US-Präsident Donald Trump will bekanntlich sein Wahlversprechen einhalten und an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen. Ob es so weit kommt, ist höchst fraglich, denn das Unterfangen ist sehr teuer und bringt wenig. Einige finden zudem, es wäre besser Brücken statt Mauern zu bauen.
Ich rufe euch auf, keine Mauern, sondern Brücken zu bauen, Böses nicht mit Bösem zu vergelten, in Frieden mit allen zu leben.
— Papst Franziskus (@Pontifex_de) March 18, 2017
Einer, der sich das offenbar zu Herzen genommen hat, ist der russische Präsident Wladimir Putin. Er lässt gerade eine Brücke vom russischen Festland zur Krim bauen, die er vor drei Jahren völkerrechtswidrig annektiert hat. Weil die Ukraine im Anschluss alle Grenzübergänge geschlossen hat, ist die Halbinsel derzeit auf dem Landweg nicht erreichbar. Der Personen- und Warenverkehr wird hauptsächlich über Fähren vom russischen Festland aus abgewickelt.
Und das russische Festland ist nah: Von Kertsch im östlichsten Zipfel der Krim sind es knapp drei Kilometer zur Insel Tusla (die ebenfalls zur völkerrechtswidrig annektierten Krim gehört). Von dort wiederum führte zuletzt ein halbfertiger Damm zur Halbinsel Taman auf dem russischen Festland. Aus russischer Sicht mindert die Brücke über die Strasse von Kertsch zumindest die geografische Isolation der Krim und untermauert Moskaus Anspruch auf das Territorium.
Auf der insgesamt 19 Kilometer langen Brücke sind eine doppelspurige Autobahn sowie Bahngleise geplant, die Ende 2018 fertiggestellt sein sollen. Den Zuschlag für das über drei Milliarden Dollar teure Megaprojekt erhielt die SGM Group des Putin-Vertrauten Arkadi Rotenberg, die auch einen Grossteil der Olympia-Infrastruktur in Sotschi gebaut hat.
So weit so gut. Doch ebenso wie Trumps Mauer wird Putins Brücke von zahlreichen Unwägbarkeiten geplagt. Die Strasse von Kertsch wird zum Nadelöhr: Einzig ein 35 Meter hoher Bogen wird die Durchfahrt ins Asowsche Meer gewährleisten – für grosse Schiffe zu wenig. Ukrainische Hafenstädte wie Mariupol werden dadurch faktisch abgeschnitten. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt sind unklar.
Genau aus solchen Gründen müssen Bauwerke wie die Krim-Brücke von allen betroffenen Ländern abgesegnet werden. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, scheint Russland aber nicht weiter zu scheren. Wer sollte sie auch daran hindern, ihre Brücke zu bauen.
Gegen geologische und klimatische Schwierigkeiten hingegen kann auch Putin nicht viel ausrichten. Die Zone ist seismisch aktiv, im Winter toben orkanartige Stürme. Alle paar Jahre treiben riesige Eisschollen im Wasser. Um deren Druck standhalten zu können, müssen die Pfeiler dick und tief in den Meeresgrund gerammt werden. Dort wartet bereits das nächste Problem: Eine Schlammschicht, von der niemand so richtig weiss, wie dick sie ist. Ein Alptraum für die Baustatiker – und Versicherer. Gemäss russischen Medienberichten will sich niemand an dem Projekt die Finger verbrennen.
Neben den Naturgewalten lastet auch die Geschichte auf dem Megaprojekt. Die Idee mit der Brücke über die Strasse von Kertsch ist alt, doch einen ernsthaften Versuch unternahmen erstmals deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg bei ihrem Vorstoss in den Kaukasus. Die von Hitlers Hausarchitekt Albert Speer entworfene Brücke wurde aber kurz vor der Fertigstellung beim Rückzug der Wehrmacht gesprengt.
Die Sowjetunion liess sie nach Kriegsende in Rekordzeit wieder aufbauen, doch lange währte sie nicht. Eisschollen liessen die Pfeiler wie Streichhözer einknicken. Am 11. Februar 1945 rollte der letzte Zug über die Brücke – sinnigerweise mit Stalin, der zuvor in Jalta mit den Westalliierten Europa konferiert hatte.
Der Zar hatte es versucht, dann Hitler und zuletzt Stalin. Alle scheiterten. Nun ist Putin an der Reihe und will Geschichte schreiben. Die Krim-Brücke könnte sich als, wie die Amerikaner sagen, als «a bridge too far» erweisen.