Ob die Demokratie als Siegerin aus diesen Midterms herausgehen wird, steht noch in 50 Sternen geschrieben. Doch ein sicherer Sieger dieser Wahlen steht schon fest: Der Gouverneur von Florida wurde im Amt bestätigt.
Ron DeSantis – seines Zeichens Republikaner und vielleicht bald der Mann, der Donald Trumps Träume von einer erneuten Kandidatur vorläufig zum Platzen bringen wird.
Doch wie hat es dieser Mann mit dem auffälligen Zahnpastawerbung-Lachen so weit gebracht? Ein Porträt:
Als DeSantis 2019 als Gouverneur vereidigt wurde, war er mit 40 Jahren der jüngste Gouverneur in Florida seit einem Jahrhundert. DeSantis' Studium, seine Karriere und seine Familie scheinen scheinbar auf dieses Amt massgeschneidert zu sein.
In seinen offiziellen Biografien wird er als «gebürtiger Floridianer mit Arbeiterwurzeln» beschrieben. Seine Grosseltern stammen alle aus Italien. DeSantis selber wurde am 14. September 1978 in Jacksonville, Florida, geboren.
Ausbildungstechnisch kann er einen illusteren Lebenslauf vorweisen: Er absolvierte ein Bachelorstudium in Geschichte an der Yale University, wo er auch Kapitän des College-Baseballteams war. Nach einem einjährigen Intermezzo als Geschichtslehrer begann er ein Jurastudium an der Harvard University. Bereits während dieses zweiten Studiums trat er zusätzlich als Offiziersanwärter in die Marinegerichtsbarkeit ein.
The wild thing to me is not just that Ron DeSantis was in the Little League World Series, but that a guy who is a major presidential contender was playing Little League baseball *in the 1990s* https://t.co/FG6MAfy0jD pic.twitter.com/mC1kP8F2LK
— Dan McLaughlin (@baseballcrank) June 28, 2021
Nach seinem Abschluss blieb er vorläufig dem Militär treu, arbeitete auf einem Stützpunkt und wurde später der berühmt-berüchtigten Militär-Eliteeinheit SEAL Team One als Rechtsberater zugeteilt. Für einen Irak-Einsatz wurde er mit einer Bronze Star Medal, einer Navy & Marine Corps Commendation Medal, der Global War on Terrorism Service Medal und der Iraq Campaign Medal ausgezeichnet.
Nach seiner aktiven Dienstzeit war DeSantis stellvertretender US-Staatsanwalt für den mittleren Bezirk von Florida und Gastkolumnist für konservative Blätter wie die «National Review» oder die «Washington Times». 2011 veröffentlichte er ein patriotisch-angehauchtes Buch: «Dreams from Our Founding Fathers», in dem er detailliert darzulegen versucht, wie der ehemalige US-Präsident Barack Obama von den amerikanischen Grundprinzipien abweiche.
Der katholische DeSantis ist seit 2010 mit der ehemaligen Fernsehmoderatorin Casey verheiratet. Die beiden sind Eltern von drei Kindern.
Sein frühes Leben fasste ein Kindheitsfreund für die Lokalzeitung «Tampa Bay Times» 2018 so zusammen:
Ob er sein Ziel erreichen wird, wird sich zeigen.
DeSantis' erstes politisches Amt war 2012 als Abgeordneter für Floridas sechsten Bezirk im Kongress. Während dieser Amtszeit war er häufig zu Gast bei «Fox News». Er schien erfolgreich zu sein: 2016 wurde er wiedergewählt.
Als Trump 2017 Präsident wurde, war DeSantis einer seiner lautesten Unterstützer. Im Gegenzug versprach Trump ihm Rückendeckung, als DeSantis ankündigte, für das Amt des Gouverneurs von Florida zu kandidieren – welches er dann 2018 auch gewann. Trump kündete ihn damals als «brillanten jungen Leadertypen» an. Trump soll laut Quellen der «Washington Post» über DeSantis gesagt haben:
Doch die anfängliche Sympathie der beiden Republikaner hat sich ins Gegenteil verkehrt: Ron DeSantis hat heute ein Trump-Problem. Beziehungsweise Trump hat ein Problem mit DeSantis: Der Ex-Präsident beschuldigt den Gouverneur nämlich, dass dieser nur so erfolgreich sei, da er ihn nachahme, wie der «Rolling Stone» schreibt. Ein glühender Republikaner lässt sich im Magazin auch zitieren:
DeSantis' Herausforderung in den Präsidentschafts-Rennen der nächsten Monate wird es sein, den ehemaligen Präsidenten auf seiner Seite zu halten, da Trump immer noch einen gewissen Einfluss als Königsmacher ausübt. Gleichzeitig muss er genügend Distanz wahren, um konservative Wähler anzusprechen, die sich von Trump abgewandt haben. Und so hiess es in einer Kolumne im «National Review» – der Bibel des amerikanischen Konservatismus –, DeSantis sei der «wahre Anführer der Opposition». Und man rechne ihm hoch an, dass er konservative Anliegen verfolge, vor denen andere Politiker zurückschreckten.
