«Kleider shoppen bequem von zu Hause aus. Und wenn's dir nicht gefällt, schick's wieder zurück – gratis!» – sie sind omnipräsent, die fast unwiderstehlichen Argumente, Kleider online zu kaufen.
Höre ich mich in meinem Bekanntenkreis herum, ist die Sache eindeutig: Fast niemand macht sich mehr die Mühe, am Samstagnachmittag in einen Laden zu gehen, um eingepfercht zwischen Teenies und Mittvierzigern einen schönen Fummel ab Stange zu ergattern. Alle shoppen online.
Alle, ausser ich. Denn ich habe etwas vor!
Mit den steigenden Temperaturen des anbrechenden Frühlings kommt in mir das Bedürfnis nach einem luftig-neuem Outfit auf. Dieses Bedürfnis nutze ich, um einen Versuch zu starten: Wie gut schlägt sich ein hochgepriesener Online-Einkauf im Vergleich mit dem Erwerb von Secondhand-Kleidern aus einer Brockenstube?
Dabei vergleiche ich folgende Aspekte:
Und ich stöbere nicht einfach herum, sondern suche gezielt nach:
Da ich mit der Benutzeroberfläche nicht vertraut war, hatte ich zu Beginn Orientierungsschwierigkeiten. Nach wenigen Minuten wichen diese jedoch einer unerwarteten Faszination. Das Angebot ist riesig, die Vielfalt der verschiedenen Stilrichtungen, Marken und Schnitte beeindruckend.
Trotz meiner Bewunderung für all die schönen (und erschwinglichen) Kleider blieb ich meiner Aufgabe treu. Schliesslich brauche ich nur 37 Minuten meines Feierabends zu investieren, um eine komplette Frühlingsgarderobe zu erwerben. Inklusive Konto-Einrichtung und Kreditkarten Sicherheitscheck.
Doch mit den Klicks ist es noch nicht ganz getan. Vier Tage nach meiner Bestellung kriege ich eine Mail, dass mein Paket nun bei der örtlichen Poststelle angekommen ist. Ich muss es abholen. Mit dem Velo. Das kostet mich weitere zwanzig Minuten.
Summa Summarum habe ich einen Zeitaufwand von knapp einer Stunde bis ich die Kleider anziehen und probieren kann, wobei insgesamt mehr als vier Tage vom Kauf bis zum Besitz vergehen.
In die Brocki zu gehen, heisst für mich primär: stöbern, wühlen und sich über die kuriosen Verkaufsgegenständen amüsieren. Für einen Brocki-Einkauf nehme ich mir üblicherweise viel Zeit. Doch diesmal geht das anders vonstatten. Ich habe eine Mission. Um 10:13 Uhr an einem gewöhnlichen Donnerstagmorgen betrete ich das Atrium der sogenannten «Bärner Brocki», eines der ältesten Brockenhäuser im Berner Lorrainen-Quartier.
Sofort begebe ich mich zu der langen Stange, an der lauter schwarze Stoffbahnen gen Boden hängen. (Für alle Brocki-Newbies: In der Brockenstuben werden Kleider nicht primär nach Grösse, sondern nach Farbe sortiert.) Fünf Minuten später verschwinde ich mit vier Paar schwarzen Stoffhosen in einer mit Abfallholz gezimmerten Kabine. Als ich um halb elf mit einer passenden Hose über die Elle gelegt und einem zufriedenen Gesichtsausdruck Richtung Kasse schreite, fallen mir ein paar weisse Turnschuhe auf. Grösse 41 – mein Glückstag. In einem Korb unmittelbar neben dem Schuhregal liegen zwischen langweilig weissen Sportsocken ein Paar farbige Ringelsocken – Jackpot! Um 10:41 habe ich den Unterteil meines Outfits zusammen.
Nächster Halt ist das Brockiland der Heilsarmee in Bümpliz. Auch hier mache ich kurzen Prozess. Innerhalb einer guten halben Stunde bin ich im Besitz eines neuen, mega coolen Logoshirts und eines dunkelrosafarbenen Hemdchens.
Im Ganzen verbuche ich also eine Einkaufszeit von etwas mehr als einer Stunde. Die Anreise und der Weg zwischen den Brockis hat mich aber insgesamt über einen halben Tag gekostet. Was bei einer schönen Stadt, wie Bern es ist, jedoch nicht nur verlorene Zeit darstellt.