Bericht: Putins Krieg findet keine Mehrheit bei Russen
Einer internen Kreml-Umfrage zufolge sollen sich 55 Prozent der befragten Russen für Friedensverhandlungen aussprechen. Nur ein Viertel befürwortet den Krieg gegen die Ukraine noch. Das Papier soll nach Informationen der unabhängigen oppositionsnahen Medienseite Meduza von der russischen Behörde FSO erstellt worden sein. Dort war man sich wohl über das brisante Ergebnis bewusst und habe die Datenauswertung als «streng vertraulich eingestuft.» Entsprechend fand sie bislang keine Verbreitung in russischen Medien. Die Informationen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Im Oktober hatte das Levada-Zentrum, ein unabhängiges russisches Meinungsforschungsinstitut, in einer Umfrage ähnliche Werte ermittelt. Damals sagten 57 Prozent der Befragten, sie unterstützen Verhandlungen oder würden diese unterstützen. Nur 27 Prozent waren dafür, den Krieg gegen die Ukraine weiterzuführen. Noch im Juli sprachen sich nur 30 Prozent für eine Friedenslösung aus.
In #Russia, classified opinion polling conducted by the Kremlin's security service FSO reportedly found out that the public support for the #war in #Ukraine is falling.
— Alex Kokcharov (@AlexKokcharov) December 1, 2022
In July - 32% respondents for talks & 57% for continued war.
In November - 55% for talks & 25% for war.
1/2 pic.twitter.com/BSxbuEgbt3
Nach Informationen von Meduza will der Kreml reagieren – eigene Umfragedaten sollen nicht mehr in vollem Umfang veröffentlicht werden. Ein Informant sagte demnach, man wolle «besser nicht die Dynamik offenbaren», die hinter den Umfragen stecke. Im Klartext heisst das wohl: Putin will keine schlechten Nachrichten hören oder gar verbreiten.
Mobilmachung soll Ausschlag gegeben haben
Der Leiter des Levada-Zentrums, Denis Volkov, sieht einen Meinungsumschwung seit der Mobilmachung im September. «Es ist der Widerstand, selbst im Krieg dabei sein zu müssen. Sie unterstützen den Krieg, aber sie haben kaum Interesse daran, selbst mitzumachen», sagte er gegenüber Meduza. Viele Russen seien davon ausgegangen, dass der Krieg in der Ukraine sie selbst nicht betreffe und das Leben weiterginge. Das sei jetzt anders, und man spreche darüber.
Auch der Soziologe Grigory Yudin sieht den Ruf an die Waffen als Grund für die schwindende Unterstützung. Der «verlorene Glaube an einen Sieg» sei ein weiterer Grund dafür. Zwar schliesse er Demonstrationen nicht aus, er glaube aber eher an eine gewisse Apathie bei den Russen. Kreml-Insider berichteten Meduza, dass man dort über Proteste weniger besorgt sei. Man wolle aber «die Temperatur nicht unnötig erhöhen und die Menschen nicht verärgern», beschreibt die anonyme Quelle die Strategie. Deshalb seien die Medien auch angewiesen worden, «mehr positive Nachrichten» zu veröffentlichen.
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