So simpel die Beweislage, so schwierig die Rechtslage: Das Dreiergericht kam zum Schluss, dass der 35-jährige Mann beim Sex mit der Escort-Dame in seiner Wohnung in Gelterkinden das Kondom heimlich entfernt habe. Es sei völlig klar gewesen, dass die Dienstleistung nur «mit Gummi» erbracht werde. Der Angeklagte selbst habe bestätigt, dass die Frau laut geflucht habe, als sie bemerkt habe, dass er ohne Kondom in sie eingedrungen sei.
«Ihr Verhalten ist in keiner Art und Weise im rechtlichen Sinne unbedenklich», sagte Gerichtspräsident Christoph Spindler dem Mann gleich zu Beginn der Urteilsbegründung.
Dennoch gab es einen Freispruch, weil die Tat nicht den Kriterien einer Schändung entspreche.Der Tatbestand der Schändung kommt üblicherweise zur Anwendung, wenn etwa Physiotherapeuten ihren Patientinnen überraschend an die Geschlechtsteile greifen. Wer derart überrumpelt wird, ist vorübergehend zum Widerstand unfähig, so die Logik.
Die zentrale Frage sei nun aber, ob man von Schändung sprechen könne, wenn der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattfinde, aber eine wesentliche Bedingung nicht eingehalten werde.
Anders als das Waadtländer Kantonsgericht verneinten die Baselbieter Richter diese Frage und kamen deshalb zu einem Freispruch. Der Geschlechtsverkehr kam für die Frau nicht überraschend, er sei vereinbart gewesen. Lediglich die Bedingungen dafür habe der Mann nicht eingehalten.
Ganz ungeschoren kommt der Mann allerdings nicht davon: Wie üblich beurteilten die Strafrichter auch gleichzeitig die zivilrechtliche Seite, und hier habe der Mann als Vertragspartner der Escort-Dame gegen die Bedingungen verstossen.
Von früheren Rechtsauffassungen punkto sittenwidrigen Verträgen mit Prostituierten wollte das Gerichts nichts wissen. «Solche Verträge sind nicht sittenwidrig, sondern geniessen den vollen Schutz des Privatrechts», betonte der Gerichtspräsident. Für die Behandlungskosten der Frau wird der Mann damit schadenersatzpflichtig.
Auch hatte die Frau eine Genugtuung von 15'000 Franken gefordert, das Gericht sprach ihr 2000 Franken zu. Spindler betonte, hätte die Rechtsbeiständin der Frau gravierendere Folgen belegt, wäre die Summe wohl höher ausgefallen.
Wegen des zivilrechtlichen Verschuldens muss der Mann die vollen Verfahrenskosten des Strafverfahrens sowie seine gesamten Verteidigerkosten übernehmen, insgesamt rund 20'0000 Franken.
Er ist allerdings bereits heute hoch verschuldet und auch mit der Alimente für seine Tochter in Rückstand. Auch erhält er für die vorläufige Festnahme durch die Polizei trotz des Freispruchs keine Haftentschädigung. Die Staatsanwaltschaft wollte sich noch nicht dazu äussern, ob sie den Freispruch weiterziehen will. Sie hat dafür eine Frist von zehn Tagen.
Der Gerichtspräsident betonte, eine weite Auslegung des Schändungstatbestandes schaffe neue Probleme: So werde in England darüber gestritten, ob jemand getäuscht werde, wenn er als Sexualpartner einen Mann erwartet habe, sich die Person aber als Transmensch entpuppe. Er erwähnte auch das Beispiel aus Israel, wo ein jüdischer Partner erwartet werde, dieser dann aber ein Muslim sei.
Christoph Spindler erwähnte auch den Nationalsozialismus, wo ein Arier keinen Sex mit einer Frau haben durfte, deren Grossmutter etwa jüdisch war. Auch könne man sich fragen, ob eine Schändung vorliege, wenn jemand eine Erbkrankheit verschweige oder ein Mann fälschlicherweise behauptet, er sei unterbunden.
«Ist es eine Schändung am Mann, wenn eine Frau sagt, sie mache HIV-Prophylaxe, sie aber nicht macht? Oder wenn sie heimlich die Pille absetzt? «Der Gesetzgeber muss zuerst Antworten darauf finden, bevor die Strafjustiz das zur Anwendung bringen kann», betonte Spindler. (tam/bzbasel.ch)