International
Wirtschaft

Kamala Crash: Donald Trump gibt Kamala Harris die Schuld am Börsencrash

This combination of photos taken at campaign rallies in Atlanta shows Vice President Kamala Harris on July 30, 2024, left, and Republican presidential candidate former President Donald Trump on Aug. 3 ...
Mit Kamala Harris hat Donald Trump schnell eine Schuldige gefunden. Bild: keystone
Analyse

«Kamala Crash» – warum es so absurd ist, wenn Trump Harris die Schuld am Börsencrash gibt

Donald Trump will Kamala Harris die Schuld am globalen Börsencrash der letzten Tage in die Schuhe schieben. Das ist komplett absurd – wie diese (mindestens) vier Punkte zeigen.
06.08.2024, 19:50
Mehr «International»

Seit Wochen läuft es für Donald Trump nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. In den Umfragen wurde er mittlerweile von Kamala Harris überholt, sein Vize J.D. Vance hat nun bald alle wichtigen Wählergruppen verärgert und sein Team tut sich bisher schwer, die Kampagne auf die neue Gegnerin wirksam umzuschwenken.

Entsprechend lässt Trump keine Gelegenheit aus, der Wählerschaft aufzuzeigen, welches «Ungemach» droht, sollte die Gegnerseite gewinnen. In seiner Logik kommt so ein Börsencrash gerade recht. Und Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht bereits einen passenden Spruch in petto hätte – nicht mal eine Stunde nach Eröffnung der US-Börse am Montag war der Ausdruck «Kamala Crash» geboren.

Trump auf Truth Social, 5. August 2024
Donald Trump am Montag auf seiner Plattform Truth Social. Bild: screenshot truth social

Nach gütiger Mithilfe des Organisationsgremiums der Republikanischen Partei (NRC) trendet #KamalaCrash denn auch schon auf den Sozialen Medien. (Ähnlich oft sieht man derzeit übrigens Trumps neuen Spitznamen für Kamala Harris selber: «Kamabla». Was genau es damit auf sich hat und ob sich der Übername durchsetzen wird, ist noch unklar.)

Natürlich gibt es eine Strategie hinter dem Angriff. Sie ist schnell erklärt: Trump und sein Team setzen alles daran, Harris so eng wie möglich in Verbindung mit Joe Biden zu setzen. Sie wird als Vertreterin der aktuellen Regierung deren wirtschaftliche Entscheidungen erklären müssen, die wiederum – allerdings primär in Trumps Augen – direkt die Börsenmärkte beeinflussen.

Noch ist unklar, wie der Börsensturz einzuschätzen ist. Einige sehen darin eher eine erwartete Korrektur als einen langanhaltenden Crash. Positive Signale gab es zumindest aus Japan, wo die Börse am Dienstag bereits wieder historisch zulegen konnte. Und auch die amerikanischen Indizes öffneten im Plus. Andere wiederum befürchten, das Gerumpel könnte lediglich der Anfang sein. Die Börsen in Europa jedenfalls waren sich am Dienstag noch nicht sicher, wohin die Reise geht.

Wie auch immer die nächsten Tage aussehen: Das Börsen-«Sommergewitter» bot den Trumpisten gerade den lange erhofften Impuls für ihre Kampagne. Während Expertinnen und Analysten unterschiedliche, teils auch voneinander unabhängige Gründe für die Kursverluste aufzeigen, ist für den Ex-Präsidenten alleine Kamala Harris schuld. Das zeigt sich an Trumps Salve an Truth-Social-Posts in den letzten Stunden:

Ein Auszug seiner Posts:

1 / 8
Donald Trump gibt Kamala Harris die Schuld am Börsencrash
KAMALA IST INKOMPETENT!!!
quelle: screenshot truth social
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Memes und Foto-Collagen von Trump-Anhängern, die Kamala Harris vor einer roten Wand mit Negativzahlen zeigen, fluten derweil die Sozialen Medien:

Einen amtierenden Präsidenten – geschweige denn seine Vize-Präsidentin – für einen (von nicht wenigen erwarteten) globalen Börsensturz verantwortlich zu machen, ist absurd. Dass gerade Trump das tut, ist eigentlich noch viel absurder. Aus folgenden vier Gründen:

Ein Präsident hat kaum Einfluss auf den Börsenkurs

Die jüngsten Turbulenzen an den Börsen seien lediglich «eine Erinnerung daran, dass Investoren nicht besser sind als hyperaktive Erstklässler, die Reise nach Jerusalem spielen und immer versuchen, den anderen genau dann zuvorzukommen, wenn die Musik aufhört.» So sagte es kürzlich ein Analyst gegenüber CNN. Mit anderen Worten: In vielen Fällen tendiert der Börsenmarkt zu Überreaktionen, die eine ebenso schnelle Korrektur zur Folge haben. Wieso? «Nun, das ist einfach die Art und Weise, wie die Wall Street Dinge tut.» (CNN)

