Russland dreht Polen und Bulgarien (vorerst) den Gashahn zu. Und die Frage der Versorgungssicherheit wird immer akuter: Was passiert, wenn Russland gar kein Öl und Gas mehr liefert?
Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob man Russland mit einem Gasembargo weiter sanktionieren sollte. Davor schreckt aber vor allem Deutschland aus Furcht vor wirtschaftlichen Schäden bislang zurück. Anders reagierte das Baltikum: Die Länder Estland, Lettland und Litauen zogen die Konsequenzen aus dem Krieg in der Ukraine und lösen sich von der Abhängigkeit des Kremls. Am 1. April stellten die Länder die Einfuhr von russischem Gas vollständig ein.
Der Entscheid kam nicht von heute auf morgen. Bereits vor Jahren habe man sich dazu entschieden, die Energie-Beziehungen mit Russland zu beenden. Man errichtete dazu unter anderem einen unterirdischen Gasspeicher.
Derzeit versorgen sich die Länder mit diesen Gasreserven, teilte der litauische Präsident Gitanas Nauseda kürzlich mit. Für Nachschub sollen jeweils Norwegen und die USA sorgen. «Wenn wir es können, kann es der Rest Europas auch», schrieb Nauseda auf Twitter – und rief damit die restlichen EU-Staaten dazu auf, dem Beispiel zu folgen.
In der Diskussion um andere mögliche Gaslieferanten rückt das spanische Modell immer weiter in den Vordergrund. Denn Spanien hat das, was anderen europäischen Staaten fehlt: Gaspipelines. An den Terminals der 750 Kilometer langen Medgaz-Tiefwasserpipeline können riesige Flüssiggasschiffe festgemacht werden – und damit auch andere Länder versorgen.
Und: Spanien ist nicht so sehr von Russland abhängig wie beispielsweise Deutschland. Nur rund 9 Prozent des Gasbedarfs in Spanien kam 2021 aus Russland. Der grösste Teil des spanischen Erdgasimportes stammte aus Algerien.
Aufgrund Spaniens geografischer Lage spielt die EU mit dem Gedanken, die Iberische Halbinsel zu einer Plattform für Flüssiggas zu machen. «Spanien wird eine wichtige Rolle in der Versorgung Europas spielen», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez Anfang März.
Spanien ist der Idee eines grossen europäischen Gasknotenpunktes nicht abgeneigt. Doch nun steht auch Spanien vor einem Problem: Algerien, der grösste Gaslieferant Spaniens, droht mit einem Lieferstopp.
Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune ist sauer, weil Spanien Marokko versprochen hatte, algerisches Gas weiterzuleiten. Dies werde als Verstoss gegen die geltenden Verträge angesehen und könnte zu einem Vertragsbruch führen, warnte das algerische Energieministerium.
Die Beziehung zwischen Algier und Rabat hat sich wieder verschlechtert, was auf den Westsahara-Konflikt zurückzuführen ist. Der Konflikt um den Status der Westsahara hält seit Jahrzehnten an. Bis 1975 war die Westsahara eine spanische Kolonie. Seither hält Marokko grosse Teile der auch an Mauretanien und Algerien angrenzenden Westsahara besetzt. Zu weiteren Spannungen kam es, als Spanien im März verkündete, die marokkanische Souveränität zu unterstützen. Der Kurswechsel stiess bei der Regierung in Algerien auf Unverständnis: «Spanien hat nicht das Recht, ein kolonisiertes Gebiet einem anderen Land zu überlassen», sagte Tebboune.
Während 25 Jahren betrieb Algerien die Erdgaspipeline Maghreb-Europe, die von Algerien durch Marokko nach Andalusien, Spanien, führte. Nach Ablauf des Vertrages beendete Algerien die Zusammenarbeit, da es die bisher zehn Prozent der Gaseinnahmen nicht mehr Marokko überliefern wollte.
Marokko ist seither von der Versorgung des Nachbarlands abgeschnitten – und hat Spanien, seinen wichtigsten Handelspartner, um Hilfe gebeten. In Algerien blieb die Zustimmung Spaniens jedoch nicht lange unbemerkt – und man reagiert damit, Spanien nicht mehr mit Gas zu versorgen.
«Was Spanien getan hat, ist moralisch und historisch inakzeptabel», kritisiert Tebboune in einem öffentlichen Interview. Er verweist dabei auf die Rolle Spaniens im Konflikt: «Spanien darf nicht vergessen, dass seine völkerrechtliche Verantwortung bis heute in der Westsahara verbleibt.» Tebboune sagte, dass bis zu einer Lösung, wie auch immer sie aussehen mag, Spanien als Verwaltungsmacht betrachtet wird.
Besonders scharfe Kritik übte Tebboune gegenüber dem spanischen Regierungspräsidenten Pedro Sánchez: «Der Regierungspräsident hat alles kaputt gemacht, nicht Spanien».
Am Ende des Interviews entschärft Tebboune den Ton. Er sagt, er wolle der spanischen Bevölkerung keine Angst machen. Er werde sich an die Verträge halten – sofern diese ebenfalls eingehalten würden. Die spanische Regierung hat sich bislang noch nicht dazu geäussert.
Es wäre keine Überraschung, wenn Algerien den Preis für das nach Spanien gelieferte Gas vorerst einmal erhöhen würde. Bereits Anfang April hatte die Regierung wegen der «explodierenden» Preise für Gas eine Preiserhöhung in Erwägung gezogen. Man wolle zwar korrekte Preise für die Kunden beibehalten, schliesse aber eine Neuberechnung der Preise nicht aus.
Leider wollen die Franzosen keine grössere Pipelines, damit algerisches Gas nicht ihre blöden AKWs konkurriert.
Kann man sich nicht ausdenken 🤦🏼♂️
Bitte jetzt? 🤷🏻♂️