Pendler kommen in der Schweiz bald günstiger von Stadt zu Stadt. Möglich machen es die Domo-Fernbusse, die ab Ende März auf drei nationalen Strecken verkehren. Bea Heim (SP), die Präsidentin der IG öffentlicher Verkehr, kritisiert die Zulassung scharf – und wartet mit einem Alternativvorschlag auf.
20.02.2018, 17:4721.02.2018, 05:38
Frau Heim, bald können Schweizer Pendler per Fernbus für nur 8.80 Franken von Zürich nach Basel fahren. Warum sind Sie als Präsidentin der Interessensgemeinschaft öffentlicher Verkehr nicht glücklich darüber?
Bea Heim: Wir haben in der Schweiz ein einzigartiges, gut funktionierendes ÖV-System. Wenn nun Fernbus-Anbieter mit Dumpingpreisen einfahren, gefährden wir diesen bewährten Service public. Es ist doch absurd, wenn wir für Millionen von Franken das Bahnnetz ausbauen, mit Steuergeldern bis spät in die Nacht einen Taktfahrplan aufrechterhalten – und es dann zulassen, dass sich private Firmen die Rosinen herauspicken und auf den attraktiven Strecken die Preise drücken.
«Erst kürzlich hat ein renommierter Bahnexperte gefordert, die SBB-Preise generell auf Halbtax-Niveau zu senken. Ich denke, das wäre eine lohnende Investition – und angesichts der Überschüsse beim Bund auch machbar.»
Viele Pendler hoffen genau darauf: Dass die neue Konkurrenz die SBB dazu bewegt, ihre Preispolitik zu überdenken.
Diese Hoffnung kann ich gut verstehen. Auch ich bin der Ansicht, dass die Preise bei der Bahn überprüft werden müssen. Erst letzte Woche hat Toni Häne, der Chef des SBB-Personenverkehrs, in einem Interview laut darüber nachgedacht, die SBB-Preise generell auf Halbtax-Niveau zu senken. Ich denke, das wäre eine lohnende Investition – und angesichts der Überschüsse beim Bund auch machbar. Unser umweltfreundliches, effizientes Bahnnetz ist Gold wert. Wir sollten alles tun, um ihm Sorge zu tragen.
Um diesen Entscheid geht's:
Domo lockt die Passagiere nicht nur mit günstigen Preisen, sondern verspricht auch einen guten Service: Zum Angebot gehören warme und kalte Snacks, WLAN und ein Bordunterhaltungssystem. Können Sie es den Pendlern verübeln, wenn Sie sich für diese Option entscheiden, statt in den kargen SBB-Abteilen mit Funklöchern zu kämpfen?
Eine bessere WLAN-Abdeckung in den SBB-Zügen tut sicher Not. Auch Verkehrsministerin Doris Leuthard hat sich bereits dafür ausgesprochen, in dem Bereich zu investieren. Ansonsten muss sich die SBB punkto Service aber nicht verstecken: Da fast jeder Fahrgast ein Handy hat, halte ich ein Bordunterhaltungssystem für obsolet. Und an Snacks mangelt es im Speisewagen ja auch nicht. Da die Züge zudem schneller und pünktlicher sind als Fernbusse, wage ich zu behaupten, dass der Komfort in der Bahn unter dem Strich wesentlich höher ist.
«Setzen sich die nationalen Fernbusse durch, werden die Staustunden in die Höhe schiessen und der Ruf nach einem Strassenausbau lauter werden.»
Die SBB als heilige Kuh, die es um jeden Preis zu schützen gilt: Warum fürchten Sie sich dermassen vor dem freien Markt?
Zunächst einmal kann von einem fairen Wettbewerb keine Rede sein, wenn die Spiesse nicht gleich lang sind. So zahlen die SBB Trassenpreise, die Fernbusanbieter hingegen nicht. Zudem haben die konzessionierten Bahnanbieter die Pflicht, auch abgelegene Gebiete zu versorgen. Wenn ihnen künftig die Einnahmen von den rentablen Strecken fehlen, müssen noch mehr Subventionen in die Randgebiete gepumpt werden. Punkto Effizienz, Umweltfreundlichkeit und Pünktlichkeit können die Fernbusse ausserdem keinesfalls mithalten mit der Bahn. Setzen sich die nationalen Fernbusse durch, werden die Staustunden auf den Strassen in die Höhe schiessen und der Ruf nach einem Strassenausbau lauter werden.

Bea Heim ist Solothurner SP-Nationalrätin und Präsidentin der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr.Bild: KEYSTONE
Eine Studie des deutschen Bundesamts für Umwelt kam vor zwei Jahren zum Schluss, dass Fernbusse weniger Treibhausgase produzieren als die Eisenbahn. Das entkräftet ihr Umwelt-Argument.
Keineswegs. In Deutschland sind im Gegensatz zur Schweiz nicht alle Bahnen elektrifiziert, die Situation ist deshalb nicht vergleichbar.
In der Frühlingssession ist das Thema Fernbusse auch im Bundeshaus traktandiert. Werden Sie aktiv?
Ich prüfe eine kritische Interpellation an den Bundesrat.
(jbu)
Pascal über egoistische Pendler
Video: watson/Pascal Scherrer, Emily Engkent
Pendeln früher und heute
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Pendeln früher und heute
Beginnen wir im Jahre 1947. Damals war Pendeln fast noch ein Fremdwort. Diese Szene zeigt eine Gruppe Menschen vor dem Hauptbahnhof Zürich. (Bilder: ETH Bibliothek Zürich)
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