Tatsächlich können kurzfristige Rallyes oder Crashes durch News aus der Wirtschaft ausgelöst oder verstärkt werden. Substanzielle Bewegungen an der Börse ergeben sich aber durch eine Unmenge an Variablen, die definitiv nicht von einem Menschen alleine beeinflusst werden können. Inwiefern der Kurssturz an der japanischen Börse (ausgelöst indirekt durch eine Leitzinserhöhung), der den Wallstreet-Crash mitunter beeinflusste, mit der Regierung Biden/Harris zusammenhängt, müsste Trump demnach noch erklären.

Der grösste Crash fand unter Trump selber statt

Selbst wenn der Ex-Präsident recht hätte und die Leistung eines Präsidenten den Börsenkurs direkt beeinflusst, dann wäre er selbst wohl einer der schlechtesten Präsidenten, die es je gab.

Am 16. März 2020 (als Trump noch Präsident war) fiel der Dow Jones um fast 3000 Punkte respektive fast 13 Prozent und verzeichnete damit den grössten Punktrückgang aller Zeiten sowie den grössten prozentualen Rückgang an einem Tag seit dem Börsencrash von 1987. Nachdem der US-Aktienindex S&P 500 am 19. Februar 2020 ein Allzeithoch erreicht hatte, fiel er bis zum 23. März um 34 Prozent – einer der stärksten Rückgänge in der Geschichte.

«Das ist der Trump-Börsenmarkt» – sagte er selbst

Im Januar 2024, als die Börse einen weiteren Rekord verbuchte, postete der 78-Jährige folgendes auf seiner Plattform:

«DAS IST DER TRUMP-BÖRSENMARKT, WEIL MEINE UMFRAGEN GEGEN BIDEN SO GUT SIND, DASS DIE INVESTOREN ANTIZIPIEREN, DASS ICH GEWINNE.»
Donald Trumps Post ist in vielerlei Hinsicht schlecht gealtert.

Seine neusten Posts auf Truth Social zeigen damit einmal mehr: Positive Entwicklungen auf dem Markt verbucht Donald Trump als Erfolg für sich selbst (auch wenn er gar nicht mehr Präsident ist), bei negativen Anzeichen wird die Regierung Biden-Harris verantwortlich gemacht.

Das macht in seiner Logik Sinn, denn sich selbst in Verbindung mit den Aktienkursen zu setzen, war eigentlich von Beginn weg keine gute Idee – eben weil diese nicht beeinflusst werden können. Im Laufe der Geschichte hätten es Politiker darum stets vermieden, «ihr Schicksal an die Börse zu koppeln, um ein Signal für ihre Politik zu setzen, denn der Markt geht immer auf und ab», erklärt der Chef-Ökonom von Moody's gegenüber CNBC.

Die Börse kann den meisten Amerikanern ziemlich egal sein

Trumps Vorwürfe erscheinen noch viel absurder, wenn man sich die Vorgeschichte seiner Obsession mit dem Börsenmarkt anschaut. Trump ist bekannt für seinen «langjährigen Fokus auf Aktienindizes als Barometer für die wirtschaftliche Gesundheit und sogar als Ersatz für Umfragen – ein Mass für seine eigene Leistung und Popularität», schreibt die «New York Times».

Er zeigt dabei einmal mehr, wie wenig ihm die durchschnittliche US-Amerikanerin am Herzen liegt – und wie stark er auf einfache, plumpe Zahlen aus der grossen Wall-Street-Welt fixiert ist.

Schliesslich ist es mitnichten eine Mehrheit der US-Bürger, welche die – kurzfristigen – Veränderungen der Börse wirklich interessieren dürfte. Es sind vor allem Grossanlegerinnen, Börsenspekulanten und, wie besonders in letzter Zeit, die Inhaber von Tech-Aktien, die viel zu gewinnen oder verlieren haben. Was die allermeisten Menschen wirklich interessiert, ist, wie viel sie für Lebensmittel bezahlen müssen – also, wie hoch die Inflation ist.

Fazit: Mit «Es ist kompliziert» lässt sich schlecht Wahlkampf betreiben

Trumps Posts übermitteln eine fast schon kindische Freude am Börsensturz der letzten Tage. Sie zeigen auf eine absurde Art und Weise, wie wichtig schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft für den Herausforderer der Präsidentenpartei sind. Denn, und das wissen inzwischen die meisten: It's the economy, stupid. Es wird die Lage der Wirtschaft sein, die über die Wahlen im November entscheidet.

