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Trumps USA erinnern an 1933: Damit wird Europa zur Bastion der Freiheit

Protesters carry signs during a "Hands Off!" protest against President Donald Trump on Saturday, April 5, 2025, in New York. (AP Photo/Andres Kudacki)
Trump Protests
Demo gegen Elon Musk, J.D. Vance und Donald Trump am 5. April in New York.Bild: keystone
Analyse

Die USA erinnern an 1933: Was das für uns bedeutet

Die US-Regierung von Donald Trump attackiert Justiz, Hochschulen und Medien. Das erinnert an finstere Zeiten. Umso wichtiger wird Europa als bald letzte Bastion der Freiheit.
18.04.2025, 10:0419.04.2025, 10:37
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Beat Jans liess sich die gute Laune nicht vermiesen. Bei strömendem Regen führte der Basler SP-Bundesrat eine Schar von Medienleuten am Dienstag vom Bundeshaus West zur Berner Dampfzentrale am Ufer der Aare. Im Kulturlokal fand ein «informeller Austausch» mit Jans und Kaderleuten des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) statt.

In seinem ersten Jahr hatte sich der gelernte Landwirt und Umweltwissenschaftler mit der für ihn fremden Materie und den Reizthemen Asyl und Migration schwergetan. Nun scheint Beat Jans im Amt «angekommen» zu sein. In seiner kurzen Ansprache beantwortete er die Frage, was für ihn das Wichtigste im Amt sei: «Ich will, dass die Leute dem Bundesrat vertrauen.»

Bundesrat Beat Jans spricht vor Staatssekretaer Vincenzo Mascioli, Eva Wildi-Cortes, Direktorin Fedpol, und Michael Schoell, Direktor des Bundesamtes fuer Justiz (BJ), von links, waehrend eines inform ...
Beat Jans spricht in der Berner Dampfzentrale über die chaotische Weltlage.Bild: keystone

In einer zunehmend chaotischen Welt kann dies nicht genug betont werden. Bundesrat Jans schilderte sie ohne Beschönigung: «Die Stabilität wird zerstört. Fakten stehen unter Druck. Empathie wird als Schwäche der westlichen Demokratien bezeichnet. Es gilt das Recht des Stärkeren.» Es war unschwer erkennbar, auf wen er dabei zielte: Donald Trumps USA.

Beispiellose Attacken

Die Heimat von Beat Jans’ Ehefrau bereitet auch den Fachleuten von Justiz und Polizei Sorge. Das zeigte sich im anschliessenden «Off the record»-Teil. Es gibt Fragezeichen, wie lange die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen mit FBI oder CIA noch funktioniert. Und es herrscht Unverständnis und Konsternation über Trumps Attacken auf die Rechtsstaatlichkeit.

Was sich in den drei Monaten seit der Vereidigung des Präsidenten abspielt, ist beispiellos in der langen und nicht immer, aber oft grossen Geschichte der Vereinigten Staaten. Und auch wenn man mit historischen Vergleichen vorsichtig sein muss, erinnert manches an das Jahr 1933, in dem Adolf Hitler und die Nazis Deutschland in kürzester Zeit «gleichschalteten».

Trump will die ganze Macht

Natürlich stand die Weimarer Republik von Anfang an auf tönernen Füssen, und sie wurde durch die Weltwirtschaftskrise weiter geschwächt. Während die USA manche Krisen überstanden haben. Doch auch ihr Fundament ist nicht so stark, wie es scheint. Das zeigt sich nun, wo Trump kraft seines erneuten Wahlsiegs die ganze Macht an sich reissen will.

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Eine Demonstrantin erinnert in San Francisco daran, wie rasch Adolf Hitler die Demokratie zerlegt hatte.Bild: keystone

Seine Regierung interpretiert die Befugnisse der Exekutive in einem beispiellosen Ausmass und wird dabei von einer willigen Legislative unterstützt. Mit ihren knappen Mehrheiten in den beiden Kongresskammern winken die Republikaner alles durch, auch jede noch so fragwürdige Personalie. Und die Demokraten als Opposition wirken rat- und kraftlos.

