Er heisst Julien Donzé und lebt in Genf: Donzé aka «Le grand JD» (franz. «Der grosse JD») zählt auf YouTube über eine Million Abonnenten. Auf den Social-Media-Kanälen Snapchat, Instagram und Facebook folgen ihm hunderttausende Menschen. Üblicherweise können ihm seine Fans beim Spässchen-Treiben zuschauen. Oder beim Parodieren von Serien. Im März aber versuchte sich der 30-jährige Schweizer als Kriegsreporter. Er reiste in die damalige «IS»-Hochburg Mossul, im Irak. Zurück kam er mit einer 26-minütigen Video-Reportage, über einer Million Views und jeder Menge Medienpräsenz in der Westschweiz.
Seine Komfortzone der lustigen Vines und Snapchat-Videos hat auch der französische YouTuber Jérôme Jarre verlassen. Dem 26-Jährigen gelang vor rund zwei Monaten ein grosser Coup, als er ein ganzes Frachtflugzeug der Turkish Airlines charterte und voller gespendeter Nahrungsmittel nach Somalia schickte. Sein Hashtag #TurkishAirlinesHelpSomalia, der die beachtliche Spenden-Aktion möglich machte, ging um die Welt. Und wurde auch von Promis wie Ben Stiller und Omar Sy geteilt.
🚨MAINSTREAM MEDIA WON'T TALK ABOUT IT !!!
— JÉRÔME JARRE (@jeromejarre) 15. März 2017
REVOLTING !!!
LET'S MAKE NOISE !!!#TurkishAirlinesHelpSomalia 🚨 pic.twitter.com/iiyQrzyLC9
Ready for take off to help Somalia ❤ ✈ @jeromejarre @redhourben @chakabars @eljuanpazurita #LoveArmyForSomalia #TurkishAirlines4Somalia pic.twitter.com/srVkpDYi09
— Turkish Airlines (@TurkishAirlines) 17. März 2017
Das Ziel der beiden: Die Menschen, besonders die junge Generation, auf gewisse Situationen aufmerksam machen und sensibilisieren (ob auch die Views eine Rolle spielen, sei dahingestellt). Nicht alle freuen sich aber über das humanitäre Engagement der YouTube-Stars.
Bettina Büsser von der Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen sagt: «Hinter solchen Aktionen steckt sicher guter Wille. Die Frage ist, ob Initianten, die nicht berufsmässig in diesem Bereich tätig und sehr gut über die Situation informiert sind, wirklich Gutes tun können. Je nachdem koste die Ausführung einzelner Produkte zudem viel Geld, das von Hilfswerken, die schon in der Region tätig sind, wohl effektiver eingesetzt werden könnte.
Büsser sagt, sie rate «sicher niemandem» nach Mossul zu gehen. «Auch sehr informierte Journalisten meiden solche Kriegsgebiete, wenn sie nicht sehr gute Kontakte haben, die sie vor Risiken warnen können.» Wenn etwas schief laufe, belaste man womöglich auch bestehende Strukturen, die sich dann um diese Freiwilligen kümmern müssten. «Zudem besteht ja auch ein gewisses Risiko, in einem Krisengebiet als Geisel genommen zu werden.»
Beim Schweizerischen Roten Kreuz SRK heisst es, man begrüsse es, wenn Menschen die Initiative ergreifen und über ihr Netzwerk andere Menschen informieren und aufrütteln. Sprecher Beat Wagner: «Es ist aber zentral, vor einer Aktion abzuklären, welches die Bedürfnisse sind und wie diese am effizientesten gedeckt werden können.»
So versuche das Rote Kreuz beispielsweise immer, sich international zu koordinieren. So sollten Hilfsgüter idealerweise in der betroffenen Region beschafft werden, um den lokalen Markt nicht zu konkurrenzieren, sondern wenn möglich zu stützen, und um lange Transporte zu vermeiden.
Den Vorteil, den Menschen wie Donzé und Jarre mitbringen würden, sei, dass sie andere Menschen leicht und schnell erreichen könnten. Auf der anderen Seite stehe hingegen, dass persönliche, unter Umständen medial ausgelöste Betroffenheit die Hilfe möglicherweise auf Situationen lenkt, in denen – bestenfalls – schon genügend andere Hilfe geleistet wird, oder dass die Hilfe nicht dorthin geleitet wird, wo die Not noch viel grösser ist.
Ein Risiko könne auch sein, so Wagner, dass die Aktion nicht abgesprochen ist, oder mangels Kenntnis nicht genügend gut organisiert ist. «Zum Beispiel bei den Einfuhrbestimmungen für Medikamente oder Lebensmittel, oder dass nicht die richtigen Hilfsgüter beschafft und geliefert werden.»
Julien Donzé seinerseits erklärte in der Westschweizer Fernsehsendung «26 Minutes», er habe nicht den Anspruch, als Kriegsreporter oder Journalist angesehen zu werden. Er habe lediglich ein YouTube-Video produzieren wollen, um zu zeigen, was in Mossul vor sich geht. Die Reise habe er im Detail geplant und sich gewissenhaft darauf vorbereitet. Die Views, die das Irak-Video generiert hat, seien «sicher nicht» sein Beweggrund gewesen.