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Wie Robert Habeck vom Superstar zum Sündenbock wurde

epa10991417 German Economy and Climate Minister Robert Habeck speaks during the annual Federal Delegates Conference in Karlsruhe, Germany, 23 November 2023. The 49th annual Federal Delegates Conferenc ...
Bild: keystone
Analyse

Das Leiden der Deutschen an Robert Habeck

Wie der Wirtschaftsminister vom Superstar zum Sündenbock geworden ist.
09.01.2024, 17:24
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So lange ist es nicht her, da war Robert Habeck der beliebteste Politiker Deutschlands. Die Grünen bedauerten, dass sie nicht ihn, sondern die im Wahlkampf unglücklich agierende Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin erhoben hatten. Sonst, so jammerten sie, sässe nicht Olaf Scholz, sondern ihr Vertreter im Kanzleramt.

Heute muss man in der periodisch erhobenen Beliebtheits-Hitparade der deutschen Politiker weit nach unten scrollen, bis man auf den Namen Robert Habeck trifft. Der ehemalige Star ist zu einem verschmähten Paria geworden, von dem jede und jeder glaubt, seine dreckigen Schuhe an ihm abputzen zu dürfen.

Der Bauern-Mob schlägt zu

Zuletzt hat dies eine Horde wütender Bauern getan. Sie haben im kleinen Hafenort Schlüttsiel in Schleswig-Holstein den Wirtschaftsminister daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. Habeck kehrte von einem kurzen Weihnachtsurlaub auf einer nahe gelegenen Insel zurück. Mit den protestierenden Bauern – oder zumindest mit einer Delegation von ihnen – hätte er gerne diskutiert, doch die Polizei riet ihm davon ab. Zu gefährlich sei der Bauern-Mob, lautete die Einschätzung der Lage.

Das Verhalten des Bauern-Mobs war selbst für diejenigen zu viel, die sonst mit Gusto auf Habeck einprügeln. «Die Aktion der Bauern verschärft das Diskussionsklima in Deutschland in einer Weise, die an das tief gespaltene Amerika oder auch an Frankreich erinnert», kommentierte die NZZ und hielt dabei auch fest, Habeck habe sich als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein seinerzeit auch «bei den überwiegend nicht grün wählenden Landwirten sogar einigen Respekt erarbeitet».

Tatsächlich ist Habeck als Beispiel eines elitären Politikers, der den Bezug zum kleinen Mann verloren habe, denkbar ungeeignet. Der Wirtschaftsminister biedert sich zwar nicht beim Volk an, wie dies Rechtspopulisten zu tun pflegen. Doch er wirkt nie arrogant oder abgehoben und äussert sich in der Regel klar und überlegt. Sein Video zum Krieg in Nahost gehört zum Besten, das ein Politiker in dieser heiklen Angelegenheit hat verlauten lassen.

Trotzdem führen protestierende Bauern derzeit Strohpuppen an Galgen mit, die wahlweise Habeck oder dessen Parteikollegen, den Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, symbolisieren sollen. Sie grölen dabei die seit den Wir-sind-das-Volk-Protesten in Dresden oder den Schwurbler-Demonstrationen sattsam bekannten Parolen gegen Eliten und «Lügenpresse».

epa11064335 A banner hangs on a tractor that reads 'Dear consumer! We love foods. You too?' (L) as farmers drive their tractors on federal road B1 during a nationwide farmers' strike ne ...
Bauernproteste in allen Teilen von Deutschland.Bild: keystone

Gleichzeitig wird die Behauptung vom schweren Los einer von der Ampel-Regierung geknechteten Bauernschaft verbreitet, dies, obwohl es sich dabei gemäss von Einschätzung der Fachleute um eine üble Lüge handelt. Die offiziellen Vertreter der Bauern distanzieren sich zwar vom rechten Mob, doch an ihren Forderungen halten sie fest und wollen die Demonstrationen weiterführen, bis diese erfüllt sind.

Worum geht es? Weil das Verfassungsgericht untersagt hat, die Überschüsse aus dem Corona-Fonds für Investitionen in den ökologischen Umbau der Gesellschaft zu verwenden, ist die Regierung zu einem harten Sparprogramm gezwungen worden. Davon sind auch die Bauern betroffen, wenn auch nur marginal. Die Regierung hat bereits den grössten Teil der ursprünglich erhobenen Sparmassnahmen wieder zurückgenommen, beim subventionierten Agrardiesel hingegen will sie festhalten.

