Es gibt Berufsgruppen, deren Ruf ist so low, dass man erst mal drei Meter tief graben muss, um ihn zu finden. Journalisten etwa. Als weniger vertrauenswürdig gelten nur noch – und dies seit vielen Jahren – Menschen, die in Versicherungen, Banken, Werbung oder Politik tätig sind. Und wer ist innerhalb der Journalisten ganz unten? Genau, die Paparazzi. Menschen, die ihre Berufung darin sehen, andere in einem möglichst schäbigen Licht darzustellen. Quasi das Gegenteil jedes Fotofilters. Aggressiv, hinterhältig, erpresserisch.
Erfunden wurde der Paparazzo ausgerechnet von der Hochkultur, nämlich 1960 im Film «La dolce vita» von Federico Fellini. Da spielt Marcello Mastroianni einen jener ausgelaugten Celebrity-Journalisten samt Ekelfotograf wie es sie damals in Rom bereits gab – auf der Jagd nach Anita Ekberg. Fellini verlieh dem Fotografen die Berufsbezeichnung Paparazzo, es war reine Lautmalerei, der Regisseur verglich ihn mit der sizilianischen Riesenmücke.
1961 lief «La dolce vita» in Amerika, und das «Time Magazine» brachte unter dem Titel «Paparazzi on the Prowl» (Paparazzi auf der Jagd) eine entgeisterte Reportage über den in Amerika bis dahin unbekannten Beruf. Paparazzi seien «ein ausgehungertes Wolfsrudel aus Fotografen, die für Geld grosse Namen verfolgen und aus nächster Nähe mit Blitzlicht auf sie feuern.»
Lässt sich am Prestige dieses Berufszweigs eigentlich noch irgendwas retten? Oder anders: Sind schäbige Fremdschäm-Bilder, wie sie die Promi-Sondermüllanlagen «TMZ» oder «X17» seit bald 15 Jahren vermarkten, im Zeitalter der Instagram-Beautification überhaupt noch angesagt?
Miles Diggs (23) und Cesar Peña (39) sind Paparazzi-Partner. Ihr Hashtag lautet #PositivePaps und sie sind nicht nur positive, sondern geradezu höfliche Paparazzi. Gerade sind sie zuoberst auf der Welle – Tage, bevor Justin Bieber und Hailey Baldwin ihre Verlobung bekannt gaben, schafften sie es, glücklich verliebte Fotos des Paars zu schiessen. «Stars in happy moments» ist ihr Credo.
Natürlich gehen ihren Beutezügen auch detektivische Nachforschungen und Verfolgungsfahrten voraus. Aber sie fotografieren Stars nicht, wie sie von Paparazzi provoziert ausflippen, was sich dann als «Shocking Meltdown!» verkaufen lässt, sie versuchen es mal ohne Zynismus. In ihrer Welt sind Celebrities nie hässig oder hässlich. Auch Justin Bieber darf einfach mal glücklich sein. Die Folge? Allgemeine Begeisterung. Die Stars sind entspannt und entzückt, die Security Guards räumen Diggs und Peña auch schon mal den besten Platz für den besten Schuss frei.
Ihr einziges Problem, sagen sie dem «New Yorker», der ihnen einen begeisterten Beitrag widmet, seien die andern Paparazzi. Die mit ihrem üblichen Gekläffe, den Erpressungen und richtiggehenden Kriegsformationen, aus denen es kein Entrinnen gibt, die Stars weiterhin in den Wahnsinn zu treiben versuchen.
Natürlich geht es auch ihnen am Ende ums Geld, und siehe da: Weniger Desaster führt zu mehr Zaster! Ein bisschen Anstand, eine Spur mehr Abstand – und schon lässt sich ein Job zurück erobern, den es so eigentlich gar nicht mehr bräuchte.
Vor Plattformen wie Instagram lebten Stars und ihre medialen Multiplikatoren in einer Symbiose: Ohne Stars keine Paparazzi – und oft auch umgekehrt. Heute ist die Selbstbild-Kontrolle dank der sozialen Medien erheblich gewachsen, und Stars sind oft die erste und zuverlässigste Informationsquelle in eigener Sache. Der klassisch fiese Paparazzo, der die Nullerjahre dominierte, wird daher zunehmend überflüssig. Es sei denn, er operiert neu unter strenger Nettiquette.
Und? Ist dieses «Weniger Dreck» jetzt symptomatisch für unsere restriktionsverliebte Zeit? Sind Leute wie Diggs und Peña sowas wie die veganen, glutenallergischen Nichtraucher ihrer Zunft? Vielleicht ein ganz klein wenig? Vielleicht.
Oder sie weisen einen Weg zurück in eine Zeit, als Stars noch über die Massen erhaben sein durften und eine Greta Garbo oder Marlene Dietrich nur Bilder in die Öffentlichkeit entliessen, über die sie totale Kontrolle hatten. In eine Zeit, als Stars noch Sterne waren. Und Sterne sind für uns Normalsterbliche eben nie ganz erreichbar.
P.S. Der Begriff «Höfliche Paparazzi» wurde übrigens ab 1999 von einer Künstlergruppe um Tex Rubinowitz, Hermes Phettberg, Kathrin Passig und Wolfgang Herrndorf geprägt: Sie beschrieben (und beschreiben noch, allerdings sehr selten) unter hoeflichepaparazzi.de auf liebevolle Art ihre Begegnungen mit den Superpromis dieses Erdballs. Ohne Bilder. Köstliche Lektüre.