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Da sitzen ein paar Elektropopper in Genf und denken sich, dass es echt nett wäre, mal was von Beyoncé zu covern. Zum Beispiel «Crazy in Love». Das ist im März 2013. Doch dann kommt alles ganz anders.
Am 30. Juli 2013 stellt die Band Kadebostany ihre «Crazy in Love»-Fassung auf YouTube. Und erhält umgehend Bescheid, dass alles okay sei, dass sie ihr Cover ungeniert kommerzialisieren dürfe. Im Frühling 2014 meldet sich eine Produktionsfirma und will Kadebostanys Fassung für einen «Blockbuster» reservieren. Die Produktionsfirma hat viele musikalische Zusatzwünsche, die Band erfüllt sie alle. Denn: Sie erfahren, dass es sich bei dem Blockbuster um «Fifty Shades of Grey» handelt. Sicher sind sie sich da ihrer Sache allerdings noch nicht, aber hoffnungsfroh.
Im August 2014 erscheint der erste «Fifty Shades»-Trailer. Und Kadebostany hört völlig verblüfft, wie Beyoncé «Crazy in Love» singt. Ab Minute 1:28 in der Cover-Version von Kadebostany. Tempo, Drums, Gitarre, alles so, wie es Kadebostany neu arrangiert hatte. Und am Ende, als der Film ins Kino kommt, natürlich ohne irgendeine Erwähnung. Kein «rearranged by» im Abspann, nichts.
Die Genfer haben – im Gegensatz zum Basler Jazzer Bruno Spoerri – weder Energie noch Geld für einen Rechtsstreit. Ihr Anwalt ist zum Glück die Zeit: Da Beyoncés Metacover ausserhalb des Filmtrailers lang nicht auf YouTube erhältlich ist, Kadevostanys Version dagegen schon, verbreitet sich Letztere in kurzer Zeit 25 Millionen Mal. Die alten Kadebostany-Fans sind sauer, viele neue kommen hinzu, es wird diskutiert wie wild. Geld gibt's dafür natürlich keines. Aber ein bisschen Fame.
Doch kehren wir noch einmal zum Fall Piponcé zurück. Zu jener Sequenz in Beyoncés Video-Epos «Lemonade», die vielleicht bei Pipilotti Rists «Ever Is Over All» abgeschaut sein könnte. Worum handelt es sich jetzt hier genau? Um Klau? Oder um eine Hommage (pardon, Femmage), einen Tribut, eine Liebeserklärung, eine Verneigung, ein Zitat, eine Popkultur-Pastiche? Oder um eine «Aneignung», also um Appropriation Art?
Appropriation Art ist die coole Schwester von Stehlen. Es sei denn, man steht auf der Seite derer, deren Kunst angeeignet wird, braucht das Geld und kann nicht einmal eine Erwähnung zu Werbezwecken verwenden. All dies muss man im Fall von Pipilotti Rist, die zu den prominentesten Künstlerinnen der Welt zählt, zum Glück nicht befürchten.
Seems like twitter is craving this gif, so I made it:@Pipilotti_Rist 1997 <—> @Beyonce 2016 pic.twitter.com/1hcQnwNWgW
— Edgar Walthert (@eWalthert) 26. April 2016
Pipilotti spielt in der Kunst in der gleichen Liga wie Beyoncé in der Musik. Weshalb Piponcé auf den sozialen Medien unter #feministart auch schon als Verschmelzung zweier Heldinnen, als Doppelspitze feministischer Kunst-Power gefeiert wird. «Smash car windows» bedeutet schliesslich soviel wie «smash patriarchy».
Mirjam Varadinis, die Kuratorin der weitherum alle verzückenden Pipilotti-Rist-Märchenwelt im Kunsthaus Zürich, zweifelt nicht an Beyoncés Aneignung. Zu vieles sei da «verblüffend ähnlich» sagt sie auf Radio SRF 2. Und: «Ich finde es eigentlich ganz schön und auch spannend, dass gerade bei Pipilotti Rist, bei der die Popkultur eine wichtige Rolle spielt, das Schaffen wieder in die Popwelt zurückfliesst.»
Das ist nicht besonders differenziert, stimmt aber grundsätzlich. Ohne «Happiness Is a Warm Gun» von den Beatles gäbe es kein «I'm Not the Girl Who Misses Much» von Pipilotti Rist. Und so weiter. Allerdings hat sie ihre Quellen nie verschwiegen. Nicht wie der nimmersatte absolutistische Königshof von Jay Z und Beyoncé, deren Gunst sich an der Vereinnahmung von Werken anderer ablesen lässt. Aber das war Pop ja schon immer. Pop lebt vom Zitieren, Verehren, Dissen. Pop ist – oft – eine parasitäre Kunstform.
So, wie Beyoncé jetzt auf «Lemonade» – angeblich – die Untreue ihres Gatten parasitär ausweidet. Und das Ganze in eine überwältigende Passionsgeschichte schwarzer Frauen in Amerika ausweitet. Und darin nicht nur Stars wie Serena Williams, Halle Berry und Winnie Harlow, das Model mit dem Schmetterlingsgesicht, auftreten lässt. Nein, da sind auch die Mütter der von Polizisten getöteten Trayvon Martin, Michael Brown und Eric Garner.
«Lemonade» ist genial. Ist die perfekte Verschränkung aus Leben und Politik. Und aus Kunst mit Kunst. Wahrscheinlich gibt es in der wundersamen Warenwelt des Pop aktuell kein klügeres Kreativteam als das von Beyoncé. Keines, das diskursmächtigere Werke schafft. Keines, das mehr Respekt einfordern darf.
Nur austeilen könnte es davon ruhig noch ein bisschen mehr. Vielleicht nicht an Pipilotti Rist, obwohl die Schwesternschaft von Piponcé eine unfassbar coole Vorstellung ist. Aber an all die Bruno Spoerris und Kadebostanys, die unerkannt in den Welthits von Jay Z und Beyoncé herumgeistern.