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Natürlich ist es absurd, verbieten zu wollen, dass Schweizer Schülern ein Wurstsalat zum Mittagessen serviert wird. Doch genauso absurd ist es, daraus eine Staatsaffäre machen zu wollen. Jede Firmenkantine bietet heute eine Menüauswahl inklusive vegetarischer Variante an. Das sollte eigentlich auch ein Caterer für eine Schulkantine leisten können.
Doch ist es auch Irrsinn, so hat es Methode. Die SVP weiss, dass sie mit ihrer Cervelat-Aktion zwei Fliegen auf einen Schlag trifft: Sie schürt einmal mehr die Hetze gegen Muslime und sie heizt gleichzeitig Verunsicherung an, was man heute noch essen soll, beziehungsweise darf.
Wer zur Babyboomer-Generation gehört, hatte zumindest diesbezüglich kein Problem. In der Nachkriegszeit assen Kinder noch, was auf den Tisch kam, und auf den Tisch kam, was schon die Grossmutter gekocht hatte. Niemand dachte auch nur im Traum daran, den Sonntagsbraten oder die Freitagswähe in Frage zu stellen.
Heute hingegen ist diese Selbstverständlichkeit dahin. Ob Fleisch oder Gluten, Zucker oder Nüsse, alles wird hinterfragt, weil es entweder gegen die Gesundheit oder eine moralische Norm verstösst. Das Resultat ist Paradox: Fett- und Magersucht grassieren. Wir sind, wie es der US-Essenjournalist Michael Pollan treffend formuliert, «Menschen mit einer ungesunden Obsession für gesundes Essen geworden».
Essen ist fundamental und unsere Obsession mit dem Essen ist eine fundamentale Verunsicherung. Aus Kindern, die nicht mehr wissen, was sie essen dürfen, werden Studenten, die nicht mehr wissen, was sie denken sollen.
An US-Universitäten führt dies bereits zu grotesken Auswüchsen. Literaturprofessoren streichen Shakespeares Klassiker «The Merchant of Venice» von der Liste, weil er angeblich antisemitisch sei. Jus-Studenten werden nicht mehr mit dem Thema Vergewaltigung konfrontiert, um Ängste zu vermeiden. «Mit diesem aus dem Ruder gelaufenen Kinderschutz wird den Studierenden eine psychische Fragilität attestiert, in der der kleinste Dissens als ‹traumatisierend› gilt», kommentiert die «NZZ» dieses Phänomen.
Was als Schutz für Minderheiten gedacht wird, erreicht genau das Gegenteil. Donald Trump hat den Kampf gegen die politische Korrektheit zu seinem Markenzeichen gemacht. Kein Steak kann zu blutig, keine Beleidigung von Minderheiten oder Frauen zu krass sein.
Auf den verschiedensten Onlineforen wird der Kampf gegen die politische Korrektheit auf die Spitze getrieben. Weil die Medien angeblich zu einer «Lügenpresse» und die Politiker zu einer korrupten Elite verkommen sind, ist alles erlaubt: Hetze, Verunglimpfung und das Verbreiten von krassen Unwahrheiten. Wie sagt es unser Westentaschen-Trump Andreas Glarner doch so schön: «Mein Gott, ist doch nicht so schlimm, dass es eine Falschinformation war!»
Die Verunsicherung, die mit dem Essen – und damit beim banalsten Bedürfnis überhaupt – beginnt, führt zu einer Relativierung aller Erkenntnisse und Werte. Für jede Studie gibt es eine Gegenstudie. Vielleicht ist rotes Fleisch krebserregend, vielleicht auch nicht. Vielleicht die Klimaerwärmung gefährlich, vielleicht auch nicht. Und überhaupt sind Wissenschaftler gekauft, Teil des Mainstreams oder gar einer internationaler Verschwörung irgendwelcher Art.
Anstatt Meinungs- und Kulturvielfalt entsteht so die totale Relativierung, und das können Menschen nicht durchhalten. Sie brauchen etwas, worauf sie sich verlassen können. Die Anti-Political-Correctness-Propheten sind daher gleichzeitig auch Verkünder einfacher Patentlösungen und scheinbar bewährten Werten. Wo das hinführt, wissen wir. Deshalb sollten die Cervelats zurück in die Schulmensa – und zwar so schnell wie möglich.