Zehn Drehtage, drei 19-jährige Schauspielerinnen, die sich als Minderjährige ausgeben, 2458 Kontaktanfragen von Männern. Das ist der tschechische Dokumentarfilm «Gefangen im Netz».
Die 100 Filmminuten sind schwer auszuhalten. Der Dok beginnt mit einem Castingaufruf der tschechischen Filmemachenden Vít Klusák und Barbora Chalupová. «Für einen Dokfilm suchen wir eine erwachsene Schauspielerin, die wie zwölf aussieht», so die Ausschreibung.
Zum Casting erscheinen 23 Frauen, gekleidet wie kleine Mädchen. Klusák und Chalupová erklären ihr Vorhaben: Für die Doku sollen auf Facebook, Skype, Snapchat, Omegle und lidez.cz Profile angelegt werden. Profile der Schauspielerinnen, die sich dort als zwölfjährige Mädchen ausgeben und nur «ein wenig quatschen wollen».
Damit wollen die beiden Tschechen das Phänomen «Cyber-Grooming» dokumentieren. Also wie sich Erwachsene im Netz das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen erschleichen, um sie danach sexuell zu belästigen oder zu missbrauchen.
Drei Schauspielerinnen sagen nach dem Casting zu. Mit kindlichen Zöpfen und pinker Kleidung sitzen sie zehn Tage lang vor ihren Rechnern. In drei speziell für den Film gestalteten Kinderzimmern.
Kaum steht das erste Profil, trudeln die ersten Kontaktanfragen ein. Die Mehrheit ist von Männern – erwachsene, zum Teil mehr als dreissig Jahre ältere Männer.
Klusák und Chalupová filmen, wie die Männer mit den Mädchen chatten. Wie sie sie anrufen und mit ihnen sprechen. Und wie sie immer und immer wieder sexuelle Anspielungen machen.
«Hast du schon Sex mit Jungs?», «Wollen sie dir den Schwanz in die Möse stecken?», «Willst du ihn einmal sehen?», «Zieh doch dein T-Shirt aus!», sagen und schreiben sie. Die Kameras halten stets drauf.
Und sie filmen auch mit, was hinter den Kulissen passiert. Sie zeigen, wie der gesamte Cast dahinter kaum glauben kann, was sie sehen. Wie die Männer die Mädchen zu Nacktbildern nötigen, sie damit erpressen oder zu persönlichen Treffen einladen. Und sie zeigen, wie die Maskenbildnerin plötzlich einen der Männer erkennt. Er soll beruflich mit Kindern zu tun haben.
«Gefangen im Netz» erzeugt ein flaues Gefühl im Magen. Und lässt es am Ende nicht verschwinden. Zwar arbeitete das Filmteam mit einer Sexualtherapeutin, einem Anwalt und der Polizei zusammen. Und es konfrontiert ganz zum Ende eben jenen Mann, den die Maskenbildnerin erkannt hat, vor seiner Haustür.
Doch es ist die schiere Anzahl an Kontaktanfragen, die das flaue Gefühl bleiben lässt. 2458 Männer, die mit einem zwölfjährigen Mädchen chatten wollten. Ob die betroffenen User nach dem Dokumentarfilm zur Rechenschaft gezogen wurden, zeigen die Filmemachenden nicht. Auch nicht, wie es den drei Schauspielerinnen nach dem Dreh geht.
Medienberichten zufolge haben Klusák und Chalupová das Filmmaterial der tschechischen Polizei übergeben. Diese sollen die Täter ausfindig gemacht und Anzeige erstatte haben. Mindestens eine der Schauspielerinnen liess sich nach dem Dreh psychologisch betreuen.
2020 feierte der Film von Vít Klusák und Barbora Chalupová in Tschechien sein Debüt. Am Dienstagabend wurde «V síti – Caught in the net», wie er im Original heisst, auf SRF ausgestrahlt.
Unsere Tochter (heute 14) ist uns gegenüber glücklicherweise transparent. In Chats vergehen keine 2 Stunden bis die ersten Dick-Picks geschickt werden (wollen). Man muss richtigehend mit seiner Tochter Strategien, Taktiken und Regeln definieren, um sie einigermassen ruhig das Netz nutzen lassen zu können.