Den Jackpot haben die Grünliberalen geholt, sie standen bei allen Vorlagen auf der Siegerseite. Aber auch für die Grünen und die Sozialdemokraten war es ein Freudentag. Der Abstimmungssonntag hat die parteipolitischen Verschiebungen der letzten eidgenössischen Wahlen vor einem Jahr bestätigt.
Drei Referenden hatte die Linke mit verbündeten Verbänden lanciert, zwei Mal hat sie gewonnen und bei den Kampfjets nur äusserst knapp verloren. Das linke Lager hat seine Referendumsmacht bewiesen, das wird bürgerlichen Übermut bremsen. Nur: Verhindern ist einfacher als gestalten. Für Letzteres braucht es mehrheitsfähige Lösungen.
Die Stimmbeteiligung war mit über 59 Prozent erfreulich hoch. Die fünf Vorlagen haben die linken Wähler offensichtlich besser mobilisiert als die rechten. Die Städte, auch die mittelgrossen, sind in den letzten Jahren stark nach links gerückt und haben dem Abstimmungssonntag ihren Stempel aufgedrückt. Die Armee ist dort kaum noch verankert, das zeigt die Abstimmung zu den Kampfjets.
Das Nein zur Begrenzungsinitiative als Bestätigung des bilateralen Weges, ein Vaterschaftsurlaub als Zeichen gesellschaftspolitischer Öffnung und für mehr Gleichstellung. Oder das Nein zum Jagdgesetz als Ausdruck für mehr Artenschutz und Artenvielfalt. Das durchgefallene Jagdgesetz gibt den Umweltverbänden und den ökologischen Anliegen einen starken Schub. Das sollten sich die Bauern und die bürgerlichen Parteien beim Ringen um die Pestizidinitiativen merken. Die Landwirtschaft, die Strassen und die Armee, das ist so etwas wie die heilige Dreifaltigkeit der bürgerlichen Politik. Sie wirkt heute etwas aus der Zeit gefallen.
Besonders überrascht hat das knappe Ergebnis bei der Kampfjet-Vorlage. Das wurde so nicht erwartet. Es ist nicht ganz einfach, das Resultat zu interpretieren. Die Strategie der Linken ging insofern auf, als dass sie keine Für-oder-gegen-die-Armee-Diskussion führte. Die GSoA, die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, hielt sich vornehm zurück. Das war ein strategisch geschickter Schachzug.
Auf Seiten der Gegner dominierten linke Sicherheitspolitiker wie Nationalrätin Priska Seiler Graf (SP/ZH), welche nicht grundsätzlich neue Kampfjets ablehnten, sondern sich für günstigere Flieger ausgesprochen haben. Das hat verfangen. Sicherheit ist im Moment zwar sehr wohl ein Thema. Nur war es in den vergangenen Monaten vor allem ein Virus, dass für Unsicherheiten sorgte.
Die Pandemiebekämpfung kostet auch viel Geld. Die Schweiz hat sich in den letzten Monaten stark verschuldet und damit haben sich die Prioritäten, wofür die Steuergelder auszugeben sind, offensichtlich verschoben. Das Finanzargument dürfte auch bei den Kinderabzügen eine wichtige Rolle gespielt haben.
Mehr Frauen und mehr Junge sind am Sonntag an die Urnen gegangen, wie schon bei den Wahlen im Herbst 2019. Das hilft in der Tendenz dem linken Lager und den Grünliberalen. Ihre Erzählungen passen besser zum Zeitgeist, mögen stärker mobilisieren.
Bereits Ende November kommt es zur Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative. Auch dort liegt das Momentum bei den Befürwortern.
Was aber sicher stimmt, ist, dass die SVP immer mehr an Einfluss verliert. Was nützt es, die wählerstärkste Partei zu sein, wenn die Abstimmungen fast alle verloren gehen. "Wählerstärkste" heisst halt trotzdem "Minderheit".
Auch im Aargau wird das neue Energiegesetz - zwar denkbar knapp - abgelehnt. So wird das nichts mit mit der Energiewende, wenn zahlreiche Kantone weiterhin zB Gas- und Ölheizungen bei Neubauten erlauben wollen.