Innert 60 Tagen hätten ein Kosovare und seine beiden Kinder die Schweiz verlassen müssen. Die Familie wehrte sich gegen diesen Entscheid des Aargauer Migrationsamts – vorerst allerdings erfolglos. Das kantonale Verwaltungsgericht bestätigte die Wegweisung. Als letzte Hoffnung blieb dem Trio deshalb nur noch das Bundesgericht.
In ihren Beschwerden beantragten Vater, Tochter und Sohn Niederlassungs- oder zumindest Aufenthalts- bewilligungen. Der am Mittwoch veröffentlichte Entscheid zeigt: Die obersten Richter des Landes beurteilen den Fall in zentralen Punkten anders als das Aargauer Verwaltungsgericht.
Dieser ist speziell, weil die Tochter und der Sohn des Kosovaren zwischenzeitlich Schweizer Staatsbürger waren. Ihr Vater wurde im Jahr 2009 erleichtert eingebürgert und anerkannte – nachdem er sich 2012 von seiner Schweizer Ehefrau hatte scheiden lassen – die zwei Kinder im Kosovo, deren Mutter er kurz darauf heiratete. Zwei Monate nach dieser Hochzeit mit der Kosovarin stellte der Mann ein Gesuch um Familiennachzug. Davon unabhängig erhielten die Kinder, die vor der ersten Ehe geboren wurden, von Gesetzes wegen das Schweizer Bürgerrecht.
Das kantonale Migrationsamt verdächtigte aber den Vater, den roten Pass erschlichen zu haben, und forderte beim damaligen Bundesamt für Migration, die Einbürgerung müsse für nichtig erklärt werden. Die Aargauer Behörden begründeten dies nicht nur damit, dass der Mann die Kinder im Einbürgerungsverfahren verheimlicht habe, sondern auch mit einer lange zurückliegenden Verurteilung. Der Kosovare war in Deutschland zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden – unter anderem wegen Körperverletzung.
Das Bundesamt kam dem Wunsch aus dem Aargau nach, worauf der Vater sein Schweizer Bürgerrecht verlor und zusammen mit seinen Kindern weggewiesen wurde. Wird eine Einbürgerung für nichtig erklärt, fällt die Person wieder in den vorherigen ausländerrecht-lichen Status zurück. Im Fall des Kosovaren ist dies die Niederlassungsbewilligung, weil er über acht Jahre mit einer Schweizerin verheiratet war.
Trotzdem verweigerten ihm das Aargauer Migrationsamt und das Verwaltungsgericht ein Aufenthaltsrecht. Dies mit der Begründung, er habe seine Kinder rechtsmissbräuchlich nachträglich ein zweites Mal anerkannt, damit der Familiennachzug doch in der eigentlich verstrichenen Frist beantragt werden konnte. Dabei handle es sich um einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, urteilte das Verwaltungsgericht.
Falsch, befindet hingegen das Bundesgericht im Urteil zur Beschwerde des Mannes. Dafür hätte der Kosovare beispielsweise wiederholt straffällig werden müssen, doch seit er 2002 in die Schweiz eingereist ist, hat er sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen.
Auch sonst liegt aus Sicht der obersten Richter kein Widerrufsgrund für das Aufenthaltrecht des Kosovaren in der Schweiz vor. Die Weisung des Bundesgerichts an die Adresse des Aargauer Migrationsamts fällt deutlich aus: Dem Vater muss eine Niederlassungs- und seinem Sohn eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.
Einzig die Beschwerde der Tochter wird abgewiesen; ihr Alter wird ihr zum Verhängnis. Weil sie zum entscheidenden Zeitpunkt bereits volljährig war, lässt sich – anders als bei ihrem jüngeren Bruder – aus der Niederlassungsbewilligung des Vaters für sie kein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung ableiten.
Daran ändert auch das richterliche Lob für ihre Integrationsbemühungen in den letzten rund fünf Jahren nichts: «Es wird nicht in Abrede gestellt, dass sie sich während dieser Zeit klaglos in der Schweiz aufgehalten, erfolgreich die schulische Brückenausbildung absolviert, eine berufliche Ausbildung und Arbeitstätigkeit in Angriff genommen und sich gut integriert hat.»
Weil ihre Mutter im Kosovo lebt und sie den Grossteil ihres Lebens dort verbracht hat, gehen die Bundesrichter von einer problemlosen Wiedereingliederung der Tochter aus. Das öffentliche Interesse an einer restriktiven Einwanderungspolitik überwiege gegenüber den Interessen der jungen Frau, heisst es im Bundesgerichtsurteil weiter.
Bundesgerichtsurteil 2C_857/2017, 2C_862/2017 vom 21. Januar 2019