Was war das für eine Überraschung, als am 13. März 2013 der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergolio zum Papst gekürt wurde. Keiner aus dem Kurien-Klüngel, frohlockten viele Katholiken, vor allem die Liberalen. Keiner, der den Prunk und die Verehrung sucht und die Nähe zu den Mächtigen.
Bergolio galt als Hirte der Armen. Als bescheidener Diener Gottes, dessen Namenswahl Programm war: Er wollte sein wie der heilige Franziskus, der Patron der Schutzbedürftigen. Er würde die verkrustete Männerwelt im Vatikan aufbrechen und die katholische Kirche von den überkommenen Dogmen befreien, hofften viele Gläubige.
Inzwischen sind acht Jahre vergangen, und die Ernüchterung ist gross. Denn bewegt hat sich in der Kurie und in den Kirchgemeinden wenig. Ja, der Ruf der Kirche ist so schlecht wie vermutlich nie zuvor.
Doch nun soll endlich der Befreiungsschlag kommen. Lieber spät als nie, wird sich mancher Katholik denken. Konkret: Papst Franziskus hat kürzlich die Weltsynode eröffnet, mit der alles anders, alles besser werden soll. Für einmal soll das Diktat nicht vom Club der alten Männer in Purpur kommen, vielmehr will sich der Pontifex auf die Impulse zur Erneuerung der Kirche von unten stützen.
Deshalb fordert Franziskus die Gläubigen auf, Vorschläge und Ideen zu formulieren. Diese werden das geistige Fundament für den geplanten Aufbruch bilden. Bis zum April 2022 sollen die Gläubigen angehört werden. Danach will Franziskus bei einer Konferenz der Weltbischöfe darüber brüten und substantielle Neuerungen und Reformen in einem Apostolischen Schreiben verankern.
Papst Franziskus hat bei seiner Eröffnungsrede hohe Erwartungen geschürt. «Dieser Satz ist Gift im Leben der Kirche: ‹Wir haben es immer so gemacht und deshalb ändert man besser nichts›. Wer sich in diesem Horizont bewegt, gerät, auch ohne es zu bemerken, in den Irrtum, die Zeit nicht ernst zu nehmen, in der wir leben. Das Risiko besteht, dass am Ende alte Lösungen für neue Probleme angewendet werden.»
Der Pontifex sprach denn auch konkrete Probleme und Missstände an. Wörtlich: «Wir können das nicht ignorieren: das Unbehagen und das Leid vieler pastoraler Mitarbeiter, der Räte in den Diözesen und Pfarreien und der Frauen, die oft noch am Rande stehen.»
Ironie des Schicksals: Der Beginn der Weltsynode wurde von einem weiteren Skandal überschattet, der die katholische Kirche erschütterte. Einmal mehr kam ans Licht, dass im klerikalen Milieu der sexuelle Missbrauch System hat.
Diesmal kommen die unschönen Nachrichten aus Frankreich. Eine Untersuchungskommission hat nämlich hochgerechnet, dass seit 1950 insgesamt 216‘000 Kinder und Jugendliche Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden sind, wie der Präsident der Unabhängigen Missbrauchskommission Jean-Marc Sauvé erklärte. Berücksichtigt man die Übergriffe, die in kirchlichen Einrichtungen geschahen, klettert die Zahl der Opfer auf 330‘000.
Kommissionspräsident Sauvé betonte, dass das Problem immer noch bestehe. Bis in die 2000er-Jahre habe sich die katholische Kirche in Frankreich gegenüber den Opfern gleichgültig gezeigt. Dies habe sich erst ab 2015 geändert.
Die Kirche muss nun mit Millionenklagen rechnen. Da die französische Kirche keine Steuern einziehen kann, sondern von Spenden lebt, schlug der Vorsitzende der Bischofskonferenz vor, Kollekten durchzuführen. Das führte bei vielen Gläubigen und den Opfern zu einem weiteren Aufschrei.
Mit der Untersuchung wollte die Kirche das Vertrauen zurückgewinnen. Angesichts der hohen Missbrauchszahlen dürfte das Gegenteil eintreffen.
Wie gross das Misstrauen der Gläubigen gegenüber ihrer Kirche ohnehin schon ist, zeigte eine kürzliche Umfrage in Deutschland. 56,5 Prozent von den rund 1000 befragten Katholiken hielten sie für «weniger» oder «gar nicht vertrauenswürdig», wie die Analyse des Meinungsforschungsinstitutes Civey im Auftrag des Magazins «Der Spiegel» ergab.
Nun will also der Papst mit den Umfragen im Rahmen der Weltsynode das Vertrauen der Gläubigen zurückgewinnen. Was der Hoffnungsträger in acht Jahren nicht geschafft hat, soll nun mit der Befragung möglich sein.
Wer’s glaubt, wird selig, ist man geneigt zu sagen. Denn die Kurie kennt die Bedürfnisse vieler Gläubiger schon längst. Sie wünschen sich keine kosmetischen Retuschen, sondern grundlegende Veränderungen und Reformen.
Ein paar Stichworte: Kirche von unten, Verflachung der Hierarchien, Demokratisierung, Ordination von Frauen, Zölibat, Zulassung von Verhütungsmitteln, Toleranz gegenüber Geschiedenen und Homosexuellen, verantwortungsvolle Finanzpolitik, Abschied von Luxus und Prunk usw.
Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Reformen, die ans Eingemachte gehen, lässt die Kurie nicht zu. Sie wird alles daran setzen, ihre Machtstellung zu verteidigen. Und der in kirchlichen Belangen konservative bis dogmatische Papst Franziskus wird keine Brandrede halten, um Würdenträger daran zu erinnern, was die Gläubigen wirklich wollen.
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass die Weltsynode zur PR-Übung verkommt und das Vertrauen der Gläubigen kaum stärkt.