Der Hinweis ging anonym ein: Am Telefon teilte eine Person mit, sie wisse von einem Mann, der Leistungen der Invalidenversicherung (IV) beziehe, obwohl es ihm gesundheitlich gut gehe. Die Zuständigen bei der Aargauer IV-Stelle nahmen den Anruf ernst und liessen den früheren Gipser zwischen Herbst 2015 und Frühling 2016 observieren, an acht Tagen von einem Privatdetektiv. Und was dabei herauskam, erhärtete den Verdacht. Nach einer erneuten Begutachtung durch einen Psychiater wurde die Rente um die Hälfte gekürzt.
Vom kantonalen Versicherungsgericht erhoffte sich der bald 50-Jährige eine Korrektur des Entscheids. Doch als Rückmeldung erhielt er stattdessen die Warnung, das Urteil könne auch zu seinen Ungunsten abgeändert werden – und die Gelegenheit, die Beschwerde zurückzuziehen. Der IV-Bezüger verzichtete auf das Angebot. Ein Fehler, wie er kurz darauf feststellen musste. Denn das Obergericht ging von einer hundertprozentigen Arbeitsfähigkeit aus und strich ihm auch noch die andere Hälfte seiner Rente.
Um zu verhindern, erstmals seit 2002 wieder ohne Gelder der IV dazu stehen, zog der Gipser den Entscheid ans Bundesgericht weiter. Er verlangte von der obersten Instanz, ihm weiterhin eine ganze Rente zuzusprechen und die Erkenntnisse der Observation aus den Akten zu entfernen, weil es sich dabei um unzulässige Beweismittel handle. Doch auch der Hinweis auf eine Verletzung seines Anspruchs auf Achtung des Privat- und Familienlebens vermochte die Bundesrichter nicht zu überzeugen. Sie teilen die Ansicht des Aargauer Verwaltungsgerichts, wonach die öffentlichen Interessen höher zu gewichten seien als jene des IV-Bezügers.
Ebenfalls kein Erfolg beschieden war dem Mann mit dem Hinweis auf seinen Gesundheitszustand. Aufgrund einer depressiven Störung sei sein Zustand nach wie vor instabil. Während eineinhalb Monaten habe er sich deswegen Anfang 2018 in einer Klinik behandeln lassen. Die oberste Instanz teilt hingegen die Einschätzung der Aargauer Richter, dass die Schmerzstörung ohne feststellbare organische Ursache sowie die depressive Störung «aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht mehr als invalidisierend erachtet werden». Die Die Folge: Beide Gerichte gehen von einer hundertprozentigen Arbeitsfähigkeit in einer entsprechenden Tätigkeit aus.
Ein weiterer strittiger Punkt sind die Eingliederungsmassnahmen, mit denen die Invalidenversicherung unter anderem Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei unterstützt, ihre Stelle zu behalten oder den Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Der IV-Bezüger macht geltend, ohne Hilfe sei ihm der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach über 16 Jahren nicht zumutbar. Nur wer seinen Eingliederungswillen beweist, hat Anspruch auf unterstützende Massnahmen. Einen Willen, den die Richter beim früheren Gipser nicht erkennen. Die Folge: Er erhält keine Eingliederungsmassnahmen zugesprochen – und muss sich selbständig auf Stellensuche machen.
Der Gang vor das Bundesgericht endet für den langjährigen IV-Bezüger auch in anderer Hinsicht mit einer Niederlage: Weil seine Beschwerde als aussichtslos beurteilt wird, erhält er keine unentgeltliche Rechtspflege. Dazu kommen die Gerichtskosten von 800 Franken.
Bundesgerichtsurteil 8C_480/2018 vom 26. November 2018