Wie können sich ausgerechnet die reichen, schillernden Filmstars erdreisten, zu streiken? Diese Frage liegt nahe, seit die Produktion in Hollywood weitgehend stillsteht. Filme werden derzeit weder gedreht, noch beworben.
Den beiden Gewerkschaften für Drehbuch (WGA) und Schauspiel (Sag-Aftra) geht es vor allem um zwei Punkte: Erstens um eine Neuregelung der Einnahmen, die die Streamingdienste erzielen; das alte, lineare Fernsehmodell mit klar eruierbaren Zuschauerzahlen funktioniert heute nicht mehr. Zum Zweiten geht es um die Möglichkeiten und Konsequenzen, die der Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit sich bringt.
Die Sag-Aftra vertritt die Interessen von rund 160'000 Schauspielerinnen und Schauspielern. Superstars und Multimillionäre wie Meryl Streep, Matt Damon oder Jennifer Lawrence bilden nur die Spitze davon. Wie beim Profisport kennt die Allgemeinheit die allermeisten Akteure nicht, die oft schlecht bezahlt sind. Viele müssen jeden Cent umdrehen, um sich die Krankenversicherung in den USA leisten zu können.
Ein Problem, das Bob Iger, den CEO der Walt Disney Company, kaum umtreibt. Der letztes Jahr aus dem Ruhestand geholte 72-jährige sieht den Streik nach überstandener Pandemie zur Unzeit ausgebrochen und hält die Forderungen für komplett «unrealistisch». Igers Vertrag bei Disney wurde gerade bis 2026 verlängert. Er soll den Konzern, der gerade mit hohen Produktionskosten für seinen Streamingdienst und nachlassendem Interesse für die Themenparks kämpft, wieder auf Kurs bringen.
Dafür winkt, durch Boni, ein sattes Salär. Bereits 2018 hatte Iger laut Forbes 65 Millionen Dollar jährlich verdient. Eine Summe, von der das Datenvergleichsunternehmen «Equilar» schreibt, sie entspreche dem 1424-fachen Lohn eines durchschnittlichen Disney-Mitarbeiters.
Wie überall öffnet sich auch in Hollywood die Schere weit zwischen den Superreichen und denen, die am Monatsende bangen müssen. Der amerikanische Medienmogul Barry Diller schlägt vor, dass sowohl die Studiobosse als auch die bestbezahlten Schauspieler 25 Prozent Gehaltseinbussen hinnehmen sollten:
Der Streik bringt schon länger schwelende Missverhältnisse aufs Parkett, nicht nur hinsichtlich einer grundsätzlichen Geldverteilung. In den letzten Jahren hat sich die Industrie durch Streaming und KI so sehr verändert wie kaum jemals zuvor in ihrer Geschichte. Und zu lange wurden entscheidende Fragen ignoriert. Die Schauspielerin Susan Sarandon bringt es auf den Punkt:
Bei der aktuellen Eskalation geht es um weitaus mehr, als um die Verzögerung von Produktionen wie «Gladiator 2» oder «Mission: Impossible 8». Es geht auch um mehr als um die herbstlichen Festivals in Toronto oder Venedig, wo üblicherweise die ersten heissen Oscar-Kandidaten präsentiert werden und die heuer wohl ohne Blitzlichtgewitter auskommen müssen. Vielleicht spricht man dafür ja für einmal wieder mehr über den Inhalt der Filme als über die Roben auf dem roten Teppich.
Der Streik ist ein Endspiel um die Zukunft der ganzen Branche, die ohnehin in einem diffizilen Transformationsprozess steckt. Die Fronten zwischen beiden Verhandlungsseiten scheinen bis auf Äusserste verhärtet. Laut dem Branchenblatt «Deadline» sprechen Insider hinter versteckter Hand davon, dass die grossen Studios und Streamingdienste die Streikenden in Hollywood einfach ausbluten lassen wollen.
Die Inhalte werden global anderswo produziert, während man darauf warten kann, bis den ersten Schauspielern, Drehbuchautorinnen oder auch anderen, indirekt vom Streik betroffenen wie Maskenbildnern das Geld ausgeht und sie ihre Miete nicht mehr zahlen können. Dann wird neu verhandelt. Die Taktik ist nicht risikofrei, schliesslich stehen die Streamer untereinander selbst in einem kostenstarken Konkurrenzverhältnis. Es könnte ein Pyrrhussieg werden, ein Kräftemessen, das nur Verlierer produziert. (aargauerzeitung.ch)