Dominic Deville ist ein Punk. Genauer: Er war mal ein Punk. Doch die Do-it-yourself-Attitüde und die Freude an der Imperfektion hat der Luzerner behalten. Er hasardiert ohne Moderationskärtchen und Knopf-im-Ohr durch die Sendung, schreit in die Kamera und wirft Früchte durchs Studio. Eine Wohltat im Vergleich zur sandgestrahlten Dutzendware im TV. PS: Bei der ersten Aufzeichnung generierten die Sendungsmacher Material für fast zwei Stunden. Die Sendung dauert aber bloss eine halbe.
Dominic Deville ist der unbestrittene Star dieser Late-Night-Show. Sie trägt seinen Namen, ist dem Comedy-Punk auf den Leib geschnitten. Aber «Deville» ist keine One-Man-Show. Hinter der Sendung steht ein Team junger, wilder Humoristen, angeführt von Patrick Karpiczenko, Chefautor und Regisseur der Sendung. Diese homogene, eingeschworene Gruppe sorgt dafür, dass «Deville» wirklich anders klingt und ausschaut, als alles, was sonst so über die Service-Public-TV-Sender läuft.
«Deville» orientiert sich an den amerikanischen Late-Night-Shows. Hat alle traditionellen Elemente: Gäste, Monologe zu aktuellen Themen, Einspieler. Da darf ein Sidekick natürlich nicht fehlen, der dem Moderator als Sparringpartner für den verbalen Schlagabtausch dient. Mit der Verpflichtung von Manuel Stahlberger ist Deville ein Coup gelungen. Der Ostschweizer ist alles, was Dominic Deville nicht ist, ein trockener Satiriker, der ohne grosse Effekte stoisch zu seinen Pointen schlafwandelt. Schon nach der ersten Aufzeichnung ist klar: Stahlberger hat Kultpotential.
Comedy ist Showbusiness. Showbusiness ist Oberfläche. Und die sieht bei Deville gut aus. Die Sendungsmacher zeichnen die Late-Show im Zürcher Club Corso auf. Fernab vom Leutschenbach-Mief. Das Studio ist im Retro-Chique eingerichtet: Extravagante 60er-Jahre-Stühle, eine 80er-Jahre-Bühne und ein Anzug, der Dominic Deville einer Figur der Kult-Serie «Mad Man» ähneln lässt. Gut, andere haben das auch schon getan, aber für Schweizer Verhältnisse ist es frisch.
Viktor Giaccobbo stand bei der ersten Aufzeichnung von Dominic Deville im Publikum. Aber auf der Bühne erinnerte nur wenig an den Übervater der Schweizer TV-Comedy. Gut so. Denn im Vergleich mit «Giaccobbo/Müller» liegt für «Deville» die grösste Gefahr. Abheben, statt ähneln muss das Motto sein.
Das SRF behauptet, «Deville» Zeit geben zu wollen. Die werden die Sendungsmacher brauchen. Denn eine landesweite Comedy-Sendung (selbst um 23.45 Uhr) ist Neuland für sie alle. Und das wird man phasenweise merken. Behält das SRF Geduld, dann kann da was entstehen. Vier Test-Sendungen waren abgemacht, das SRF hat sie bereits auf zehn ausgedehnt.
Late-Night-Shows leben von ihren Talk-Gästen. Das ist ein Problem. Gefühlt 80 Prozent der Deutschschweizer Prominenten sind SRF-Moderatoren oder Ex-Missen. Beide sind meist langweilig. Mona Vetsch, erster Gast in der ersten «Deville»-Sendung, war da eine wohltuende Ausnahme, weil mindestens so punkig unterwegs wie der Gastgeber. Wir wünschen «Deville» weiterhin ein gutes Händchen. Aber Achtung: Das Reservoir bleibt klein. Und bitte, bitte nicht Christa Rigozzi oder Gilbert Gress einladen.
Frontmann Dominic Deville hat Jahrgang 1975. Kreativkopf Patrick Karpiczenko Jahrgang 1986. Das sind gute Voraussetzungen, um ein Zielpublikum anzusprechen, mit dem SRF klassischerweise Mühe hat: Menschen, die nicht alt sind. Hier dürfte Deville noch etwas mehr Moderne wagen, als bloss Sprüche zu Presse-Schlagzeilen aus dem Internet zu klopfen. Das taten der Viktor Giacobbo und Mike Müller nämlich auch schon. Und die haben Jahrgang 1952 und 1963.
Jede Late-Night-Show hat Show-Gäste. Die ersten Gäste auf der Bühne von «Deville» hiessen «Rächt Extrem». Eine Neo-Nazi-Band. Jedenfalls kündigte Deville sie so an. In Tat und Wahrheit ist es ein Rock-Trio aus Biel, das unter normalen Umständen niemals in einer TV-Show auftreten dürfte. Sie sind unbekannt, unflätig und absolut massenuntauglich. Mit anderen Worten: toll. Es ist das erklärte Ziel der «Deville»-Crew weitere unverbrauchte Kleinkunst-Perlen auf den Schirm zu bringen.
Einen grossen Vorteil hat «Deville» jetzt schon: Konkurrenzlosigkeit. «Müslüm-TV» spielt in einem nicht vergleichbaren Genre, «Headhunter» funktioniert nicht, «Giacobbo/Müller» treten Ende Jahr ab. Und sonst gibt es bei SRF nicht einmal theoretisch etwas zu lachen. Das sind mal gute Voraussetzungen.