Die UNO hat das vom israelischen Parlament beschlossene Gesetz zur nachträglichen Legalisierung ungenehmigter jüdischer Siedlungen auf Palästinensergebiet scharf kritisiert. Mit dem Gesetz werde eine «sehr dicke rote Linie» überschritten, erklärte der UNO-Sondergesandte Nikolai Mladenow am Dienstag.
Das am Montagabend von der Knesset beschlossene Gesetz berge die Möglichkeit «für die volle Annexion des Westjordanlandes» und untergrabe damit grundlegend die Zwei-Staaten-Lösung, erklärte Mladenow. Israel müsse nach der Verabschiedung des Gesetzes mit einer Verfolgung vor dem Internationalen Strafgerichtshof rechnen.
Mladenow forderte eine starke Reaktion der Weltgemeinschaft auf das israelische Gesetz. Er lehnte es aber ab, die US-Regierung zu kritisieren, weil diese eine direkte Reaktion abgelehnt hatte. «Offensichtlich» benötige die neue Regierung in Washington Zeit für interne Beratungen, sagte Mladenow.
Hingegen verurteilte Grossbritannien das Gesetz. «Es besteht die grosse Sorge, dass das Gesetz den Weg frei machen wird für ein deutliches Wachsen von Siedlungen tief im Westjordanland, womit die Realisierbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung bedroht wird», sagte Nahost-Staatssekretär Tobias Ellwood in London.
Grossbritannien stehe zu dieser Lösung, bei der neben einem sicheren Staat Israel ein unabhängiger Staat Palästina entstehen solle.
Israels Parlament hatte am Montagabend das umstrittene Gesetz gebilligt, mit dem Siedlerwohnungen auf palästinensischem Privatland rückwirkend legalisiert werden. Dies betrifft rund 4000 Wohnungen israelischer Siedler, die widerrechtlich auf privaten Grundstücken von Palästinensern gebaut wurden.
Ultrarechte Politiker wollen damit weitere Räumungen wilder Siedlungen verhindern. Das Gesetz sieht eine Entschädigung der palästinensischen Besitzer vor. Israels Höchstes Gericht könnte das Gesetz noch kippen.
Israel hat 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Seither kontrolliert es die Gebiete weitgehend. Zwischen rund 2,9 Millionen Palästinensern leben dort mittlerweile rund 600'000 Israelis.
Auch in Israel gab es Kritik an dem Gesetz. Rechtsprofessor Juval Schani von der Hebräischen Universität in Jerusalem erwartet zumindest langfristig einen Stopp des Gesetzes durch das Höchste Gericht in Jerusalem.
«Das Gesetz verletzt grundlegende Rechte», sagte Schani am Dienstag. «Das Gericht wird das Gesetz vermutlich für untauglich erklären.» Es greife in Eigentumsrechte ein und sei diskriminierend, weil es den Landtransfer nur von Palästinensern zu Juden reguliere.
Die Nichtregierungsorganisationen Peace Now, Jesch Din und Acri kündigten an, in Kürze eine Petition gegen die Regelung beim Höchsten Gericht einzureichen. «Ich denke, unsere Chancen stehen gut, weil das Gesetz rechtswidrig ist», sagte Peace Now-Sprecherin Anat Ben Nun.
Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit betonte, dies sei das erste Mal, dass Israels Gesetzgebung explizit die Unterstützung der Regierung für die Siedlungen bekräftigt. Das Gesetz verstosse gegen israelisches und internationales Recht. Er äusserte auch die Sorge, das Gesetz könne Munition liefern für Klagen gegen Israelis vor dem Internationalen Strafgerichtshof.
«Ein solches Gesetz ist ein Signal für die endgültige Annexion des Westjordanlandes», sagte die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi nach einer in der Nacht zum Dienstag veröffentlichten Mitteilung. PLO-Generalsekretär Saeb Erekat sagte, dies sei das «Ende der Zwei-Staaten-Lösung» in Nahost.
Israels Bildungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei dagegen lobte die Entscheidung auf Twitter und sprach von einem «Wendepunkt». Sein Parteikollege und Parlamentsabgeordnete Bezalel Smotrich sprach von einem «historischen Tag für die Besiedlung und den Staat Israel».
(sda/afp/dpa)