Bücher waren schon immer ein Abbild der Gesellschaft, sie können ganze Jahrzehnte prägen und gewaltige politische, soziale und rechtliche Auswirkungen haben.
Wir denken da an «Mein Kampf» oder an «Die Schachnovelle», an «Austerlitz» oder «GRM». Die Literatur und die Gesellschaft stehen in einer ständigen Wechselwirkung zueinander.
Um einschätzen zu können, welche Bücher tatsächlich zu den besten und wichtigsten aller Zeiten gehören, erstellen Fachleute und Literaturkritikerinnen und Literaturkritiker gerne ausgewählte (wenn oft subjektive) Rankings.
So auch der «Spiegel». Das deutsche Nachrichtenmagazin hat vor wenigen Tagen ein neues Ranking zu den besten (deutschsprachigen) Erzählwerken zwischen 1924 und 2024 erstellt.
Das Ranking ist unterteilt in elf zeitliche Perioden. Wir stellen dir ausgewählte Highlights aus jeder Periode vor.
In der Liste natürlich ein Muss. Inspiriert vom Besuch seiner kranken Frau, die in Davos in einem Sanatorium behandelt wurde, veröffentlichte Mann 1924 «Der Zauberberg». Das monumentale Werk über die Geschichte des jungen Hans Castorp bewegt auch noch 100 Jahre nach der Publikation und behandelt Themen wie Politik, Philosophie, Liebe, Krankheit und Tod.
Kafka kann man 100 Mal lesen und 100 Mal auf eine neue Weise interpretieren. «Das Schloss» ist neben «Der Verschollene» und «Der Prozess» einer der drei unvollendeten Romane des österreichisch-tschechischen Schriftstellers. Das Buch beschreibt den (vergeblichen) Kampf des Protagonisten K., den Totalitarismus rund um die undurchschaubare Welt des «Schlosses» zu durchbrechen.
«Hiob» erzählt die Leidensgeschichte des jüdisch-orthodoxen Toralehrers Mendel Singer und seine Reise vom fiktiven russischen Zuchnow bis ins amerikanische Exil. Wie die biblische Figur Hiob erleidet Mendel auf seinem Weg zahlreiche Schicksalsschläge, die seinen Glauben auf eine harte Probe stellen.
Das Opus magnum von Robert Musil erschien ab 1930 in drei Bänden. Das Werk trägt viele Bezüge zu Musils eigenem Leben. Im Mittelpunkt der Handlung steht der Protagonist Ulrich, der sich in der österreichisch-ungarischen Monarchie permanent selbst infrage stellt und sich, wie der Titel andeutet, zu nichts ernsthaft bekennen will, um sich ständig (und immer wieder erfolglos) neu orientieren zu können.
Neben «Ein Mann will nach oben» und «Wolf unter Wölfen» der wohl berühmteste Roman von Hans Fallada. Das Buch erzählt vom Schicksal des Ehepaars Otto und Elise Hampel, die sich zwischen 1940 und 1942 gegen Hitler auflehnten und denunziert wurden. «Jeder stirbt für sich allein» wurde von Fallada in nur vier Wochen geschrieben und gilt als eines der wichtigsten Werke über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten.
Auf die Liste haben es auch einige Schweizer Autoren geschafft, unter anderem Friedrich Dürrenmatt mit seinem Klassiker «Der Richter und sein Henker». Der Roman handelt von zwei Kriminalgeschichten, die zwar zeitlich nicht zusammenhängen, durch die Charaktere Bärlach und Gastmann aber miteinander verbunden sind. Herausgeber Klaus-Peter Walter sagte über Dürrenmatt: «Seine Krimis folgen dem klassischen Schema, ragen aber durch Ironie, Zynismus sowie gesellschaftskritische bzw. philosophische Ansätze weit über das im Genre Übliche hinaus.»
«Das dreissigste Jahr» besteht aus sieben Erzählungen, die sich mit den Problemen und Themen der Nachkriegszeit in Deutschland und Österreich beschäftigen. In den Anfängen der Publikation noch mit Zurückhaltung aufgenommen, wandelte sich die Prosa zu einem der wichtigsten Texte der deutschen Sprache nach 1945. Bachmanns Gestalten haben alle etwas gemeinsam: das Leiden an den Kränkungen, die das Leben mit sich bringt.
