Es beginnt schlecht. 30'000 Polizisten sollten die zweiwöchigen Sommerspiele von Paris absichern, flankiert von privaten Wachleuten – täglich deren 25'000. Allein die Eröffnungszeremonie entlang der Seine erfordert über 40'000 Ordnungshüter.
Werden sie Ende Juli zur Stelle sein? Frankreichs Flics sind skeptisch. Tausende sind diese Woche dem Streikaufruf ihrer Gewerkschaften Alliance und Synergies-Officiers gefolgt und sind in Paris oder in Städten wie Bordeaux, das ein Polizeikontingent in die Hauptstadt entsenden soll, auf die Strasse gegangen. In Strassburg blockierten die Ordnungshüter die Rheinbrücke aus Deutschland; im Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle sorgten sie mit ihren Protesten für bis zu einstündige Verspätungen.
Eine solche Mobilisierung durch die Gendarmen der Nation hatte Frankreich seit langem nicht mehr erlebt. Der Grund ist: Viele Ordnungshüter befürchten, dass sie für die ungenügende Vorbereitung der olympischen Sicherheit büssen müssen. Und dass Innenminister Gérald Darmanin sein öffentliches Versprechen, die Polizisten würden «zu hundert Prozent» präsent sein, wörtlich meint – sodass sie nicht einmal mehr zum Schlafen kommen.
Ferien und Wochenenden müssen sie während der Spiele ohnehin vergessen. «Paris hat die Olympischen Spiele 2017 erhalten, doch das Sicherheitsdispositiv steht bis heute nicht», klagte die Polizistin Laura an einer der vielen Kundgebungen. Sie verlangt eine Prämie von 2000 Euro.
Ungeklärt ist auch, ob die Organisatoren überhaupt 25'000 Wachagenten verpflichten können. Mehrere zehntausend Arbeitslose sowie Studentinnen und Studenten wurden angeschrieben. Sie müssen nur eine Schnellbleiche über 106 Stunden absolvieren. Skeptiker fragen, ob das seriös ist. Könnten sich nicht Gefährder aus der Islamistenszene einschmuggeln? Mit der internationalen Lage und namentlich dem Krieg in Nahost hat die Bedrohung zugenommen. Das zeigten zwei Messerattacken Ende letzten Jahres in Paris und der Provinzstadt Arras. Einer der Täter berief sich auf die Terrormiliz Islamischer Staat.
Die letzten Vorstadtkrawalle liegen zudem erst ein paar Monate zurück. Dass die deutschen Bauernproteste auf Frankreich übergreifen könnten, wird in Paris nicht ausgeschlossen. Dabei warnen Experten, dass längst nicht nur die Sportarenen gesichert werden müssten, sondern auch die riesige Infrastruktur einer Zwölf-Millionen-Metropole. Der Lokalpräfekt hat die Regierung von Präsident Emmanuel Macron vor einer «besorgniserregenden» Überlastung der öffentlichen Verkehrsmittel gewarnt.
Am meisten Sorgen bereitet die Eröffnungszeremonie am 26. Juli. Die Seine muss dafür zwischen Bastille und Eiffelturm auf sechs Kilometern überwacht werden – zu Wasser mit Minentauchern, in der Luft mit der Drohnenabwehr. Erstmals überhaupt findet die Ouverture der Olympischen Spiele nicht in einer gut abgeschotteten Sportarena statt. Als der – heute abgelöste - Stadtpräfekt Didier Lallemand von dem Projekt entlang der Seine hörte, erklärte er öffentlich, das sei aus sicherheitspolitischer Sicht «unvernünftig». Hinter den Kulissen soll er, wie das Magazin L'Express berichtete, vor dem Olympischen Organisationskomitee und der Bürgermeisterin Anne Hidalgo ausgerufen haben: «Ihr spinnt alle!»
Langsam setzt sich die Erkenntnis durch: Für diese Megaschau reichen auch 55'000 Sicherheitsleute nicht. Nach dem letzten Terrorangriff musste Macron dementieren, dass er einen «Plan B», also Ersatz für die gigantische Eröffnungsfeier, ausarbeiten lasse. Nur die Zahl der Boote soll von rund 200 auf 162 gesenkt werden; kleinere nationale Delegationen müssen sich also zusammentun.
Wenn sich die Gendarmen gegen Mehrarbeit sträuben und nicht genug Wachleute gefunden werden, bleibt nur eine Lösung, die auch London vor zwölf Jahren für seine Spiele gewählt hatte: Die Armee muss einspringen. Die Regierung hält sich bedeckt; der Militärgouverneur von Paris, General Christophe Abad, bestätigte aber, dass er im Stadtwald im Osten von Paris, dem Bois de Vincennes, ein Militärlager für 5000 Uniformierte errichten lasse. Im Westen der Hauptstadt könnte ein weiteres folgen. All das zugunsten des olympischen Friedens – und der Entlastung der Ordnungshüter. (aargauerzeitung.ch)