Medienministerin Doris Leuthard kündigte heute an, die Radio- und TV-Gebühr zu senken. Was hat es damit auf sich?
365 Franken pro Jahr – oder genau 1 Franken pro Tag – soll die Empfangsgebühr für private Haushalte künftig betragen. Dies hat der Bundesrat beschlossen. Er stützt sich dabei auf das neue Radio- und TV-Gesetz (RTVG), welches das Schweizer Stimmvolk vor zwei Jahren hauchdünn angenommen hat. Ab 2019 sind damit alle Haushalte gebührenpflichtig – auch solche, die kein Radio- oder TV-Gerät besitzen. Im Gegenzug sinkt die Gebühr für alle.
Kommt die Senkung auf 365 Franken überraschend?
Ja. Die Befürworter des RTVG hatten zwar schon im Abstimmungskampf versprochen, dass die Gebühr bei einer Annahme sinkt. Die Rede war aber lediglich von einer Reduktion von 462 auf rund 400 Franken. Weitere 10 Franken Rabatt kamen hinzu, weil das Bundesgericht zum Schluss kam, dass jahrelang zu Unrecht Mehrwertsteuern auf die Billag erhoben worden waren. Daher war damit zu rechnen, dass die neue Gebühr ab 2019 rund 390 Franken beträgt.
Warum also kommt der Gebührenzahler nun noch besser weg?
Der Bundesrat hat beschlossen, den Gebührenanteil von Schweizer Radio und Fernsehen ab 2019 auf 1,2 Milliarden Franken zu beschränken. Das sind rund 40 Millionen weniger als letztes Jahr. Die konzessionierten privaten Sender erhalten dafür neu 81 statt 67,5 Millionen Franken. Das Bundesamt für Kommunikation berechnete die nötigen Einnahmen unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl, der Haushaltsgrössen und weiterer Faktoren. Aus dieser Rechnung sei ein Tarif von 365 Franken abgeleitet worden, heisst es bei der Medienstelle auf Anfrage. SRG-Kritiker wittern jedoch auch politisches Kalkül: Leuthard wolle das Stimmvolk vor der Abstimmung über die No-Billag-Initiative besänftigen, so der Vorwurf.
Was passiert mit den Plänen, falls No Billag angenommen wird?
Ebenfalls heute gab der Bundesrat bekannt, dass im nächsten März über die No-Billag-Initiative abgestimmt wird. Sollten Volk und Stände einer Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren zustimmen, müsste der Bundesrat laut Initiativtext bereits auf den Januar 2019 entsprechende Ausführungsbestimmungen erlassen. Die Pläne von Doris Leuthard würden damit wohl hinfällig.
Wie stehen die Chancen der No-Billag-Initiative an der Urne?
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Demoscope kam letzten Monat zum Schluss, dass sich aktuell eine relative Mehrheit des Stimmvolks für eine Abschaffung der Empfangsgebühren aussprechen würde. 47 Prozent würden sicher oder eher Ja stimmen, 37 Prozent sicher oder eher Nein. Das Resultat ist mit Vorsicht zu geniessen – bei Volksinitiativen sinkt die Zustimmung im Laufe des Abstimmungskampfs in der Regel noch deutlich. Sicher ist jedoch: Nach dem historisch knappen Resultat bei der RTVG-Abstimmung nimmt die Initiative in Bundesbern kaum jemand auf die leichte Schulter.
Wer macht sich dafür stark, die Gebühren komplett abzuschaffen?
Lanciert wurde No Billag von libertären Jungpolitikern. Die meisten grossen Parteien dürften die Initiative bekämpfen – nur die SVP liebäugelt mit einem Ja. Noch unklar ist die Haltung der Wirtschaft. Der Dachverband Economiesuisse will Ende Monat Stellung beziehen. Er hatte einen – inzwischen versenkten – Gegenvorschlag der SVP unterstützt, der die Gebühren auf 200 Franken halbieren wollte.
Wie viel zahlen denn die Firmen in den Gebührentopf?
Letztes Jahr lieferten sie insgesamt 41 Millionen an Radio- und TV-Gebühren ab. Mit dem neuen Radio- und Fernsehgesetz ändern sich die Spielregeln auch für sie. Drei Viertel der Unternehmen – alle mit einem Umsatz unter einer halben Million – werden von der Abgabe befreit. Die grossen Konzerne hingegen zahlen teilweise massiv mehr als heute – je nach Umsatz bis zu 35’590 Franken jährlich.
Ist es nicht ohnehin falsch, noch von der «Billag-Gebühr» zu sprechen?
Umgangssprachlich hat sich diese Bezeichnung eingebürgert, weil die Abgabe bisher von der Billag AG eingetrieben wurde. Ab 2019 übernimmt diese Aufgabe eine Zürcher Firma namens Serafe. Eine Billag-Gebühr gibt es dann streng genommen also ohnehin nicht mehr – egal, wie das Stimmvolk im März entscheidet.
(jbu)