Tatsächlich könnten (vermeintliche) Hiobsbotschaften, seien sie noch so komplex zu bewerten, die «Honeymoon-Phase», in der sich Kamala Harris in diesem Wahlkampf seit Beginn befindet, jäh beenden. Das weiss auch die Vize-Präsidentin selber.

Harris' Team liess darum mit einem Gegenschlag nicht lange auf sich warten: «Was die Familien der Mittelklasse brauchen, ist eine beständige wirtschaftliche Führung und keine chaotischen Lügengeschichten», sagte Ammar Moussa, ein Sprecher der Harris-Kampagne, in einer Erklärung. Und weiter:

«Donald Trump hatte die schlechteste Arbeitsmarktbilanz aller modernen Präsidenten und überwachte einige der schlechtesten Börsentage in der Geschichte, während er seine Präsidentschaft damit verbrachte, die Taschen seiner reichen Freunde zu füllen, die amerikanische Arbeitsplätze nach Übersee verlagert haben. Wirtschaftsexperten sind sich einig: Seine Pläne würden die Kosten für arbeitende Familien um 2500 Dollar pro Jahr erhöhen und die Inflation in die Höhe treiben.»

Harris' Problem ist allerdings, dass eine Mehrheit der Amerikaner glaubt, die Wirtschaft befinde sich in einer Rezession. Das zeigen Umfragen immer wieder aufs Neue, obwohl die Statistiken eigentlich das Gegenteil zum Ausdruck bringen: Das Wirtschaftswachstum war in der ersten Jahreshälfte erstaunlich hoch, das Beschäftigungswachstum ist trotz der Verlangsamung der Schaffung von Arbeitsplätzen im Juli relativ stark geblieben – und die eben so wichtige Inflation ist nach langer Zeit auf vergleichsweise normalere Raten gesunken.

Bis zu den Wahlen kann aber noch vieles geschehen. Die US-amerikanische Notenbank Fed hat in Aussicht gestellt, im September erstmals wieder die Leitzinsen zu senken. Das könnte den Rezessionsängsten vieler Anlegerinnen und Investoren entgegenkommen, gleichzeitig steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Preise nicht noch weiter sinken.

Zwar entscheidet die Notenbank komplett unabhängig von der Regierung, auch wenn Donald Trump seine Anhänger, falls für ihn dienlich, vom Gegenteil überzeugen würde. Doch die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind nun mal komplex. Und mit «Es ist kompliziert» lässt sich schlecht Wahlkampf betreiben. Fette, rote Zahlen auf einer grossen Anzeige bieten da eine deutlich einfachere Alternative – sei das Argument noch so absurd.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
110 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Macca_the_Alpacca
06.08.2024 21:45registriert Oktober 2021
Trump kann gar nix. Er ist ein narzisstisch perverser Greis, der nicht aus sich selber leisten kann. Er kann immer nur anderer angreifen. Zeit für ihn sich in stationäre Behandlung zu begeben.
1247
Melden
Zum Kommentar
avatar
Liebu
06.08.2024 21:24registriert Oktober 2020
Im Januar 2024, als die Börse einen weiteren Rekord verbuchte, postete der 78-Jährige folgendes auf seiner Plattform:

«DAS IST DER TRUMP-BÖRSENMARKT, WEIL MEINE UMFRAGEN GEGEN BIDEN SO GUT SIND, DASS DIE INVESTOREN ANTIZIPIEREN, DASS ICH GEWINNE.»

Dann heisst das ja jetzt nicht anderes als dass Trumps in den Umfragen schlecht ist und verlieren wird.
So gesehen hätte der Crash ja sogar etwas gutes, wenn sich das bewahrheitet.
1143
Melden
Zum Kommentar
avatar
R. J.
06.08.2024 21:26registriert September 2019
Alles was von Trump kommt ist absurd. Da achte ich schon gar nicht mehr drauf
1128
Melden
Zum Kommentar
110
    Florida und Wisconsin sind der erste Härtetest für Trumps Politik
    Am Dienstag finden in zwei US-Bundesstaaten wegweisende Wahlen statt. Die Demokraten hoffen auf eine Trendwende. Andernfalls dürfte Donald Trump erst recht nicht zu bremsen sein.

    Seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Monaten mischt Präsident Donald Trump die amerikanische Politik in einer Weise auf, wie man sie wohl noch nie gesehen hat. Die Demokraten verfolgen sein Treiben macht-, hilf- und orientierungslos. Entsprechend schlecht ist das Image der Opposition beim US-Wahlvolk. Nun aber eröffnet sich ihr eine Chance.

    Zur Story