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Vittel fürchtet um sein Wasser – Einwohner sind sauer auf Nestlé

Vittel-Mineralwasser ist ein Exportschlager.
Vittel-Mineralwasser ist ein Exportschlager.bild: shutterstock.com

Vittel fürchtet um sein Wasser – Einwohner erheben bittere Vorwürfe gegen Nestlé

03.06.2018, 13:4203.06.2018, 14:53
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«Vittel» ist in unseren Breitengraden so etwas wie ein Synonym für Wasser. Doch nun fürchten die Einwohner der gleichnamigen französischen Gemeinde um ihre Lebensquelle.

Jedes Jahr sinkt der Grundwasserspiegel in der Gemeinde um 30 Zentimeter, wie der Tages-Anzeiger berichtet. Eine Ursache sei laut dem französischen Bergbauamt, dass der Regen nur langsam durch die Gesteinsschichten sickere. Die andere Ursache: «Eine starke Konzentration von Entnahmen», insbesondere durch Unternehmen wie Nestlé und eine lokale Grosskäserei.

Der Nahrungsmittelgigant Nestlé, grösste Steuerzahlerin in der Region, besitzt die Quelle Grande Source in Vittel seit Ende der 60er-Jahre. Eine Million Kubikmeter Wasser darf Nestlé pro Jahr abpumpen, das entspricht etwa dem jährlichen Mineralwasserkonsum der Schweiz, wie der Beobachter schreibt.

«Das ist so, als würde man Menschen, die am Atlantik wohnen, zwingen, in einem Pool zu baden mit Wasser aus dem Mittelmeer.»
Anwohner im ZDF-Interview

Doch nun gehen Umwelt- und Konsumentenschützer auf die Barrikaden: «Wir fordern einen Stopp der Wasserförderung durch Nestlé», lässt sich Jean François Fleck, Präsident der lokalen Umweltschutzorganisation Vosges Nature Environnement, im «Beobachter» zitieren.

Und ein Schäfer aus dem Dorf klagt im ZDF-Politmagazin «Frontal 21»: «Die Einwohner unseres Dorfes leiden unter Wassermangel. Und zwar so extrem, dass der Bürgermeister gezwungen ist, im Sommer mit einem Tankwagen Wasser von ausserhalb holen zu lassen.» Es sei stossend, wenn Nestlé gleichzeitig munter Wasser abpumpe, so das Echo.

Der geplante Bau einer Pipeline, mit dem Wasser aus anderen Gegenden nach Vittel transportiert werden soll, heizt den Streit zusätzlich an. «Das ist so, als würde man Menschen, die am Atlantik wohnen, zwingen, in einem Pool zu baden mit Wasser aus dem Mittelmeer. Das ist lächerlich», so ein Anwohner.

Nestlé weist Vorwürfe zurück

Nestlé wehrt sich im «Tages-Anzeiger»: Jeder Bewohner von Vittel könne unbegrenzt Mineralwasser aus dem Wasserhahn beziehen, Engpässe gebe es nicht. Eine Sprecherin verweist auf ein Programm zur Wassereinsparung, das Nestlé initiiert hat: «Mit diesem haben wir unsere jährliche Entnahme bereits um ein Viertel, das heisst um 250'000 Kubikmeter pro Jahr verringern können.»

Die Pipeline ist laut Nestlé eines von mehreren langfristigen Szenarien, die derzeit geprüft werden. «Wir werden uns für die Lösung einsetzen, die unserer Meinung nach einen nachhaltigen Schutz der Ressource Wasser gewährleistet.»

Wie das ZDF weiter berichtet, ermittelt die Justiz derzeit gegen eine Lokalpolitikerin der Stadt Vittel. Die Frau, die mit einem hohen Nestlé-Kader verheiratet ist, soll die Interessen des Konzerns über jene der Bürger gestellt haben. Nestlé Waters bestätigt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», Kenntnis von der Untersuchung zu haben, weist den Vorwurf des Interessenkonflikts aber «entschieden zurück».

(jbu)

Ein globales Thema in den Händen weniger Branchenriesen

Video: srf/SDA SRF
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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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der nörgler
03.06.2018 14:23registriert Januar 2014
Wer den Film bottled water gesehen hat, hört sofort auf Mineralwasser zu trinken und tut der Welt damit einen Riesengefallen. Was Nestle und Konsorten in Afrika seit Jahren abziehen ist eine Riesensauerei. Dagegen ist diese Story ein Weihnachtsmärchen.
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spaljeni
03.06.2018 14:58registriert Januar 2017
«Wir werden uns für die Lösung einsetzen, die unserer Meinung nach einen nachhaltigen Schutz der Ressource Wasser gewährleistet.»

Sagt der Konzern, der das Trinkwasser auf der Welt privatisieren möchte, um noch mehr Profit zu machen!! *heuchel*
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Roman Stanger
03.06.2018 14:22registriert Februar 2018
Naja, im Grunde ist es aber genauso lächerlich, wenn Menschen, die zum Beispiel in Zürich wohnen und einen Wasserhahn im Haus haben, sich Wasser in Flaschen aus den Vogesen liefern lassen. Das tun sie nur wegen cleveren Marketingstrategien von Grosskonzernen wie Nestlé. Wenn die 5000 Vitteler also weiterhin ihre stolzen Steuereinahmen beibehalten wollen, dann sollten sie damit leben können, dass sie ihr Gebrauchswasser aus einer Pipeline aus einer weniger gut vermarkteten Gegend beziehen, was auch nicht lächerlicher ist als das Verhalten der Vittel-Kunden, denen sie ihren Einnahmen verdanken.
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