Supreme Court wird ignoriert

Trump und seine Leute haben es auch auf die Justiz abgesehen, die als dritte Gewalt für «Checks and Balances» sorgen soll. Vizepräsident J.D. Vance allerdings stellte sich schon kurz nach Trumps Amtsantritt auf den Standpunkt, dass die Gerichte sich nicht in die Arbeit einer vom Volk gewählten Regierung einmischen dürfen. Jetzt zeigt sich, was das bedeutet.

So weigert sich die Regierung, einen zu Unrecht nach El Salvador abgeschobenen Familienvater zurückzuholen, obwohl der Oberste Gerichtshof eine entsprechende Empfehlung abgab, mit 9 zu 0 Stimmen, also mit Unterstützung aller sechs rechten Richterinnen und Richter. Das Weisse Haus aber tut so, als habe der Supreme Court zu seinen Gunsten entschieden.

Einheimische Täter ausschaffen

Bei einem Empfang für El Salvadors Präsidenten Nayib Bukele, der seinen inhaftierten Landsmann wahrheitswidrig als «Terroristen» bezeichnete, ging Donald Trump noch weiter. Er fand, man müsse auch einheimische Straftäter aus dem Land schaffen. Ein solches Vorgehen würde allen Grundsätzen von demokratischem Rechtsstaat und Verfassung widersprechen.

Für CNN passen diese Ansichten zur «Atmosphäre des wachsenden Autoritarismus» im Weissen Haus. Vieles erinnert eben an 1933. Dazu gehört, dass Trumps Regierung missliebige Anwaltsfirmen und Medien knebeln will. Besonders angewidert ist Trump von der CBS-Sendung «60 Minutes», dem renommiertesten Nachrichtenmagazin der USA.

Nervöse Wissenschaft

Geradezu hasserfüllt wirkt die Kampagne gegen die (Elite-)Universitäten, wegen der Gaza-Proteste und zu viel Wokeness. Abgewickelt werden Programme zu Klima und Biodiversität – weil darin das D-Wort enthalten ist. Und generell wird mit dem Entzug von Subventionen gedroht, weshalb die New Yorker Columbia University «eingeknickt» ist.

Harvard, die wohl berühmteste Hochschule des Landes, leistet (noch) Widerstand, doch der Psychologe und Bestsellerautor Steven Pinker bezeichnet die Atmosphäre an den Universitäten in der «Süddeutschen Zeitung» als «nervös und besorgt». Damit bezog er sich auch auf die Festnahme von Studierenden durch die Einwanderungsbehörde ICE.

Jagd auf Migranten

Erst am Montag wurde der palästinensische Student Mohsen Mahdawi, der seit zehn Jahren mit einer Greencard und damit legal in den USA lebt, in Handschellen abgeführt, als er in einem Einwanderungszentrum in Vermont einen Einbürgerungstest machen wollte. Sein «Verbrechen» bestand offenbar darin, dass er an Protesten gegen den Gaza-Krieg teilnahm.

This image taken from a video provided by Christopher Helali shows Mohsen Mahdawi, a Palestinian man who led protests against the war in Gaza as a student at Columbia University, being detained at the ...
Der Student Mohsen Mahdawi wird am Montag in Handschellen abgeführt.Bild: keystone

Solche Vorgänge erinnern definitiv an finstere Zeiten. Gleiches gilt für Bestrebungen von Elon Musks DOGE-Behörde, in Datenbanken der US-Regierung nach illegalen Migranten zu suchen, um sie aufspüren und ausschaffen zu können. Rechtsexperten bezeichneten dieses Vorgehen gegenüber der «Washington Post» als Verstoss gegen Datenschutz-Richtlinien.

Trumps Überzeugungstäter

Es kann sein, dass Donald Trump sich in seinem «Mehrfrontenkrieg» verzettelt und letztlich gegen die Wand fährt. Mit seiner Zollpolitik, die laut einer Umfrage von den Amerikanern mehrheitlich abgelehnt wird, stösst er nicht nur die Wall Street und Unternehmen vor den Kopf. Wenn es ums Geld geht, hört auch für viele Republikaner irgendwann der Spass auf.

