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Comedian Russell Brand soll massenhaft Frauen sexuell missbraucht haben

GET HIM TO THE GREEK, Russell Brand, 2010. ph: Glen Wilson/ Universal Pictures/Courtesy Everett Collection Universal/Courtesy Everett Collection ACHTUNG AUFNAHMEDATUM GESCHƒTZT PUBLICATIONxINxGERxSUIx ...
Auch als Schauspieler erfolgreich: Russell Brand in «Get Him to the Greek».Bild: www.imago-images.de

Russell Brand: Wenn einer immer seine Sexsucht zum Thema macht, sollte man mal hinhören

Jetzt erhält der Comedian und Guru Unterstützung aus dem rechten Lager der Männerversteher.
19.09.2023, 09:1414.04.2025, 16:50
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Es ist mit Russell Brands TV- und Radiokarriere wie mit einem katholischen Priester: Er benimmt sich daneben und wird versetzt. Nicht entlassen, bloss versetzt. Irgendein neues Kaff beziehungsweise irgendeine neue Sendung findet sich immer. Wobei Russell Brand nicht einfach versetzt wird, er «benimmt sich schlecht, er wird mit einer Beförderung belohnt, mit einer neuen Show», wie das BBC-Vorstandsmitglied Lorraine Heggessay frustriert feststellt.

Russell Brand, der Süchtige. Der daraus nie ein Geheimnis machte. Er moderierte MTV unter Heroin und war sexsüchtig, als er für Channel 4 arbeitete und für die BBC am Radio redete. Damals brauchte er drei Frauen pro Tag. Später, als er in Amerika auf Tour war, «mehr als fünf», wie eine frühere Geliebte und Mitarbeiterin aussagt.

Als er auf Channel 4 eine «Big Brother»-Begleitsendung moderierte, wurde das Studiopublikum auf einem Unigelände gecastet, die Studentinnen durften nicht älter als 22 sein.

Eines Tages traf er beim Einkaufen eine 16-Jährige – im Dokfilm «Russell Brand: In Plain Sight» heisst sie «Alice» – und macht sie anfangs behutsam, aber zielstrebig und zunehmend brutal zu seiner Sexsklavin. «In Plain Sight» basiert auf langen Recherchen der Investigativ-Abteilung «Dispatches» von Channel 4 und der «Sunday Times».

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2006, als Haarspraymonster.Bild: imago stock&people

Russell Brand war ein Predator, ein Raubtier, vor aller Augen. Und Ohren. Wenn er moderierte oder als Comedian auf einer Bühne stand, war Sex sein wichtigstes Thema. Er machte Witze über Oralsex, bis die Frau würgen müsse. Er fantasierte über die Brüste der Queen. Er zog sich vor laufender Kamera die Hose runter und setzte sich so auf den Schoss seiner Gesprächspartnerin. Er empfing seine Assistentinnen in Unterhose in seinem Hotelzimmer und schlug ihnen Sex vor. Mit einigen hatte er auch Sex, obwohl in seinem Arbeitsvertrag eine Extraklausel stand, dass Sex mit Mitarbeiterinnen tabu ist.

Während einer Radiosendung verspricht er Jimmy Saville, ihm seine (mit Namen genannte) Assistentin nackt und zu restlos allem bereit vorbeizuschicken. Saville stellte sich später als multipler Sexualverbrecher heraus. In einem Telefon-Prank erzählt er dem alten Schauspieler Andrew Sachs genüsslich vom angeblichen Sex mit dessen Enkelin.

Ab und zu muss er auf Geheiss seines Managers in eine Rehab. Auf Instant-Entzug. Wegen seiner Sexsucht. Danach ist er kurzzeitig geläutert, schreibt einen Bestseller darüber und alle sind begeistert, wie transparent, ehrlich und authentisch Russell Brand doch ist. Und besonders für junge britische Prominente, die in den Nullerjahren zu Ruhm kommen, gilt damals die Gleichung: je süchtiger, desto authentischer, exzentrischer, charismatischer. Kate Moss, Pete Doherty, Amy Winehouse, Russell Brand. Menschen als Spektakel.

Mit Kate Moss ist er kurzzeitig zusammen, mit Amy Winehouse befreundet, 2010 heiratet er die amerikanische Pfarrerstochter Katy Perry, nach nur 14 Monaten reicht er die Scheidung ein. Wenig später vergewaltigt er eine junge Frau, die im Film «Nadja» genannt wird, in seinem Haus in L.A., nachdem sie sich geweigert hat, mit ihm und einem Freund Sex zu haben. So jedenfalls hielt es das Rape Crisis Center, das Nadja danach aufsuchte, fest.

MIAMI BEACH, FL - DECEMBER 31: Russell Brand has filed for divorce from Katy Perry ... TMZ has learned. In the docs, filed in L.A., Brand cites irreconcilable differences. The two were married Oct. 23 ...
2010, als Mann an der Seite von Katy Perry.Bild: www.imago-images.de

Weil er nicht dumm ist, realisiert er seine Übertretungen. Realisiert, dass eine Frau Nein sagt. Tut es trotzdem. Entschuldigt sich am nächsten Tag in reumütigen SMS. Lassen sich die Frauen nicht sofort auf die Entschuldigungen ein, werden die Botschaften allmählich zum Terror. Dann droht er mit seinen Anwälten. Keine der Frauen im Film hat ihn verklagt, und jede der irgendwann missbräuchlichen Beziehungen hat einvernehmlich begonnen. Juristische Folgen wird es für ihn deshalb wohl keine haben.

