Donald Trump, der Wladimir Putin mit Lob überhäuft. Donald Trump, der den europäischen Staatschefs von seinem guten Draht in den Kreml erzählt. Donald Trump, der das Treffen mit den Europäern unterbricht, um mit Putin zu telefonieren. Die Linie der Kreml-Propaganda ist am Tag nach dem Ukraine-Gipfel im Weissen Haus deutlich: Putin ist auch in seiner Abwesenheit der wichtigste Mann am Verhandlungstisch.
Der Kontrast zwischen dem Empfang für den Kremlchef und für Selenskyj wird ausgeschlachtet. Trump habe den ukrainischen Präsidenten wie einen unerfahreneren Schuljungen empfangen, steigt die Moderatorin Olga Skabejewa in der ersten grossen Propagandashow des Tages in das Thema ein. Im Oval Office habe die Trump-Administration Selenskyj eine regelrechte Schikane bereitet. Mit Vergnügen habe man über den Aufzug des Ukrainers gespottet.
Und Selenskyj? Er habe nur gute Miene zum bösen Spiel machen können. «Elf Mal hat sich Selenskyj innerhalb von nur viereinhalb Minuten bei Trump bedankt», stichelt Skabejewa in der Propagandasendung «60 Minuten», die entgegen ihrem Titel fünf Stunden am Tag ausgestrahlt wird.
Der US-amerikanische Senator Lindsey Graham, den sie als «engsten Verbündeten» Selenskyjs in Washington tituliert, rede gar vom ukrainischen Präsidenten in der Vergangenheitsform, frohlockt Skabejewa. «Selenskyj war ein guter Anführer in der Kriegszeit», zitiert sie den Republikaner, der in Russland als «Terrorist und Extremist» gilt. Trotz dieser Auszeichnung der russischen Behörden war aber Grahams Meinung zu diesem Thema den Propagandisten gewichtig genug, um sie den Zuschauern nicht vorzuenthalten, «Terrorist» hin oder her.
Aber nicht nur der Empfang für Selensykj wird von der Kreml-Propaganda genutzt, um einen Kontrast zu Putin aufzubauen. Auch die europäischen Staatschefs müssen herhalten. «Trump hat sein Verhältnis zu ihnen deutlich demonstriert», so Skabejewa. Friedrich Merz habe er lediglich als «Mister Kanzler aus Deutschland» benannt und ihn nicht mit seinem Namen angesprochen.
Das Einzige, was Trump an Merz interessiert habe, sei seine Sonnenbräune gewesen. An dieser Stelle wird die martialische musikalische Untermalung der Sendung unterbrochen, um den US-Präsidenten zu Wort kommen zu lassen: «Wo sind Sie so braun geworden? Ich will auch so eine Bräune», wendet er sich in einer kurzen Sequenz an Merz.
Zumindest wisse Trump, wo Merz am Tisch zu finden sei – im Gegensatz zum finnischen Präsidenten. Den habe der US-Präsident erst suchen müssen. «Die Finnen haben auf der Seite Hitlers gekämpft und beteiligten sich an der unmenschlichen Blockade Leningrads», erinnert Skabejewa die Zuschauer in der ihr ganz eigenen Art und Weise, bei der sie jede einzelne Silbe mit Druck herauspresst.
Die Talkmasterin ist für den metallischen Klang ihrer Stimme und ihre Moderation im Stile einer KGB-Verhörspezialistin bekannt. Ihre Art hat ihr den Spitznamen «das eiserne Püppchen» eingebracht, den die Pressesprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, einst in Umlauf gebracht hat. In diesem eisernen Ton setzt Skabejewa am Dienstagmittag in ihrer Show hinzu: «Moskau hat Finnland die Unabhängigkeit geschenkt.» Auch jetzt setze der finnische Präsident wohl auf die Gütigkeit Putins.
In diesem Tenor gehen die nächsten zweieinhalb Stunden weiter. Selenskyj habe die Bedingungen für einen Frieden diktiert bekommen, heisst es. «Nun befindet er sich in einer Phase des Akzeptierens», erklärt ein zugeschalteter russischer Reporter aus Washington. Selenskyj frage sich nur noch, wie er die Entscheidungen seinem Volk mitteilen und die ukrainische Verfassung umgehen soll.
Gegenüber «seinen Journalisten» habe der «Vertreter Kiews» es jedoch fertiggebracht, zu sagen, dass es Putin gewesen sei, der «um ein Treffen mit dem Präsidenten Selenskyj gebeten habe», führt Skabejewa fort. In jedem Wort ist unverhohlener Spott zu hören. «Sagen wir: Es war ein Mini-Stand-up», spielt sie auf die Comedian-Vergangenheit von Selenskyj an.
Die Kreml-Propaganda reduziert seit jeher den ukrainischen Präsidenten auf die Rolle eines Clowns. Und so erklärt ein gewisser Andrej Issajew aus der Regierungspartei «Einiges Russland»: «Es gab viele Stand-ups.» Selenskyj sei es gelungen, «in ganz Europa eine Notfalltruppe zusammenzustellen, die nicht schlecht als Background-Tänzer für den leitenden Komiker arbeitet.» Gemeint sind die europäischen Staatschefs.
«Sie haben alle Erniedrigungen hingenommen. Sie haben ohne Hemmungen das Herrchen geleckt. Und wie sie geleckt haben», ergeht sich der Politiker in Vulgaritäten. Das Herrchen ist in dieser Rede Trump.
Selenskyj habe ganz vergebens versucht, Trump zu schmeicheln. Und die Europäer hätten überhaupt nichts zu entscheiden, führt Skabejewa die Linie fort. Mit Häme zitiert sie europäische Titelblätter und zeigt eine Karikatur der britischen «Times», die Trump in Form einer russischen Matroschka zeigt. «Darin sind offensichtlich russische Spione. Und es sind russische Spione, die Selenskyj im Weissen Haus empfangen», freut sich Skabejewa.
Und da wäre er wieder: der allmächtige und immer präsente Putin. Den hat Donald Trump bekanntlich mit Applaus und rotem Teppich empfangen. Das Bild, das die Kreml-Propaganda nun ständig heraufbeschwört, hat ein Studiogast der Sendung «Der Abend mit Wladimir Solowjow» anschaulich gemacht: «Zwei Flugzeuge, zwei Präsidenten. Hier der russische Präsident, dort der Amerikaner. Und hör mal: Der russische Präsident ist WOW, WOW, WOW. Schlicht: zwei Imperatoren!» Ein Bild, wie geschaffen für die Propaganda-Maschine des Kreml.
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