Er werde den Ukraine-Krieg in 24 Stunden beenden, hatte Donald Trump im US-Wahlkampf versprochen. Es war sein übliches grossspuriges Geschwätz, dennoch setzte es ihn unter Zugzwang. Jetzt will der US-Präsident Ernst machen. Am Mittwoch teilte er mit, er habe ein «langes und sehr produktives» Telefonat mit Russlands Staatschef Wladimir Putin geführt.
Trump kündigte den unverzüglichen Beginn von Verhandlungen zur Beendigung des Krieges an. Schon bald soll es ein Treffen mit Putin geben, womöglich in Saudi-Arabien. In Europa schwanken die Reaktionen zwischen Konsternation und blankem Entsetzen. Mit einem Schlag hatte er den drei Jahre lang vom Westen geächteten Aggressor salonfähig gemacht.
Schlimmer noch: Die Ukrainer wurden im Vorfeld gar nicht gefragt. Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde von Trump erst nachträglich informiert. Nun drohe ein «schmutziger Deal», meinte die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warnte vor einem «Diktatfrieden». Damit beschwor er historische Assoziationen.
Es entbehrt nicht der Ironie, dass Trumps Ankündigung – und die Kampfansage seines Verteidigungsministers Pete Hegseth an die Europäer – im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz 2025 erfolgte. Denn in der bayerischen Landeshauptstadt wurde vor 87 Jahren ein Abkommen geschlossen, das fatal an Trumps Ukraine-Plan erinnert.
Der deutsche Diktator Adolf Hitler hatte 1938 mit einem Angriff auf die Tschechoslowakei gedroht, um die im dortigen Sudetenland lebende deutschsprachige Bevölkerung «heim ins Reich» zu holen. Faktisch wollte er die demokratische Republik zerschlagen und grosse Teile annektieren. Die Parallelen zu Wladimir Putins Absichten in der Ukraine sind offensichtlich.
Ein solcher Angriff aber hätte einen Krieg mit Frankreich und Grossbritannien bedeutet, die ein Beistandsabkommen mit der Tschechoslowakei geschlossen hatten. Premierminister Neville Chamberlain und sein französischer Amtskollege Édouard Daladier wollten dies unbedingt verhindern. Sie boten Hitler Gespräche zur «Sudetenkrise» an.
Ende September 1938 kam es in München zum Vierergipfel, an dem auch der italienische Faschistenführer Benito Mussolini teilnahm. Schliesslich unterschrieben die Regierungschefs das Münchner Abkommen, in dem das Sudetenland an das Deutsche Reich abgetreten wurde. Die Tschechoslowakei war nicht eingeladen, sie musste das Ergebnis akzeptieren.
Zwar enthielt das Abkommen eine Art verstärkte Sicherheitsgarantie, analog zu den Plänen für die Ukraine. Die Tschechoslowaken, allen voran Staatspräsident Edvard Beneš – fühlten sich von den Schutzmächten dennoch verraten. Sie fürchteten, dass dies nicht das Ende war, und das zurecht, denn Hitler war mit dem Vertrag nicht zufrieden. Er wollte den Krieg.
Neville Chamberlain hingegen erklärte nach seiner Rückkehr nach London, das Münchner Abkommen bringe «Peace for our time». Weniger als ein halbes Jahr später wurde seine Appeasement-Politik komplett diskreditiert, denn Hitler liess die Wehrmacht in die sogenannte «Rest-Tschechei» einmarschieren. Und die Westmächte rührten keinen Finger.
Nun könnte der Ukraine ein ähnliches Schicksal blühen, denn Putins Drohungen an die Adresse des Nachbarlands erinnern erschreckend an die damalige Situation. Auch er will Teile der Ukraine annektieren, wie das Sudetenland, und den Rest unter seine Kontrolle bringen. Und Donald Trump wird dabei zum «Wiedergänger» von Neville Chamberlain.
Selenskyj wiederum muss sich fühlen wie damals Edvard Beneš. «Wir können das nicht akzeptieren, als unabhängiges Land, irgendwelche Abkommen ohne uns», betonte der ukrainische Präsident am Donnerstag. Am selben Tag relativierte Pete Hegseth seine Aussagen vom Mittwoch, allerdings ohne inhaltliche Zugeständnisse an die Europäer.
Donald Trump selbst verwirrte mit der Ankündigung, es werde in München ein Treffen mit «hochrangigen Vertretern aus Russland, der Ukraine und den Vereinigten Staaten» geben. Dabei sind die Russen zur Sicherheitskonferenz nicht eingeladen. Hat der US-Präsident damit eine Bombe platzen lassen, oder hat er wieder einmal drauflos schwadroniert?
Bei nüchterner Betrachtung ist vieles rund um die «Friedensgespräche» unklar. Trump deutete an, China einbeziehen zu wollen. Es wäre wohl die einzige Macht, die Wladimir Putin zu Konzessionen zwingen könnte. Keith Kellogg, sein Sondergesandter für Russland und die Ukraine, betonte am Donnerstag, Putin müsse auch mit Selenskyj sprechen.
Die Gefahr aber besteht, dass Trump einen «faulen» Deal wie München 1938 akzeptiert. «Putin wird Trump weiterhin schmeicheln und beschwichtigen, indem er Zugeständnisse anbietet, die Trump als einen grossen Erfolg und ein wunderbares Geschäft darstellen wird», warnte die im Exil lebende russische Politologin Tatjana Stanowaja am Donnerstag auf X.
Am Freitagnachmittag wird Vizepräsident J.D. Vance an der Sicherheitskonferenz auftreten. In einem Interview mit dem «Wall Street Journal» hatte er sich zuvor bemüht, auf die Ängste Europas und Kiews einzugehen. Wichtig sei für die USA «die souveräne Unabhängigkeit der Ukraine». Selbst die Entsendung von US-Truppen sei «noch auf dem Tisch».
Am Donnerstag hatte der Vizepräsident mit seiner Frau das ehemalige Konzentrationslager Dachau bei München besucht. Die Gedenkstätte verdeutliche das «unbeschreiblich Böse», sagte Vance, «und warum wir uns dafür einsetzen sollten, dass so etwas nie wieder geschieht». Vielleicht hat er im Angesicht des Grauens verstanden, wie fatal sich Appeasement auswirken kann.
Anstatt von „blankem Entsetzen“ und Assoziationen zu 1938 zu faseln, würde ich als Deutsche einfach mal Taurus ohne weiteren Kommentar an die Ukraine liefern, als Franzosen Schutztruppen der Fremdenlegion in die Ukraine senden (Macron hat das schon 2023 ganz öffentlich als Option in Erwägung gezogen) und als Briten auf das nukleare Arsenal hinweisen.
Mit Putin verhandelt man nicht.
Man stellt ihn ohne Erklärung vor vollendete Tatsachen.
Und ein paar Russische Diplomaten nach Hause senden.
Man schaut fassungslos und hilflos dabei zu, da man nichts dagegen tun kann.
Die Menschheit versteht nach wie vor nicht, dass sie zurück blicken muss um zu sehen wie die Zukunft wird.