«Jakob, der Lügner» gilt als eines der erfolgreichsten Bücher der DDR-Literatur und erzählt die Geschichte des Juden Jakob Heym, der, um anderen Hoffnung zu geben, zum «Lügner der Barmherzigkeit» wird. Handlungsort ist ein fiktives Ghetto in Polen, das den realen Ghettos in Polen während des Zweiten Weltkriegs nachempfunden ist. Becker selbst wuchs als Kind im Ghetto von Lodz auf.
Es ist wohl Frischs komplexestes Buch, der Versuch, «ein Tal zu erzählen», wie er einst selbst sagte. Protagonist Herr Geiser wird durch ein Unwetter von der Aussenwelt abgeschnitten und versucht dann im Angesicht der drohenden Tragödie des Sterbens und des Zerfalls, das aufzuschreiben, was nicht vergessen werden soll, nur um zur Erkenntnis zu gelangen, dass die Welt sein Gedächtnis gar nicht braucht.
Ein momumentales Werk aus der DDR-Zeit, das aber unvollendet blieb. Brigitte Reimann gelingt mit «Franziska Linkerhand» eine systemkritische Auseinandersetzung mit dem Sozialismus, der Roman trägt zudem starke autobiografische Züge. Am Beispiel einer jungen Architektin malt Reimann das schonungslose Bild einer Frau, die in scharfen Konflikt mit den ökonomischen und ideologischen Zwängen der DDR gerät.
Jelinek erzählt in ihrem inhaltlich radikalsten Roman von der Leidensgeschichte der Klavierlehrerin Erika Kohut. Durch das ganze Buch zieht sich ein düsteres Bild, ausgelöst von zwei dysfunktionalen Beziehungen von Kohut zu ihrer tyrannischen Mutter sowie zu ihrem jungen Schüler. Ein erschütternder Roman mit einem Ende, das man nie mehr vergessen wird.
Jörg Fauser erzählt auf brutale, aber auch sarkastische Weise die Geschichte eines (Ex-)Junkies, der seinen Weg über die Türkei und Deutschland als Schriftsteller und Autor machen will. Fauser, einst selbst heroinabhängig, erinnert mit seinem autobiografischen Stil an die Werke des amerikanischen Schriftstellers William S. Burroughs.
Der Roman des Schweizers Christian Kracht, bei dem die nur notdürftig entnazifizierte Nachkriegs-BRD im Zentrum steht, veränderte in Deutschland die Wahrnehmung einer ganzen Generation. Löste der Roman 1995 noch grosse Kontroversen aus, gilt er heute als wichtiges Werk der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.
«Austerlitz» beschreibt den Lebensweg des fiktiven jüdischen Wissenschaftlers Jacques Austerlitz, der nach seiner akademischen Laufbahn seine Herkunft entdeckt und danach beginnt, sich mit seinem vorbestimmten Schicksal auseinanderzusetzen. Der Roman erschien als letztes Werk des Autors vor dessen Unfalltod und wurde vor allem auch in den USA und Grossbritannien zum Bestseller.
Das fiktionale Buch «wir schlafen nicht» basiert auf 25 längeren und 15 kürzeren Gesprächen der Autorin mit verschiedenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der Unternehmensberater-Branche, welche in einen Roman verdichtet wurden. Das Buch ist eine kritische Betrachtung unserer rastlosen Arbeits- und Lebenswelt und wurde bereits mehrmals als Theaterstück aufgeführt.
«Herkunft» ist ein teilweise autobiografischer Roman des aus Bosnien und Herzegowina stammenden Schriftstellers Saša Stanišić. Mit philosophischer Tiefe beschreibt Stanišić den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Das Buch wurde 2019 als bester deutschsprachiger Roman ausgezeichnet.
Es sind die Zeiten der Studentenbewegungen in den 60er-Jahren, Rudi Dutschke wird auf der Strasse angeschossen, das Springer-Gebäude mit Steinen angegriffen. In dieser Zeit werden auch der junge Schweizer Philip S. sowie die junge Mutter Ulrike in die Wirren des politisierten Alltags hineingezogen. Es ist ein Blick zurück auf die prägenden Jahre von Edschmids Leben.
In kurzen Episoden und klarer Sprache erzählt Helga Schubert ein Jahrhundert deutscher Geschichte: Flucht, Stasi, die Wende. Schuberts Buch ist Fiktion und Wahrheit zugleich. Ein preisgekröntes Werk über ein ostdeutsches Frauenleben im 20. Jahrhundert.
Listen sind wirklich subjektiv…