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Es ist erst wenige Tage her, seit Europas meistgesuchter Terrorist, Salah Abdeslam, im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst wurde. Ein Erfolg, gewiss. Aber er liess viele Fragen offen. Und er provozierte auch Kritik. Die belgische Zeitung De Standaard etwa bezeichnete es als «beunruhigend», dass Abdeslam so lange unentdeckt bleiben konnte. «Es wäre weniger peinlich für die Fahnder gewesen, wenn Abdeslam in Syrien aufgetaucht wäre», kommentierte das Blatt.
Noch deutlicher wurde der französische Abgeordnete und ehemalige Anti-Terror-Richter Alain Marsaud. Dass Abdeslam sich so lange versteckt halten konnte, sei «kein grosser Erfolg für die belgischen Geheimdienste», so Marsaud. «Entweder war Salah Abdeslam sehr schlau, oder die belgischen Dienste sind Nullen – was wahrscheinlicher ist.»
Man kann sich nur denken, was jetzt auf die belgischen Ermittlungsbehörden niederprasseln wird. Nur wenige Tage nach Abdeslams Verhaftung treffen die Terroristen Belgien ins Herz. Zwei Selbstmordattentäter sprengen sich im Brüsseler Flughafen in die Luft. Eine weitere Explosion ereignet sich in einer U-Bahn-Station. Wie kann das passieren?
Das Land hat seit längerem ein Problem mit islamischen Extremisten. Und das dürfte nicht nur daran liegen, dass die Radikalen die zentrale Lage des Landes so schätzen.
Die Zahl der Menschen, die als Dschihadisten nach Syrien gezogen sind, ist in Belgien im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse so hoch wie wohl in sonst keinem europäischen Land: Nach Schätzungen von Sicherheitsbehörden stammen rund 500 Kämpfer in dem Krisengebiet aus Belgien, das etwa elf Millionen Einwohner zählt. Und einige kehren zurück, weiter radikalisiert durch den Krieg.
Islamistische Rekrutierer erreichen nach einhelliger Meinung von Experten vor allem junge Männer, die keine Ausbildung haben, keinen Job und die für sich keine Perspektive sehen. Viele Muslime beklagen, sie würden in Belgien ungleich behandelt, etwa wenn sie sich für einen Job bewerben.
Das ist nicht erst seit gestern so, doch Belgien gelingt offensichtlich noch immer viel zu selten, muslimische Migranten und deren in Belgien geborene Kinder zu integrieren.
Die Probleme zeigen sich geradezu beispielhaft in jenem Stadtteil Brüssels, in dem sich der meistgesuchte Terrorist Europas offenbar wochenlang verstecken konnte: In Molenbeek leben rund 95'000 Menschen, mehr als ein Viertel der Einwohner hat keinen belgischen Pass. Die Arbeitslosenquote beträgt rund 30 Prozent. Schon im Jahr 2006 hatten Ermittler eine Razzia im Islamischen Zentrum von Molenbeek durchgeführt, auch damals ging es um Anti-Terror-Ermittlungen.
Für viele Radikale ist der Bezirk nur eine Zwischenstation. Sie würden die Anonymität von Orten nutzen, die fast ausschliesslich von Muslimen bewohnt sind.
Auch der Terrorist Mehdi Nemmouche, der 2014 bei einem Anschlag auf das jüdische Museum vier Menschen tötete, hielt sich in Molenbeek auf.
Hinweise, dass Belgien ein Problem mit Terroristen hat, gibt es allerdings schon viel länger. Vor 20 Jahren wurde bei einer Razzia gegen die radikal-islamische Groupe Islamique Armé (GIA) unter anderem ein arabisches Dokument gefunden: Es gilt als das erste Dschihad-Manual, das in Europa gefunden wurde.
Die Wichtigkeit Belgiens für Terroristen zeigte sich am 9. September 2001 erneut. Zwei Tage vor den Anschlägen von 9/11 wurde Kommander Ahmded Shah Massoud – The Last Man Standing gegen die Taliban – von zwei Terroristen getötet. Die Terroristen reisten mit belgischen Pässen nach Afghanistan.
Bis heute hat Belgien seine Probleme mit den Terroristen nicht in den Griff bekommen. Der ehemalige Anti-Terror-Richter Alain Marsaud sagte erst vor wenigen Tagen mit Blick auf die Verhaftung von Abdeslam in Molenbeek, die Belgier hätten sich naiv verhalten und zugelassen, dass sich «ein terroristisches Vipernnest» in ihrem Land entwickelt habe – «obwohl sie die Gefahr kannten». (meg/spon)