Zugegeben, als Aargauerin bin ich etwas vorbelastet. Trotzdem gibt es handfeste Argumente, warum ab Freitag in Baden während zehn Tagen die Hölle los ist, wie es Zürich noch selten gesehen hat.
Steht am Wochenende das Züri Fäscht an, flüchtet halb Zürich in die Kurzferien. Und wer zuhause bleibt, beschwert sich über Lärm und Abfall. Anders in Baden: Seit gefühlten fünf Jahren freuen wir uns auf das grosse Fest und statt zu verreisen, bauen wir unsere Wohnzimmer kurzerhand in ein Massenlager für Verwandte und Freunde aus aller Welt um.
Vergiss Plastikzelte und Pavillons. In Baden konstruieren unzählige freiwillige Helfer seit Tagen knapp 100 Beizen der Superlative. Die Aargauer machen sich beispielsweise den Aufwand, eine 34 Meter hohe Beiz in Form einer Raketenabschussrampe zu bauen. Um Pommes zu verkaufen.
Im Gegenteil: An der Badenfahrt gibt's das wohl edelste Klo, das du in deinem Leben schon an einem Grossanlass gesehen hast. Im «Mister Loo» fühlst du dich dank schallschluckenden Wänden, indirekten Lichtquellen und berieselnder Musik wie im siebten (WC-)Himmel. Und vom integrierten Geruchsabsaugungssystem könnt ihr Zürcher nur träumen!
Und mit Kultur meine ich nicht primitive Trinkspiele auf dem Paradeplatz. Ich spreche vom Rahmenprogramm für alle möglichen Zielgruppen. Über Kinderprogramm, Parties, bis zu Platzkonzerten der Musikgesellschaft – die Badenfahrt hat für alle etwas zu bieten. Besonders interessant sind die vielen Konzerte in den Beizen.
Wem der ganze Jubeltrubel etwas zu viel wird, muss nicht gleich nach Hause. Über das ganze Festgelände verteilt gibt es rund 100 «Stille Bänkli» und drei «Stille Beizen», wo man abseits von Partymusik in Ruhe etwas trinken oder die neue Bekanntschaft besser kennenlernen kann.
Festbesuchern, die betrunken Fremde ansprechen, geht man in Zürich aus dem Weg. In Baden feiert man die Offenheit der Leute – so sehr, dass eine amerikanische Journalistin sogar einen Artikel darüber veröffentlicht hat und erzählt, wie sie nach über einem Jahr Nachbarschaft erst an der Badenfahrt vom «Sie» zum «Du» übergegangen ist.
Bei uns gibt's nicht jedes Wochenende irgendein Fest oder Open Air in dieser Grösse – und das ist gut so. Die Badenfahrt findet nur alle zehn Jahre statt. Also packt man diese Gelegenheit beim Schopf und feiert nach dem Motto «Wänn scho, dänn scho.»