Zur Herkunft des Coronavirus gibt es verschiedene Theorien. Eine davon lautet, dass das Virus auf dem Fischmarkt in der chinesischen Stadt Wuhan auf den Menschen übergesprungen ist, eine andere macht Fledermäuse und Marderhunde als Ursprung aus und noch eine weitere besagt, dass das Virus bei einem Laborunfall in der chinesischen Stadt Wuhan entkommen und den Menschen infizieren konnte. Gemein haben die Theorien eines: Keine ist bewiesen.
Die letztgenannte Theorie vom Laborunfall erhält nun aber erneut Auftrieb. Zwei US-Behörden äusserten sich in den vergangenen Tagen öffentlich und erklärten, dass sie am ehesten einen Lapsus in einem chinesischen Labor als Ursprung der Coronapandemie ausmachen würden.
Vergangenen Sonntag berichtete das «Wall Street Journal» unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen, dass das US-Energieministerium seine Einschätzung bezüglich der Herkunft des Coronavirus geändert habe. So soll sich das Energieministerium nun der Einschätzung der US-Bundespolizei FBI anschliessen, wonach sich das Coronavirus wahrscheinlich durch eine Panne in einem chinesischen Labor verbreiten konnte. Aber: Die Schlussfolgerung basiere auf geheim gehaltenen Erkenntnissen und der Grad der Gewissheit sei niedrig, konstatierte die «New York Times».
Korrektur: In einer früheren Artikel-Version hiess es, dass sich das Coronavirus «mit geringer Wahrscheinlichkeit» durch eine Panne in einem chinesischen Labor verbreiten konnte. Diese missverständliche Formulierung wurde geändert.
In den USA befassen sich insgesamt acht Behörden mit der Frage nach der Herkunft des Coronavirus. Ende 2021 wurde erstmals ein offizieller Bericht veröffentlicht, in dem die Behörden eine Einschätzung abgaben. Damals waren vier der acht Behörden der Ansicht, dass das Coronavirus am ehesten einen natürlichen Ursprung hat, wie der Spiegel schreibt. Drei erachteten den natürlichen Ursprung als ebenso möglich wie einen Laborunfall. Einzig das FBI bezeichnete die Labortheorie als die wahrscheinlichste Möglichkeit, wie die New York Times damals berichtete. Die US-Bundespolizei bekräftigte jüngst diese Einschätzung (siehe unten).
Warum das US-Energieministerium die Lage nun anders bewertet, ist noch nicht bekannt. Die Antwort auf die Frage, ob es wesentliche neue Erkenntnisse gibt, ebenfalls nicht. Verschiedene Experten gehen aber davon aus, dass das US-Energieministerium nichts Bahnbrechendes entdeckt hat – ansonsten wäre dies wohl längst öffentlich gemacht worden.
Ebenfalls gegen bedeutende neue Erkenntnisse spricht, dass sich bisher keine weitere der US-Behörden zu Wort gemeldet und ihre bisherige Einschätzung der Situation offiziell angepasst hat.
Das Weisse Haus in Washington äusserte sich nach den Berichten über die veränderte Einschätzung des US-Energieministeriums zurückhaltend. «In der US-Regierung herrscht derzeit keine Einigkeit darüber, wie Covid genau entstanden ist», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag in Washington.
Die Nachrichtendienste und der Rest der Regierung seien damit beschäftigt, die «Sache zu prüfen», so Kirby weiter. Es gebe noch kein endgültiges Fazit, er könne den Bericht des «Wall Street Journal» weder bestätigen noch zurückweisen.
Ähnlich hatte sich zuvor auch der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden geäussert. Man wolle Fakten, bevor man sich zum Thema äussere. Die Regierung sei dabei, diese zusammenzutragen, aber man sei «noch nicht so weit».
Wie erwähnt, war das FBI ursprünglich die einzige US-Behörde, die einen chinesischen Laborunfall als wahrscheinlichste Möglichkeit in Betracht zog. Nach dem Bericht über das US-Energieministerium hat sich FBI-Direktor Christopher Wray nun erneut zu Wort gemeldet und den Standpunkt seiner Behörde bekräftigt.
Der Leiter der US-Bundespolizei bestätigte in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Interview des US-Senders Fox News die frühere Einschätzung, wonach eine mögliche Laborpanne in China «höchstwahrscheinlich» für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gewesen sei. «Das FBI geht schon seit geraumer Zeit davon aus, dass der Ursprung der Pandemie höchstwahrscheinlich ein möglicher Laborvorfall in Wuhan ist», sagte Wray dem Sender. «Hier geht es um ein mögliches Leck in einem von der chinesischen Regierung kontrollierten Labor.»
FBI-Direktor Wray nutzte das Interview bei Fox News, um China direkt für die Ausbreitung des Virus verantwortlich zu machen. Das mögliche Leck in dem von der chinesischen Regierung kontrollierten Labor habe «Millionen von Amerikanern getötet, und genau dafür wurde diese Fähigkeit entwickelt».
Er fügte hinzu, dass die Untersuchungen weitergingen und viele Details noch nicht genannt werden könnten. Er wolle aber anmerken, dass die chinesische Regierung «ihr Bestes getan» habe, um die Arbeit der US-Regierung und ausländischer Partner «zu behindern und zu verschleiern».
China wies bereits die Medienberichte bezüglich der Einschätzung des US-Energieministeriums zurück. Pekings Aussenamtssprecherin Mao Ning sagte am Montag, die Suche nach dem Ursprung des Virus sei eine wissenschaftliche Angelegenheit und solle «nicht politisiert» werden.
Dass eine Laborpanne «höchst unwahrscheinlich» sei, habe die Forschungsmission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit chinesischen Wissenschaftlern bei ihren Untersuchungen 2021 in der zentralchinesischen Stadt Wuhan festgestellt, wo das Virus erstmals entdeckt worden war. Es solle damit aufgehört werden, die Labortheorie aufzubauschen und China zu verleumden, sagte die Sprecherin.
Das Verhältnis zwischen den USA und China ist derzeit aus verschiedenen Gründen schwer belastet. Ende Januar war ein mutmasslicher chinesischer Spionageballon in den Luftraum der USA eingedrungen. Der Ballon wurde einige Tage später vom US-Militär abgeschossen, nachdem er weite Teile der USA überflogen hatte, unter anderem kritische militärische Infrastruktur. Der Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, sagte am Wochenende, China ziehe die Lieferung «tödlicher Unterstützung» an Russland «in Erwägung». Beweise für tatsächliche Lieferungen gebe es noch nicht.
Die jüngsten Aussagen des FBI-Direktors dürften den Druck auf die Biden-Regierung erneut erhöhen. Vor allem aus den Reihen der Republikaner wurden bereits in den vergangenen Tagen Forderungen nach einer einheitlichen Einschätzung der US-Regierung laut.
«Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die gesamte Biden-Administration dem Energieministerium, dem FBI und der Mehrheit der Amerikaner anschliesst, indem sie öffentlich feststellt, was uns der gesunde Menschenverstand von Anfang an gesagt hat: Die Covid-19-Pandemie hat ihren Ursprung in einem Laborleck in Wuhan, China», schrieb etwa der Republikaner und Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses Michael McCaul. (con)
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
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