Dagegen spricht, dass sich der Präsident in seiner zweiten Amtszeit mit «Überzeugungstätern» umgeben hat. Dazu gehören neben J.D. Vance der «Chefideologe» Stephen Miller oder Peter Navarro, der «Einflüsterer» von Trumps Zollfantasien. Die «Vernünftigen» wie Aussenminister Marco Rubio und Finanzminister Scott Bessent wirken in diesem Machtspiel wie Statisten.

Gibt es noch Wahlen?

Der Harvard-Psychologe Steven Pinker meint, es werde «hoffentlich weiter Wahlen geben». Diese Formulierung spricht Bände, zumal der gebürtige Kanadier zu den unverbesserlichen Optimisten gehört. Es wäre blauäugig, auf die Midterm-Wahlen im November 2026 zu setzen. Selbst wenn sie stattfinden: Ein 6. Januar 2021 kann sich jederzeit wiederholen.

Mit Donald Trump bewegen sich die USA in eine Richtung, die in den Abgrund führen könnte. Damit erscheint auch das «alte» Europa in einem verheissungsvollen Licht, wie der «Economist» feststellt. Es sei «nun das eigentliche Land of the Free», heisst es in einer Anspielung auf die US-Nationalhymne. Also die letzte Bastion der Freiheit.

«Stabile Beziehungen zur EU»

Selbst die Defizite der «überregulierten» EU haben in diesem Narrativ eine positive Seite. Es gibt keine grossen Tech-Konzerne, aber auch keine korrupten und irren Tech-Oligarchen. Es gibt in Europa «Ausreisser» wie Viktor Orban, aber keine Politiker, die wie Trump oder Javier Milei den Leuten mit dubiosen Krypto-Investments das Fell über die Ohren ziehen.

Für Beat Jans ist klar, wie er am Dienstag betonte: «Wir brauchen jetzt erst recht stabile Beziehungen zur EU.» Die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs sei eine «strategische Notwendigkeit», denn «wir sind ein integraler Teil dieser Wertegemeinschaft». Es war ein selbst für den europhilen Basler sehr klares Bekenntnis zu den Bilateralen II.

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Proteste gegen Trump am 5. April
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Proteste gegen Trump am 5. April
In New York demonstrieren zahlreiche Personen gegen die Regierung von Donald Trump und gegen Elon Musk.
quelle: keystone / andres kudacki
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Hier wird Elon Musk beim Gamen getrollt
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359 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Peiniger
18.04.2025 10:17registriert Oktober 2020
Bei all der Europa-Euphorie sollte man nicht vergessen, dass auch hier viele Länder auf dem Weg nach rechts sind. CH inklusive…
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Majoras Maske
18.04.2025 10:30registriert Dezember 2016
Die Amerikaner sagten mal, sie seien der Leuchtturm in einer dunklen Welt. Der amerikanische Leuchtturm soll aber jetzt mit der Kettensäge zerstückelt werden.
Nun wird Europa zum Leuchtturm und das nicht alleine, Kanada, Australien, Japan und andere Länder bleiben mit uns im Licht.
Die Frage ist nur: Können wir das Licht für uns bewahren? Und ebenfalls wichtig: Wie können Länder wieder zurück ins Licht gebracht werden?
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Abies Alba
18.04.2025 10:46registriert September 2021
Es zeigt sich, dass wie in den 1930ern nun auch in den 2020ern kein Verlass auf die Wirtschaft ist: die dreht sich wie ein Fähnlein im Wind, um möglichst viel Geld zu verdienen und wenig Steuern zu bezahlen.
Es ist daher gefährlich, auch hier in der Schweiz alles der Wirschaft unterzuorden.
Die Wirtschaft sollte da sein, um Wohlstand für die Bevölkerung zu schaffen, denn diese ist Basis der Demokratie.
Leider ist heute auch bei uns aber die Bevölkerung da, um Reichtum für die Wirtschaftsführer zu schaffen, und denen geht es (wie wir wieder sehen) eigentlich nur ums Geld. Der Rest ist optional.
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