Erst vor kurzem zog der neue VBS-Chef Guy Parmelin (SVP) die Notbremse: Der Verteidigungsminister sistierte das milliardenschwere Rüstungsprojekt Bodengestützte Luftverteidigung, im Militärjargon «Bodluv 2020» genannt. Doch das missratene Beschaffungsprojekt sorgt immer noch für Ärger: Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hat Luftwaffenchef Aldo Schellenberg, Vorsitzender des Bodluv-Projektausschusses, das Projekt Ende Februar in einer armeeinternen Aktennotiz zuhanden von Armeechef André Blattmann viel positiver dargestellt, als es sich in Wahrheit verhielt.
Die Modernisierung der bodengestützten Luftabwehr wurde von Parmelins Vorgänger Ueli Maurer nach dem Volksnein zum Gripen vorgezogen und unter Hochdruck vorangetrieben. Recherchen der «Rundschau» sowie der «Zentralschweiz am Sonntag» zeigten aber, dass es bei dem Vorhaben Ungereimtheiten gab: So trifft IRIS-T des deutschen Herstellers Diehl bei schlechtem Wetter nicht und die Lenkwaffe CAMM-ER des europäischen Rüstungskonzerns MBDA verfügt nur über eine ungenügende Reichweite. Dennoch entschied sich das VBS dafür, beide Lenkwaffen zu beschaffen. Treibende Kraft hinter dem geheimen Beschluss war Schellenberg.
Schellenbergs interne Notiz war eine Reaktion auf diese Kritik der Medien. Aus den beiden «nicht erfüllt» machte er ein «insgesamt erfüllt»: In dem fünfseitigen Papier, das der Luftwaffenchef zusammen mit zwei Armasuisse-Kadern, dem Chef des Armeestabs sowie Brigadier Marcel Amstutz, verfasste, steht: «Aufgrund der vorliegenden Informationen und der Beurteilung des unterstützenden Schweizer Generalunternehmers erfüllen die Komponenten auf der Shortlist insgesamt die militärischen Anforderungen».
Alle Probleme von Bodluv würden in dem Papier nicht erwähnt, schreibt der «Tages-Anzeiger» weiter. Auch die Warnung des Bodluv-Projektteams vor dem finanziellen Risiko, das durch die Beschaffung von zwei Waffensystemen statt einem entstehe, sei verschwiegen worden.
Das VBS wollte laut «Tages-Anzeiger» keine Stellung zu der schönfärberischen Aktennotiz des Luftwaffenchefs nehmen und beschränkte sich auf die Mitteilung, derzeit finde eine «Aufarbeitung» des ganzen Projekts statt. Parmelin will zudem eine Administrativuntersuchung zu Bodluv einleiten. (dhr)