Schweiz
Bundesrat

Erbrecht: Bundesrat will Pflichtteil für Kinder halbieren 

Erbrecht: Bundesrat will Pflichtteil für Kinder halbieren 

29.08.2018, 16:3729.08.2018, 18:50
Mehr «Schweiz»

Das Erbrecht ist seit fast 100 Jahren praktisch unverändert. Stark verändert haben sich in der Zeit aber Lebensformen und Familienstrukturen. Der Bundesrat schlägt dem Parlament daher vor, das Erbrecht zu modernisieren.

Ihm geht in erster Linie darum, dem Erblasser oder der Erblasserin mehr Freiheiten bei der Verteilung des Erbes zu geben. Dafür gibt es nach Ansicht des Bundesrats verschiedene Gründe. Die meisten haben mit den veränderten Lebensrealitäten zu tun.

Zweit- und Drittbeziehungen sind in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden und damit auch Patchworkfamilien. Viele dieser Beziehungen zwischen Erwachsenen, aber auch zwischen Erwachsenen und Kindern, sind rechtlich nicht anerkannt und begründen keinen gesetzlichen Erbanspruch. Die Revision des Erbrechts soll diese Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit verkleinern.

Kleinerer Pflichtteil

Dafür setzt der Bundesrat bei den Pflichtteilen an. Es handelt sich um jenen Anteil am Erbe, auf den Kinder, Ehegatten oder Eltern Anspruch haben. Am Konzept wird nicht gerüttelt: Wer ein Vermögen hinterlässt, soll auch in Zukunft nur mit Einschränkungen bestimmen können, wer welchen Anteil daran erhält.

Der Bundesrat will aber den Pflichtteil der Nachkommen verkleinern. Heute stehen Kindern vom gesetzlichen Erbteil drei Viertel als Pflichtteil zu. Mit einem überlebenden Ehegatten müssen sie diesen Anspruch zwar teilen. Nach Ansicht des Bundesrats kann der hohe Pflichtteil aber zu Problemen führen, wenn der Ehemann, die Ehefrau oder der faktische Lebenspartner auf ein Auskommen aus der Erbschaft angewiesen ist.

Er schlägt daher vor, den Pflichtteil der Kinder auf die Hälfte zu reduzieren. Das würde einem Erblasser ermöglichen, zum Beispiel einen faktischen Partner oder eine faktische Partnerin ohne gesetzliches Erbrecht stärker als bisher zu begünstigen.

Gleichzeitig wird damit die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen erleichtert. Der Bundesrat ist überzeugt, dass sich das positiv auf die Stabilität von Unternehmen auswirkt und Arbeitsplätze sichern hilft.

Kein Pflichtteil für Eltern

Entgegen den ursprünglichen Plänen des Bundesrats soll der Pflichtteil des Ehepartners oder des eingetragenen Partners bei der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs belassen werden. Der Bundesrat hatte in der Vernehmlassung einen Viertel zur Diskussion gestellt. Der Vorschlag fiel jedoch durch. Probleme wurden vor allem in jenen Fällen geortet, in welchen die überlebende Person auf die Erbschaft dringender angewiesen ist als die Nachkommen.

Den Pflichtteil der Eltern möchte der Bundesrat hingegen ganz streichen. Dieser beträgt heute die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Nach Ansicht des Bundesrats kann das zu unbefriedigenden Situationen führen, weil der Partner oder die Partnerin dem Erblasser oft näher steht als die Eltern. «Es erscheint somit angemessen, den Pflichtteil der Eltern ersatzlos zu streichen», heisst es in der Botschaft.

Schutz vor Armut

Eine Neuerung will der Bundesrat mit einem Unterstützungsanspruch für den faktischen Lebenspartner oder die faktische Lebenspartnerin einführen. Wenn der Erblasser keine Regelung getroffen hat, geht die Person leer aus. Wenn sie zu Gunsten von Kinderbetreuung oder Pflege auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, droht ihr der Abstieg in die Armut.

Das ist vor allem dann stossend, wenn ein beträchtlicher Nachlass vorhanden ist. Um das Existenzminimum zu sichern, soll die Partnerin oder der Partner neu Anspruch auf eine Rente haben. Dafür kann ein Viertel des Vermögens sichergestellt werden. Die faktische Lebensgemeinschaft muss vorher mindestens fünf Jahre lang bestanden haben.

Taktische Verzögerungen

Daneben enthält die Revision zahlreiche Änderungen, die sich aus der Praxis der letzten Jahrzehnte aufdrängen. Stirbt eine Person während eines Scheidungsverfahrens, soll der überlebende Ehepartner keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen können. Damit will der Bundesrat taktische Verzögerungen des Verfahrens verhindern.

Weiter wird im Entwurf ausdrücklich festgehalten, dass die Säule 3a nicht Teil der Erbmasse ist. Bei Verletzung von Pflichtteilen unterliegt sie aber der Herabsetzung. Das gleiche gilt für die Vereinbarung in einem Ehe- oder Vermögensvertrag, das güterrechtlich gemeinsame Vermögen vollständig dem überlebenden Ehegatten zukommen zu lassen.

Jährlich werden 60 Millarden Franken vererbt

Eine Änderung ist auch bei der verfügbaren Quote bei Nutzniessung geplant. Der Erblasser kann dem überlebenden Ehegatten die Nutzniessung an dem Teil der Erbschaft einräumen, der den gemeinsamen Kindern zufällt. Daneben kann der Erblasser über einen Viertel des Vermögens frei verfügen. Künftig soll die verfügbare Quote die Hälfte betragen.

Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass die Revision keine Auswirkungen auf bereits getroffene Verfügungen und Vereinbarungen hat. Angaben darüber, wie viele Erbfälle künftig davon betroffen sein könnten, macht der Bundesrat nicht. Jährlich werden schätzungsweise über 60 Milliarden Franken vererbt. (whr/sda)

Diese Obdachlosen haben vermutlich ihr Haus verloren – nicht aber ihren Humor

1 / 23
Diese Obdachlosen haben vermutlich ihr Haus verloren – nicht aber ihren Humor
Helft diesem armen Mann! Bild: pinterest
Auf Facebook teilenAuf X teilen

3-Jähriger erkennt eigene Mutter nicht mehr

Video: watson
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
49 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
gupa
29.08.2018 16:45registriert Dezember 2014
Erbrecht

Ein Wort bei dem sich Gross-/Kleinschreibung auszahlt 😉
1541
Melden
Zum Kommentar
avatar
Chris Olive
29.08.2018 16:43registriert September 2017
Das Thema hatten wir letztens am Familientisch. Als Kind einer Patch-Work-Familie haben wir alles vertraglich geregelt (Erbverzicht und neuer Erbvertrag).

Generell möchte ich aber nichts erben. Meine Eltern sollen IHR Geld aufbrauchen, sie haben es ja auch angespart.
11611
Melden
Zum Kommentar
avatar
Butschina
29.08.2018 17:08registriert August 2015
Ja das liebe Erben. Bei uns in der Familie führte dies zum Glück bisher nie zu Streit. Leider passiert dies jedoch des öfteren.
512
Melden
Zum Kommentar
49
Panzerknacker ade: Zahl der Bankomat-Überfälle hat sich 2023 halbiert

Die Zahl der Angriffe auf Bankomaten in der Schweiz hat sich innerhalb eines Jahres fast halbiert. Im Jahr 2023 gab es gemäss Zahlen der Bundespolizei 32 Bankomat-Attacken, wie diese am Freitag auf dem Portal X schrieb. Im Vorjahr waren es 56.

Zur Story