Lange dauerte es am Sonntag nicht, bis sich die Republikaner auf die neue Ausgangslage im Rennen um das Weisse Haus eingestellt hatten. Kaum hatte Joe Biden seinen Rückzug verkündet, begannen die Chef-Strategen des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump auf seine wahrscheinliche Nachfolgerin einzuprügeln.
Kamala Harris, hiess es in einer schriftlichen Stellungnahme, sei bloss eine schlechte Kopie von Joe Biden Und: Und weil die Vizepräsidentin nicht die Wahrheit gesagt habe über den Gesundheitszustand des Präsidenten, trage Harris die Hauptverantwortung für die missliche Situation, in der sich die grösste Volkswirtschaft der Welt nun befinde. Für die Republikaner «ändert sich überhaupt nichts», behauptete Jason Miller, ein hochrangiger Trump-Berater, in einem Fernsehinterview.
.@JasonMillerinDC: It doesn't change anything for us. It's remarkable that only 3 weeks ago, Democrats and many in the media were criticizing the Trump campaign for "cheap fakes."
— Trump War Room (@TrumpWarRoom) July 21, 2024
There's no way that Harris can remove her name from the Harris-Biden record over the past 3.5… pic.twitter.com/nJjVONXjRk
Solch starke Worte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Republikaner am Sonntag auf dem falschen Fuss erwischt wurden. Trump und Konsorten hatten eigentlich damit gerechnet, dass Biden im Präsidentschaftswahlkampf verbleiben würde. Biden galt als zu stolz und zu stur, als dass er einfach den Bettel hinwerfen würde. Auch deshalb hatten sie den gesamten Wahlparteitag in der vergangenen Woche auf den unbeliebten Präsidenten zugeschnitten: Biden, mit 81 Jahren der älteste Bewohner des Weissen Hauses in der Geschichte der USA, müsse gehen, lautete die Botschaft.
Crooked Joe Biden was not fit to run for President, and is certainly not fit to serve - And never was! He only attained the position of President by lies, Fake News, and not leaving his Basement. All those around him, including his Doctor and the Media, knew that he wasn’t…
— Donald J. Trump Posts From His Truth Social (@TrumpDailyPosts) July 21, 2024
Nun ist der 78 Jahre alte Trump plötzlich der älteste Präsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA. Und er sieht sich wahrscheinlich mit einer Kontrahentin konfrontiert, die 1964 geboren wurde und damit fast einer neuen Generation entstammt. (Harris ist damit eine junge Baby-Boomerin; die «Generation X» umfasst gemeinhin die Jahrgänge 1965 bis 1980.)
Trump selbst sagt, dass es nicht darauf ankomme, gegen wen er antrete. Die politischen Ideen der Demokraten seien derart unpopulär, er werde gegen jeden linken Präsidentschaftskandidaten gewinnen, sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtensender «Fox News Channel». Auch forderte er online den umgehenden Rücktritt Bidens, falls er seine Aufgaben im Weissen Haus nicht mehr erfüllen könne.
Aber so richtig überzeugt scheint Trump von dieser Aussage nicht zu sein. Also zündeten die Republikaner online einige Nebelpetarden. So machte sich der Ex-Präsident bereits am Samstag über das Lachen von Harris lustig. Trump, der sich noch vorige Woche als Landesvater und Versöhner präsentiert hatte, sagte über die Vizepräsidentin: «Sie ist verrückt. Sie ist durchgeknallt.»
Auch drohte Trump, bei der nächsten TV-Debatte im September nicht aufzutauchen, sollte diese Diskussionssendung weiterhin vom Sender ABC organisiert werden. Und sein Vize J.D. Vance behauptete, dass Harris fast vier Jahre lang über die «mentale Kapazität» des Präsidenten die Unwahrheit erzählt habe.
My debate with Crooked Joe Biden, the Worst President in the history of the United States, was slated to be broadcast on Fake News ABC, the home of George Slopadopolus, sometime in September. Now that Joe has, not surprisingly, has quit the race, I think the Debate, with whomever…
— Donald J. Trump Posts From His Truth Social (@TrumpDailyPosts) July 21, 2024
Tatsache ist: Die Zustimmungswerte für Harris sind vergleichbar schlecht wie diejenigen Bidens. Aber die Vizepräsidentin tritt im Wahlkampf dynamischer auf als ihr Chef. Sie ist eine ehemalige Staatsanwältin und kann, wenn sie will, scharf argumentieren.
Weil sie wohl einen Vize-Kandidaten nominieren muss, wenn sie wirklich für die Demokraten antreten, besitzt sie die Chance, dem Wahlkampf einen neuen Impuls zu geben. Würde sie einen Anwärter aus einem politisch umkämpften Bundesstaat wie Pennsylvania oder Arizona oder North Carolina auswählen, wäre ein Sieg für die Demokraten in diesem Staat plötzlich wieder in Griffweite.
Und schliesslich wird Harris das frustrierte Fussvolk der Partei aufrütteln, darunter vor allem auch viele junge Aktivistinnen und Aktivisten. Damit könnte sie die bisher defensiv auftretenden Demokraten in der November-Wahl gegen die aggressiv vorgehenden Republikaner stärken. Bereits sammelte Harris in den ersten Stunden ihrer Präsidentschaftskandidatur gegen 47 Millionen Dollar ein, wie die Spendenplattform Actblue meldete. Das ist eine rekordverdächtige Summe.
Die Republikaner werden diese überraschenden Entwicklungen nicht einfach teilnahmslos beobachten. Bereits lancierten die Republikaner in politisch umkämpften Bundesstaaten Anti-Harris-Werbespots.
Bereits ist auch die Rede von juristischen Klagen der Republikaner gegen die Demokraten. Speaker Mike Johnson beispielsweise sagte am Sonntag, die Partei verhalte sich undemokratisch, wenn sie den Sieger der Vorwahlen auswechseln werde. Das ist ein starkes Stück, waren es doch die Republikaner, die nach der verlorenen Präsidentenwahl 2020 versuchten, Trump mit undemokratischen Mitteln an der Macht zu behalten. Doch die Republikaner werden nichts unversucht lassen, um der designierten Präsidentschaftskandidatin neue Steine in den Weg zu legen.
Trumpisten beten einen alten Mann an. Am Ende seiner Amtszeit wäre Trump fast 84 Jahre alt.