Damien Hirst gehört zu den renommiertesten zeitgenössischen Künstlern. Sein mit Diamanten besetzter menschlicher Schädel «For the Love of God» wurde für 75 Millionen Dollar verkauft und gehört zu den teuersten zeitgenössischen Kunstwerken. Der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde der Brite mit seinen in Formaldehyd eingelegten Tieren – namentlich mit dem Tigerhai. Bei drei solchen Kunstwerken besteht nun der Verdacht, dass der Künstler das Datum der Entstehung verschleiern wollte.
Hirst hatte in den 90er-Jahren mit den Formaldehyd-Tieren Erfolg. Die damit losgetretene Debatte motivierte ihn, weitere Tiere so zu konservieren. Das Schaf mit dem Titel «Away from the flock» («Abseits der Herde», 1994) wurde ebenfalls weltbekannt. Dies, nachdem ein Ausstellungsbesucher versuchte, das Werk mit Tinte zu sabotieren. Der Vorfall und der darauffolgende Medienrummel brachten sowohl das Schaf wie auch Hirst erneut in die Schlagzeilen, was dem Künstler gefallen haben dürfte.
Hirst gilt als perfekter Vermarkter, der sich seine potenziellen Käufer vor allem anhand des Kontostands aussucht. Statt auf klassische Kunstliebhaber zu setzen, hat er es auf finanzkräftige russische Oligarchen und Ölscheichs abgesehen. Heute spielt er in derselben finanziellen Liga wie seine Kunden. Je nach Schätzungen soll sich sein Vermögen zwischen 700 Millionen und über einer Milliarde Euro bewegen. Der 58-Jährige war einer der ersten namhaften Künstler (neben Wolfgang Beltracchi), der eine eigene NTF-Kollektion auf der Ethereum-Blockchain herausbrachte.
Wie der «Guardian» nun exklusiv berichtet, besteht bei mindestens drei seiner Installationen der Verdacht, dass die öffentlich kommunizierte Datierung nicht mit dem Entstehungszeitpunkt übereinstimmt. Es handelt sich dabei um in Formaldehyd eingelegte Tiere. Datiert sind sie mit Jahreszahlen aus den 90ern. Tatsächlich produziert wurden sie aber von einem Hirst-Mitarbeiter während eines Workshops im Jahr 2017 in Dudbridge, Gloucestershire.
Bei den Kunstwerken handelt es sich um eine Taube («Dove», 1999), zwei Zwillingskälber («Cain and Abel», 1994) und einen in drei Teile geschnittenen Haifisch («Myth Explored, Explained, Exploded», 1993–1999). Nach den «Guardian»-Recherchen wurden die drei Kunstwerke ab 2018 an Ausstellungen in Hongkong, New York, München, London und Oxford gezeigt – und zwar als Hirst-Arbeiten aus den 90er-Jahren.
Konfrontiert mit den Ungereimtheiten, windet sich der weltbekannte Künstler geschickt aus der Affäre: «Bei den in Formaldehyd eingelegten Tieren handelt es sich um konzeptuelle Kunst.» Dabei sei nicht entscheidend, wann sie physikalisch realisiert wurden, sondern wann die Idee dafür entstand. Er verwende deshalb bei einigen seiner Kunstwerke den Zeitpunkt der Idee.
Tatsächlich steht es Künstlern frei, auf welchen Zeitpunkt sie ihre Werke datieren. Es existiert kein Kunstgesetz oder gar eine Kunstpolizei, welche die Datierung von zeitgenössischen Kunstwerken kontrolliert.
Laut «Guardian» steht Hirsts Vorgehen aber in einem starken Kontrast zum Usus in der Kunstindustrie. Dort ist man sich einig. Die Datierung bezieht sich stets auf die tatsächliche Realisation.
Ein zusätzlich ungutes Licht auf Hirst werfen seine Aussagen im Rahmen der ersten Präsentation der drei Kunstwerke 2018 in Hongkong. Damals sagte er in einem Interview mit der «South China Morning Post», dass er die Kunstwerke «heute lieber habe als damals, als er sie geschaffen habe». Mit diesen Aussagen erweckte er den Eindruck, dass seit der Kreation bereits eine längere Zeitspanne vergangen sei. Ausserdem verfügt der «Guardian» über Informationen, dass Mitarbeiter seiner Firma «Science» angewiesen wurden, die Kunstwerke künstlich zu altern – als ob sie tatsächlich in den 90er-Jahren produziert wurden.
Mittlerweile haben Hirsts Anwälte die Kommunikation mit dem «Guardian» übernommen – und sie verweisen darauf, es sei falsch zu behaupten, ihr Klient habe die Öffentlichkeit täuschen wollen.
So weit, dass der Künstler mit seiner «speziellen» Deklaration den Preis der Kunstwerke habe in die Höhe treiben wollen, geht der «Guardian» nicht. Der Vorwurf schwingt aber inhärent mit. Denn der Formaldehyd-Hai gilt als Ikone der 90er-Jahre. Arbeiten in dessen Fahrwasser können davon profitieren – und erfahren automatisch eine Wertsteigerung. Werke aus dem Jahr 2017 indes weniger.
(tog)
Es hat irgendwie absolut keinen Einfluss auf mein Leben, oder auf das Leben des Oligarchen - und schon gar nicht auf das ehemalige Leben der Taube...
Insofern passt das mit dem falsch datieren ...