Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat vollzogen, was die Credit Suisse in einer neuen Studie eine «Zinswende im Eiltempo» nennt. In gerade einmal neun Monaten schuf die SNB erst den Negativzins von 0.75 Prozent ab und erhöhte dann bis auf 1.5 Prozent. SNB-Präsident Thomas Jordan hatte keine Wahl. Nachdem die Inflation ein Jahrzehnt lang abwesend gewesen war, kehrte sie 2022 in die Schweiz zurück. Zuletzt stand sie noch immer bei 2.6 Prozent.
Das schlägt nun auch auf die Mietzinsen durch. Die Mieten richten sich nach dem hypothekarischen Referenzzinssatz, den das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) vierteljährlich aus einem Durchschnitt praktisch aller in der Schweiz vergebenen Hypotheken errechnet. Am 1. Juni wird der Referenzzinssatz mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit angehoben, da sind sich die Fachleute einig.
Erwartet wird ein Anstieg von bisher 1.25 auf neu 1.5 Prozent. Es wäre das allererste Mal in der Geschichte, dass der nationale Referenzzinssatz steigt. Früher wurden die Referenzzinssätze kantonal festgelegt. Seit der Umstellung auf einen schweizweit gültigen Satz im Jahr 2008 sank der Satz kontinuierlich.
Nun geht es in die andere Richtung – und zwar rasant. Das prognostiziert zumindest CS-Immobilienökonom Fabian Waltert in der neuen Studie. Er rechnet damit, dass der Referenzzinssatz in kurzen Abständen steigen wird. Im Dezember werde der Satz wohl auf 1.75 Prozent angehoben, und ein dritter Anstieg werde 2024 folgen.
Grundsätzlich berechtigt der Anstieg um einen Viertelprozentpunkt die Vermietenden, ihre Nettomieten um 3 Prozent zu erhöhen.
Die CS-Studie geht davon aus, dass die Mieten in den meisten Fällen per Oktober steigen. Einerseits wegen des höheren Referenzzinssatzes. Anderseits, weil die Vermietenden auch 40 Prozent der Teuerung sowie jährlich rund 0.5 Prozent für allgemeine Kostensteigerungen draufschlagen können. Im Extremfall könnte eine Miete bis April 2024 um 10 Prozent steigen – nämlich bei jenen Mietenden, die bisher von allen Senkungen des Referenzzinssatzes profitierten. Im Schnitt rechnet die Studie mit 7 Prozent höheren Mieten.
Etwas weniger drastisch sieht es das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO). Es rechnet damit, dass die Mieten in der zweiten Jahreshälfte um bis zu 4 Prozent aufschlagen. Das sagte BWO-Direktor Martin Tschirren im März gegenüber CH Media. Rund die Hälfte der Mietenden werde von einer Erhöhung des Mietzinses betroffen sein.
Die Grossbank UBS geht davon aus, dass es etwas länger dauert, bis die Mieterhöhungen voll durchschlagen werden. Sie erwartet, dass der Referenzzinssatz bis Ende 2025 von 1.25 auf 2 Prozent steigen wird. Weil dazu noch die Inflation kommt und höhere Nebenkosten, könnten typische Vermietende für die betroffenen Verträge rein rechnerisch 15 Prozent mehr verlangen. Doch laut UBS wird es im landesweiten Mittel weniger sein.
Das liegt daran, dass längst nicht alle Mietverträge auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1.25 Prozent basieren. Es sind schätzungsweise bloss 30 oder 40 Prozent aller Verträge. Und nicht alle Vermietenden werden ihren vollen Anspruch geltend machen wollen, vor allem nicht gleich im ersten Jahr. Viele private Vermietende hätten ein besonderes Verhältnis zum Mietenden, sagt UBS-Ökonom Mathias Holzhey. Er sagt:
So werde beispielsweise berücksichtigt, dass Mietende durch die gestiegenen Nebenkosten ohnehin stark belastet werden, so Holzhey. Oder, dass Mietende ihrerseits Forderungen stellen könnten, zum Beispiel nach einer neuen Waschmaschine. Damit werde, so Holzhey, der höhere Referenzzinssatz nicht zu einer durchschnittlichen Mietzinserhöhung von 15 Prozent führen, sondern nur von ungefähr 5 Prozent bis Ende 2025.
Die Schätzungen der Experten weichen recht deutlich voneinander ab. Das hat damit zu tun, dass der Referenzzinssatz noch nie angestiegen ist und es folglich an Erfahrungswerten fehlt. Wie viele Vermietende werden zum Beispiel von ihrem Anspruch überhaupt Gebrauch machen?
Und es fehlt an genauen Daten, wie viele Vermietende einen Anspruch haben. Es muss analysiert und geschätzt werden. So gaben zum Beispiel längst nicht alle den günstigeren Referenzzinssatz tatsächlich weiter. Oft mussten die Mietenden dies von sich aus einfordern. So wurde laut einer Analyse der Zürcher Kantonalbank (ZKB) von 2016 bis 2022 weniger als ein Drittel aller Verträge nach unten angepasst. An sich dürfte nur dieses Drittel auch die Verträge wieder nach oben anpassen. Nun darf man gespannt sein, wie sich die Mieten entwickeln werden.
Jedoch ist der höhere Referenzzinssatz nicht der einzige Trend, welcher die Mieten hochtreibt. Sie gehen auch sonst hoch: mit jedem Umzug, jeder Sanierung, jedem Neubau. Holzhey dazu: «Das Angebot an Wohnungen wird bis Ende 2025 nur knapper werden – somit können Mietzinserhöhungen leichter durchgesetzt werden.» Durch diese Knappheit steigen die Mieten nochmals um 5 Prozent an – macht gesamthaft 10 Prozent.
Der Mieterverband zeigt sich auf Anfrage «beunruhigt über diese Aussichten». Die Mieten seien bereits heute auf einem Rekordstand, und viele hätten in den letzten Jahren nur zu sehr hohen Mieten noch eine Wohnung gefunden, sagt Vizepräsident und Nationalrat Michael Töngi (Grüne). «Auf einem sehr hohen Niveau drohen nun mehrere Mietzinserhöhungen.»
Waren die bürgerliche nicht grad ganz besorgt wegen mieterhöhung wegen klimaschutzgesetz? Mal schauen ob sie jetzt auch besorgt sind, oder ob es alles nur politik war.