden. Aber auch aus anderen Regionen werden inzwischen immer mehr Videos von langen Schlangen publiziert. So filmten sich Menschen in Jekaterinburg, Krasnodar oder in Petrosawodsk beim Anstehen, um die Kandidatur des Liberalen zu unterstützen. Viele ins Ausland geflüchtete Russen haben ebenfalls Nadeschdins Wahlliste unterzeichnet.
Allerdings gibt es auch Berichte von Störungen bei der Sammlung von Unterschriften. So hat die Polizei in Petersburg, Nowosibirsk und in Obninsk Wahlhelfer des Politikers kurzzeitig festgenommen.
In seinem Wahlkampfmanifest heisst es, Nadeschdin kandidiere als «prinzipieller Gegner der Politik des derzeitigen Präsidenten». Weiter steht dort, er sei gegen «ungerechtfertigte militärische Gewaltanwendung gegen andere Länder» und für «Zusammenarbeit mit westlichen Ländern».
Ein Unterstützer, der in der Schlange stand, sagte gemäss der «Moscow Times», er habe sich vor allem deshalb entschlossen, seine Unterschrift abzugeben, «weil der Kandidat versprochen hat, den Krieg zu beenden, falls er gewählt wird».
Wahlen in Russland sind begleitet von Betrugs- und Manipulationsvorwürfen. Immer wieder hat die Wahlkommission in der Vergangenheit Oppositionspolitikern die Kandidatur verweigert, weil die von ihnen gesammelten Bürgerunterschriften angeblich fehlerhaft seien. So wurde etwa im Dezember die Kritikerin Jekaterina Dunzowa noch vor ihrer offiziellen Registrierung wieder aus dem Rennen geworfen. Für Beobachter ist klar, dass Kremlchef Wladimir Putin sich im Frühjahr seine fünfte Amtszeit sichern wird.
(lak/t-online)
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Armes Russland!