Eine ehemalige Mitarbeiterin beschreibt es so: Er habe die Frauen als auswechselbare Ware betrachtet, mit der er sich alles erlauben könne, und genau das habe zu einer Atmosphäre geführt, in der auch ernsthafte Übertretungen ohne weiteres möglich waren.

Heute lebt Russell Brand als «Health Guru» ein scheinbar gesundes Leben, ist seit mehreren Jahren verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Auf diversen sozialmedialen Kanälen versammelt er 28 Millionen Follower, sein Vermögen beträgt geschätzte 20 Millionen Franken, allein mit seinem YouTube-Kanal und einem Podcast nimmt er pro Jahr mehrere Millionen ein, wie der «Guardian» schreibt (YouTube hat inzwischen gemeldet, dass Brands Kanal vorerst suspendiert sei). Und hat er früher Geständnisbücher und Anleitungen für die Revolution geschrieben, so schreibt er heute Ratgeber für geistige und körperliche Gesundheit.

Auf Instagram kann man ihm beim Eisbaden und bei Yoga mit dem Hund zuschauen, während Corona wurde er zum Impfskeptiker, lautstarken Verschwörungstheoretiker, Trump-Befürworter und Zweifler am Angriffskrieg von Putin.

Er teilt mittlerweile üblicherweise im rechtsextremen Spektrum angesiedelte Ansichten über die Medien, seine Jünger sind sich sicher, dass «In Plain Sight» der Versuch sei, einen genialen Gesellschaftskritiker mundtot zu machen, sie vergleichen ihn mit Julian Assange und Donald Trump. Er hat sie so erzogen, meint die Journalistin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein.

Seine Verteidiger nach den Anschuldigungen der Frauen im Film heissen jetzt u. a. Elon Musk («Ich unterstütze Russell Brand. Dieser Mann ist nicht schlecht.»), Andrew Tate («Wie wir hat Russell Brand den Kampf mit der Matrix aufgenommen, jetzt schlägt sie zurück!») und Tucker Carlson («Kritisiere die Pharmakonzerne, stelle den Krieg in der Ukraine in Frage, und du kannst ziemlich sicher sein, dass dies passieren wird»). Auch Russell Brand sieht hinter den Vorwürfen der Frauen, die er natürlich dementiert, «eine andere Agenda» am Werk.

Die Frage, die man sich nach «In Plain Sight» stellen muss, ist ganz einfach: Wieso zum Teufel hat man einen bekennenden und immer wieder rückfälligen Sexsüchtigen all die Jahre über nicht einfach mal beim Wort genommen und nach den Konsequenzen gefragt?

Gelegentlich beugten sich die Verantwortlichen besorgt über das Phänomen Russell Brand und beratschlagten, wie sie ihn besser von den Frauen fernhalten könnten. Und beschlossen, die Frauen aus dem Verkehr zu ziehen. Mit Russell Brand machten sie Geld. Die Frauen machten bloss Ärger.

PS: Channel 4 fordert weitere mögliche Betroffene auf, sich zu melden, was sie auch tun. Der «Independent» hat einen Liveticker zum Thema aufgeschaltet. «Alice» hat ein Interview gegeben, in dem sie beschreibt, wie er sie in einem Dienstwagen der BBC von der Schule habe abholen lassen. Brands Vater, der während seiner Kindheit abwesend war, aber seinen Sohn mit 16 auf einem Thailand-Trip in die Welt der Bordelle einweihte, unterstützt ihn. Ein altes Interview mit Dannii Minogue, der Schwester von Kylie, ist aufgetaucht, in dem sie Brands Sexsucht ganz klar benennt. To be continued.

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190 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gurgelhals
19.09.2023 09:26registriert Mai 2015
Es gäbe ja eigentlich ein vermeintlich ganz einfaches Rezept gegen solche Fälle, nämlich: Einfach mal aufhören narzisstische Soziopathen jeglichen Couleurs berühmt zu machen.

Aber wahrscheinlich ist es ja gerade dieses Narzisstische und Soziopathische, das auf viele Leute so charismatisch und verführend wirken muss. Ich weiss es wirklich nicht bzw. finde diese Celebrity-Versessenheit ganz allgemein sehr schwierig nachzuvollziehen. Fand einen Russell Brand schon damals eher irgendwie abstossend und unsympathisch und hat mich daher auch nie wirklich gross interessiert... 🤷‍♀️
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El_Chorche
19.09.2023 09:51registriert März 2021
hm...
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röstikartoffel
19.09.2023 09:49registriert Juli 2020
"I could stand in the middle of Fifth Avenue and shoot somebody, and I wouldn't lose any voters, OK?" sagte Donald Trump 2016, und genauso konnte Russel Brand "in plain sight" seine Frauenverachtung zelebrieren, ohne dass es irgendjemand kritisiert hätte. Vielleicht sind seine Fans auch nicht "trotzdem" begeistert von ihm, sondern gerade deswegen.
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