DeSantis ist bis heute der Frage stets geschickt ausgewichen, ob er glaube, dass die letzte Wahl «gestohlen» wurde. Aber in die offene Konfrontation mit Trump hat er sich noch nicht gewagt. Sein Kommunikationschef für die Wiederwahlkampagne, Stephan Lawson, gab gegenüber ABC vor wenigen Wochen Folgendes zu Protokoll:
Im Unterschied zum Ex-Präsidenten versteht es der Mann aus Florida zumindest, aufzufallen, ohne ausfällig zu werden.
Trotz allem ist DeSantis aber ein softer Trump-Klon, was seine Politik angeht. Der ehemalige republikanische Kongressabgeordnete David Joll schrieb in der «Washington Post» im September:
So blies DeSantis während der schlimmsten Tage der Covid-19-Pandemie ins Rohr der Masken-Gegner. Der «Free State of Florida» solle unabhängig von unsinnigen Restriktionen aus Washington bleiben, sagte DeSantis. Jeder solle frei entscheiden können, was er für die eigene Gesundheit tun möchte.
Seine Ansichten im Bildungswesen sind erzkonservativ: Er stand hinter einem Vorstoss zum Verbot neuer Mathematikbücher in seinem Bundesstaat und unterzeichnete einen umstrittenen Gesetzentwurf für Florida, der die Diskussion über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität in öffentlichen Schulen einschränkt – und den Übernamen «Don't Say Gay»-Gesetz trägt. Seit DeSantis Gouverneur ist, dürfen Transgender-Kinder nicht mehr am Mädchensport teilnehmen. Mädchen sollten Mädchensport machen und Jungen eben Jungensport. Neuerdings müssen Studenten und Professoren an Unis ihre politischen Präferenzen angeben, damit «unterschwelligen linken Ideologien» in der Lehre der Boden entzogen werden könne.
Der Katholik DeSantis mischte sich auch in die Diskussionen über die Abtreibungsdebatte ein: Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im Juni das bundesweite Abtreibungsrecht aufgehoben hatte, versprach DeSantis, «den Schutz des Lebens in Florida auszuweiten». Und er unterzeichnete ein Verbot von Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche – ohne Ausnahmen für Vergewaltigung oder Inzest. Es werde erwartet, dass der republikanische Gouverneur in naher Zukunft ein Heartbeat-Gesetz anstrebe, das die meisten Abtreibungen nach sechs Wochen verbietet, schreiben mehrere US-Zeitungen.
Im September geriet DeSantis in die Kritik, weil er ahnungslose Migranten in einem – in den Augen vieler Kritiker grausamen – politischen Trick per Flugzeug in den reichen, demokratischen Ort Martha's Vineyard im demokratischen Massachusetts abschieben liess, um dem rechten Flügel der Einwanderungsgegner entgegenzukommen. Er bezeichnete die Aktion als «Umsiedlungsaktion». Das Finanzministerium untersucht, ob er dazu Bundesmittel für die Pandemiehilfe missbraucht hat.
Vieles, was DeSantis sagt, sollte man nicht auf die Goldwaage legen, denn genau wie Trump neigt der erzkonservative Politiker dazu, zu lügen oder zu übertreiben. Das amerikanische journalistische Recherche- und Überprüfungsprojekt Politifact hat viele seiner öffentlichen Aussagen als «falsch» oder «grösstenteils falsch» entlarvt.
Trotz all dieser Positionen sagt Joll, dass Trump seinen Kritikern oder politischen Gegnern gegenüber kein Pardon zeige, während DeSantis wenigstens versuche, die Politik immer in den Vordergrund zu stellen, wenn die Gelegenheit es erfordere. So lobte der regelmässig krakeelende Biden-Kritiker DeSantis den aktuellen Präsidenten Joe Biden dafür, dass er im Vorfeld des Hurrikans Ian den Notstand ausgerufen hat – und somit Bundesmittel für Florida freigegeben wurden, damit die Behörden ihre Hilfsmassnahmen koordinieren konnten.
Die Wiederwahl von DeSantis könnte für die Rivalität in Hinsicht auf die Präsidentschaftswahlen Einfluss haben. Die Amerika-Expertin der Universität St.Gallen, Claudia Franziska Brühwiler, sagt gegenüber watson:
Trump hat bei den aktuellen Midterm-Wahlen übrigens bekannt gegeben, dass seine Stimme ebenfalls an DeSantis gegangen sei.
In Anbetracht von Berichten, dass der Groll unter der Oberfläche schwele, bleibt abzuwarten, wie lange Trump und DeSantis einen offenen Konflikt über die Führung ihrer Partei vermeiden können. watson-Analyst Philipp Löpfe schreibt:
Das ist eigentlich ein wichtiger Grund, das klonen zu verbieten.