Wie viel Mut bringen die Schweizer Bischöfe auf?
Denn bis im Frühling 2022 sollen die Gläubigen, im Rahmen einer weltweiten Synode, die Zukunft der Kirche diskutieren – in Kleingruppen in den Bistümern. So will es Papst Franziskus. 2023 dann sollen die Bischöfe in Rom die Rückmeldungen der katholischen Kirchenbasis diskutieren.
Die grosse Frage war bisher: Welche Fragen stellt der Papst den Gläubigen überhaupt? Und vor allem: Wie passen die einzelnen Bistümer diese Fragen für ihre Gläubigen an? Wie viel Kritik lassen die Schweizer Kirchenoberen zu? Und wie weit wagen sie sich auch gegenüber Rom auf die Äste hinaus?
Am Sonntag ist der Prozess nun gestartet. Der Fragebogen des Papstes ist ebenso bekannt wie derjenige, den die Bistümer St. Gallen, Basel und Chur gemeinsam erarbeitet haben. «Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Ich wünsche mir, dass wir einen Schritt weitergehen – vielleicht auch zwei», sagte Felix Gmür, der Bischof von Basel, am Sonntag zum Start des sogenannten synodalen Weges.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die brisanten und wirklich heiklen Punkte finden sich im Dokument nicht: Fragen zu Zölibat, Frauen als Priesterinnen oder zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare werden nicht gestellt.
Die Fragen orientieren sich an den Themenfeldern, die aus Rom vorgegeben worden sind. «Es sind Adaptionen der päpstlichen Fragen», sagt Barbara Kückelmann, Pastoralverantwortliche des Bistums Basel. Und Sabine Rüthemann, Medienverantwortliche des Bistums St. Gallen, sagt: «Nicht alle Fragen, die in der Schweiz brennen, sind darin erwähnt.»
In progressiven Kirchenkreisen löst dies eher Ernüchterung aus. Es heisst: Schon seit der Synode 1972 sei eigentlich bekannt, wo es Handlungsbedarf gibt. Allerdings ist der Fragebogen der drei Bistümer so breit ausgelegt, dass durchaus seine Kritik äussern kann, wer nicht einverstanden ist. So stellen die drei Diözesen etwa die Frage, wie sich Frauen, Jugendliche oder queere Personen in der Kirche fühlen. Ebenso wird gefragt: «Was hindert Sie zu sagen, was Ihnen am Herzen liegt?»
Dass die drei Bistümer zumindest indirekt heikle Punkte ansprechen, wird im Vergleich deutlich mit dem Dokument, welches die Diözese Freiburg-Lausanne-Genf aufgeschaltet hat. Von queeren Lebensweisen steht im Dokument von Bischof Jean-Marie Lovey nichts. Noch nicht bekannt sind die Fragen aus dem Bistum Sitten. Bischof Jean-Marie Lovey will diese bis Mitte November an die Pfarreien schicken.
Auffallend ist, dass Basel, St. Gallen und Chur klar formulierte Frage haben, die von der üblichen Kirchensprache abweichen. Dies dürfte nicht zuletzt am Meinungsforschungsinstitut GFS liegen. Dieses trägt nämlich im Auftrag der Bistümer die Antworten aus den Kleingruppen zusammen und wertet sie aus. Damit soll die Umfrage an der Basis möglichst neutral geschehen.
Ganz anders sieht das Vorgehen übrigens in der Diözese Vaduz aus. Dort misst Erzbischof Wolfgang Haas dem synodalen Prozess offensichtlich eine deutlich geringere Bedeutung bei als seine Deutschschweizer Kollegen. Ja, man darf getrost annehmen, dass der erzkonservative Kirchenhirte, der einst in Chur für Unruhe gesorgt hatte, Diskussion um Reformen gar nicht erst auflodern lassen will.
Haas sieht nicht nur die Gefahr, dass das Verfahren «ideologisch verzweckt» werden könnte. Der Prozess sei auch zu komplex und kompliziert für das kleinräumige Bistum. Wer ein Anliegen habe, der könne ihm ja schreiben, hält der Erzbischof auf der bischöflichen Website fest und erwähnt weiter: Gebete seien auch immer hilfreich.
Die Frage bleibt am Ende allerdings: Welche Antworten wird die Kirche auf Kritik geben? «Man darf nicht zuhören und dann keine Entscheide fällen», hatte Simone Curau-Aepli, die Präsidentin des Katholischen Frauenbundes und Mitglied der reformorientierten Allianz Gleichwürdig Katholisch, schon im Sommer gewarnt. «Wenn keine Entscheide gefällt werden, dann wird die Enttäuschung unter den Katholikinnen und Katholiken sehr gross sein.»