Die Bauern wollen jedoch den grassierenden Unmut über die Ampel-Regierung ausnutzen, um alle ihre Ziele zu erreichen. Dieser Unmut mag zumindest teilweise berechtigt sein. Auch der Wirtschaftsminister wirkte zeitweise alles andere als souverän, insbesondere beim umstrittenen Heizungsgesetz, wo er auf blamable Art und Weise zurückkrebsen musste, um wenigstens ein Teilziel zu erreichen.

Doch die Probleme Deutschlands liegen derzeit primär nicht bei einer inkompetenten Regierung. Vielmehr besteht die Krux darin, dass diese Regierung – und vor allem der Wirtschaftsminister – Dinge unter einen Hut bringen muss, die sich nun mal nicht unter einen Hut bringen lassen.

epa11065415 A truck is decorated with a banner reading 'The 'Ampel' (German government traffic light coalition) must go!' during a nationwide farmers' strike, in Berlin, Germa ...
Protest gegen die Ampel-Regierung.Bild: keystone

So wünschen sich die Deutschen einen ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Völlig zu Recht, denn die Klimaerwärmung ist zur langfristig bedeutendsten Herausforderung dieses Jahrhunderts geworden. Ein solcher Umbau lässt sich jedoch nicht mit einem normalen Staatshaushalt stemmen. Deshalb sind beispielsweise die USA und Frankreich bereit, höhere Staatsausgaben zu akzeptieren und so diesen Umbau zu finanzieren.

In Deutschland hingegen hat das Verfassungsgericht genau dies mit Bezug auf die Schuldenbremse – zwar juristisch korrekt, aber ökonomisch unsinnig – verhindert. Mit einer «schwarzen Null» ist der notwendige Umbau nicht zu schaffen, zumal auch die deutsche Wirtschaft sich derzeit zwar nicht in einer Krise, doch zumindest in einem Formtief befindet. Das hat auch Habeck im vergangenen Herbst gegenüber dem «Economist» eingeräumt.

Aus heutiger Sicht war es wohl ein Fehler, dass die Ampel-Regierung den Anspruch erhoben hat, ökologischen Umbau und Schuldenbremse unter einen Hut zu bringen. Dafür erhält sie heute die Quittung und Habeck ist zum bevorzugten Buhmann geworden, auf den alle eindreschen. Der Bauern-Mob geht dabei entschieden zu weit – und lässt so böse Erinnerungen an längst überwundene Zeiten wieder wach werden.

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237 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Madison Pierce
09.01.2024 18:19registriert September 2015
Habeck ist einfach der Sündenbock. CDU/CSU und auch die AfD waren für die Streichung der Subventionen. Jetzt, wo es Proteste gibt, wechseln sie sofort die Seite. Opportunisten ohne Rückgrat.

Über das wirkliche Problem wird leider viel zu wenig gesprochen. Die Deutschen wollen täglich Fleisch essen, Geiz ist geil, man will fast nichts bezahlen für Lebensmittel. Gleichzeitig beharren die Discounter auf ihrer hohen Marge und pressen die Bauern aus. Tierhaltungsstandards steigen langfristig.

Würde man die Bauern für ihre Produkte fair bezahlen, bräuchten sie keinen subventionierten Diesel.
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Snowy
09.01.2024 17:54registriert April 2016
Gemäss einer aktuellen INSA Studie unterstützen 69% (!)der Deutschen die aktuellen Bauernproteste.

Ob sich die Mehrheit der deutschen Bürger wirklich einen "ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft" wünschen, wage ich angesichts dieser Zahlen zu bezweifeln
(so sehr ich es mir persönlich auch wünschen würde).

Diesen Herbst wird es bei den Wahlen ein ganz böses Erwachen geben...
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Rockhound
09.01.2024 17:46registriert September 2023
Ach, die Rechten hacken auf einem Linken herum. Was für Neuigkeiten. Die Rechtsbürgerlichen in Deutschland haben das Land in den letzten Jahren total heruntergewirtschaftet, aber natürlich muss ein Linker den Kopf hinhalten.
Das ist ähnlich in der Schweiz, auf Baume-Schneider wird herumgehackt, in der Hoffnung, wir würden damit von Röstis Unfähigkeit abgelenkt.
Habeck ist ein guter Mann, darum sind die Rechtspopulisten gegen ihn.
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