Mit Splitterschutzweste und Helm hetzt der chinesische Reporter Lu Yuguang vom chinesischen Nachrichtensender Phoenix TV einer Strasse entlang, während hinter ihm ein russischer Panzer vorbeidonnert: «Ich bin an der Front in Mariupol», sagt er ins Mikrofon. In einer anderen Szene interviewt er einen russischen Soldaten, der sagt, er sei nicht nervös, da er «seit acht Jahren kämpft». Lus Sonnenbrillen sind dabei mindestens erwähnenswert.
Lu sei ein erfahrener Kriegsreporter – und sehr wahrscheinlich der einzige Auslandskorrespondent, der direkten Zugang zu russischen Informationen habe, schreibt der britische «The Guardian».
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Die Zeitung hat die Beiträge Lus ausgewertet, die seit Beginn der Invasion vor fast drei Wochen gesendet werden – immer aus Städten, die von den Russen angegriffen werden. Dabei hat der «Guardian» festgestellt: Lu scheint laufend exklusiven Zugang zur russischen Seite des Konflikts zu erhalten.
In einem Bericht vom 2. März interviewte er zum Beispiel den Führer der selbsternannten Republik Donezk, Denis Puschilin. Und erklärte dem chinesischen Fernsehpublikum, dass die örtlichen Milizen sich eigentlich nicht mit den ukrainischen Streitkräften messen könnten, «aber mithilfe der russischen Armee haben die ostukrainischen Milizen 40 Wohngebiete befreit. Der Sieg weitet sich immer weiter aus.»
Der Guardian verweist darauf, dass kein anderer ausländischer Journalist mit so unmittelbarer Nähe von der russischen Seite der Invasion berichte. Lus Beiträge stehen somit in krassem Gegensatz zu allen anderen Beiträgen ausländischer Kriegsberichterstatter.
Dass China und Russland eine partnerschaftliche Beziehung pflegen, ist bekannt. Just vor den Olympischen Spielen in Peking, am 4. Februar 2022, unterzeichneten der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin eine 5300 Wörter umfassende Erklärung, in der sie die NATO-Erweiterung anprangerten, erklärten, dass ihre Partnerschaft «keine Grenzen» hätte und versicherten, dass sie eine neue globale Ordnung mit echter «Demokratie» schaffen wollten.
Nun hat Peking seit Beginn des Krieges damit zu kämpfen, seine Unterstützung für Moskau mit den zahlreichen internationalen Sanktionen in Einklang zu bringen. Darum hat China sich stets bemüht, in dem Konflikt eine scheinbar neutrale Position einzunehmen – weigert sich aber, Russlands Vorgehen als «Krieg» zu bezeichnen. Zudem zementieren Xis Sprecher regelmässig das antiwestliche Narrativ, indem sie die USA und die Nato für den «Konflikt» in der Ukraine verantwortlich machen.
Lu sei in China einer der bekanntesten Journalisten, schreibt der «Guardian». Da ist es umso bemerkenswerter, dass seine Berichte regelmässig russische Desinformationen enthalten – zum Beispiel die Behauptung, dass mehr als 1000 Menschen von ukrainischen Kämpfern als menschliche Schutzschilde festgehalten würden.
Allerdings soll es auch Kritik an Lus Arbeit von chinesischer und russischer Seite gegeben haben: Ein Interview mit ukrainischen Zivilisten sowie die geäusserte Kritik, dass chinesische Internetnutzer ukrainische Frauen objektivieren würden, hätten chinesische und russische Trolls auf den Plan gerufen, weiss der «Guardian».
Laut den Profilen auf der Website von Phoenix TV und Reportagen über Lu sei der Korrespondent ein ehemaliger Marineoffizier der Volksbefreiungsarmee, der mehrere Jahrzehnte in Moskau gelebt und von dort als Auslandskorrespondent berichtet habe. Zudem habe er immer wieder live aus dem Tschetschenienkrieg berichtet, wo er bereits unter dem Schutz des russischen Militärs gestanden habe. Für seine Berichterstattung wurde er mehrfach von der russischen Regierung und dem Militär ausgezeichnet.
Der ungewöhnliche Zugang von Lu zu russischen Informationen hat jetzt erneut Fragen über das Ausmass der Zusammenarbeit zwischen Moskau und Peking im laufenden Krieg aufgeworfen.
(yam)
Dass seine Berichte regelmäßig russische Fehlinterpretationen enthalten, finde ich überhaupt nicht „bemerkenswert“, sondern absolut logisch.
Es wäre Bemerkenswert wenn ein chinesischer „Journalist“ ohne Falschinformationen berichten würde
Herzliche Grüsse aus Absurdistan